Begegnung mit einem Vollblut-Touristiker aus Eckersmühlen

30.5.2015, 18:00 Uhr
Begegnung mit einem Vollblut-Touristiker aus Eckersmühlen

© Babett Guthmann

Als „industriegeschichtliches Klein­od“ wird der  „Historische Eisenhammer“, Startpunkt der zweiten Etappe, beschrieben. Die Tür zu diesem Museum, in dem noch immer die Kunst des Hammerschmiedens gepflegt wird, steht offen. Nur ein kurzes Sich-Umschauen war geplant, doch da hatte ich nicht mit Sepp Bucher gerechnet.

Er bezeichnet sich selbst als „Vollblut-Touristiker“ und kann einen mit wenigen Worten derart neugierig machen, dass man sich folgsam vor den Fernseher setzt, um dort einen Videofilm über die 600 Jahre alte Mühle anzuschauen. Hauptfigur des Films ist Fritz Schäff, der frühere Mühlenbesitzer, der sich bis 1974 gegen die industrielle Massenproduktion gestemmt und landwirtschaftliche Spezialwerkzeuge wie die Spalter Hopfenwendschaufel geschmiedet hat.

Der heutige „Eisenhammermüller“ Sepp Bucher ist noch beim alten Schäff in die Schmiedelehre gegangen, und wer möchte, kann eine Schmiedevorführung im Rother Landratsamt (09171/811329) buchen. Die Museumsmühle, eine Ausstellung zum Thema „Vom Erz zum Eisen“ und Nebengebäude des Anwesens sind ohne Anmeldung von April bis Oktober von Mittwoch bis Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 17 Uhr geöffnet.

Sepp Bucher kann hervorragend erzählen, und fast hätte ich das Loswandern vergessen bei seinen Geschichten: Von der Wasserkraft der Roth, mit der die seit 1906 anstandslos laufende Francis-Turbine und damit die Transmissionsriemen in der Eisenhammer-Mühle angetrieben oder  über eine Dynamomaschine sechs Kilowattstunden Strom erzeugt werden, von den abgefahrenen Eisenbahnschienen, die der alte Schäff zu Kreuzbeilen und Hopfennägeln umgeschmiedet hat, und und und …

Zum Kanal

Zur Erinnerung kaufe ich einen von Sepp Bucher aus einem Stück getriebenen Hopfennagel und mache mich an der malerischen Roth und am Ortsrand von Eckersmühlen entlang mit einiger Verspätung auf den Weg. Bald lichtet sich der Kiefernwald für den Main-Donau-Kanal. Hier tummeln sich die Radfahrer, und acht Schwäne ziehen ihre Kreise. Kein Binnenschiff, nicht mal ein Paddelboot ist zu sehen. Es geht ein kleines Stück bergauf. Von einem erhöhten Uferpfad nimmt man den Kanal als Wasserfläche wahr, und das ist viel schöner, als direkt am Ufer dieser eigentlich eintönigen Kanalrinne – es ist eben eine Wasserstraße – ohne Uferbewuchs entlangzulaufen. Wieder so ein Pfad, den man ohne das „Seenländer“-Wanderzeichen nie entdeckt hätte.

Recht bald darf man an den Rothsee abbiegen. Und hier erwartet die Altmühlsee-Umradler, Igelsbachsee-Spazierer und Brombachsee-Kenner eine herbe Enttäuschung. Der Roth­-see ist wirklich viel weniger schön als seine drei Geschwistergewässer. Vielleicht ist das ungerecht, und man müsste mal ganz außenrumlaufen, aber von der „Seenländer“-Perspektive aus wandert man an der kahlen, 1,7 Kilometer langen Hauptsperre entlang und schaut in ein mit Donauwasser aufgefülltes „Sandloch“. Neidisch könnte man allenfalls auf das Kraftwerk Rothsee werden, das mit einer ständig laufenden Durchströmturbine und einer Rohrturbine für größeren Wasserdurchfluss 2014 eine Jahresleistung von mehr als zwei Millionen Kilowattstunden erbrachte – das schafft das Brombachsee-Kraftwerk nicht ganz.

Rekordmäßig viele Wanderwege treffen unterhalb des Rothsee-Kraftwerks zusammen, und ganz einfach ist es nicht, die Streckenführung des „Seenländers“ auszumachen. Getrost kann man sich an dem klotzigen Bauwerk der Schleuse Eckersmühlen orientieren. Obwohl jährlich mehr als 7000 Schiffe die Schleuse passieren, ist grad nix los, und schwindelfreie Personen können hier von der Aussichtsplattform aus in den 20 Meter hohen Schleusenschacht runtergucken – ich nicht.
Reiche Brotzeit-Auswahl
Weiter geht es nach einem Örtchen Namens Haimpfarrich, das sich durch ein schönes Wirtshaus mit fünf verschiedenen Brotzeitvarianten auf der Karte, einen blütenreichen Frühlingsvorgarten und durch äußerst humorvolle Bewohner auszeichnet. An einem etwas heruntergekommenen 1950er-Jahre-Wohnhaus hängt ein verrosteter Zeitungskasten und darüber ein Schild: „Hier wohnen Michael, Annika, Julia, Max und Paul weit über ihren Verhältnissen, aber immer noch unter ihrem Niveau!“

Obwohl meine kleine Zehe eben an der Schleuse zum ersten Mal gemuckt hat und die Reststrecke nur noch unter Protest zurücklegen möchte, gehe ich vom Humor der Haimpfarricher beschwingt in Richtung Leonhardsmühle und Brückleinsmühle in den Wald hinein. Ein unbekannter Bach und mir zuerst unbekannte Blumen, eine einsame Flussaue: Der „Seenländer“ bietet einfach unsagbar schöne Filetstückchen! Daheim ließ sich mit Hilfe einer pflanzenkundigen Freundin der Name der Blume ermitteln, die am Flussufer eine eindrucksvolle Kolonie gegründet hat: Die gemeine Pestwurz galt dereinst als Heilpflanze, doch vor ihren mutagenen und leberschädigenden Wirkungen wird gewarnt. Also lieber keinen Pestwurz-Tee bei Migräne trinken!

Zwei lohnenswerte Kilometer

Bis Hofstetten geht es durch Wald und Wiesen am tatsächlich rotbraunen Wasserlauf der Roth entlang bis zur Fuchsmühle mit malerischem Biergarten. Wer nur einen kurzen Spaziergang am „Seenländer“ machen möchte und sich gerne mal einen Biergarten-Nachmittag gönnt, dem sei das Parken bei der Kirche in Hofstetten empfohlen. Von dort aus sind es allenfalls zwei Kilometer bis zur Fuchsmühle. Meine kleine Zehe meint zwar, das letzte Etappenstück müsste zehnmal so lang gewesen sein, aber sie irrt sich.

Wenn meine Füße wieder abgeschwollen sind,  mache ich mich auf zur dritten Etappe. Diese führt von der Fuchsmühle nach Altenheideck. Bis dahin gilt der schöne Wandergruß der Alpenwanderer: Wünsch eich a guade Zeit!

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