Bilanz der Suchtberatung: Sucht kommt oft auf leisen Sohlen

5.4.2018, 06:00 Uhr
Alkohol ist die Volksdroge Nummer eins. Auch im Landkreis ist sie bei den Ratsuchenden mit 59,1 Prozent das häufigste Problem.

© Daniel Naupold Alkohol ist die Volksdroge Nummer eins. Auch im Landkreis ist sie bei den Ratsuchenden mit 59,1 Prozent das häufigste Problem.

Die Suchtberatungsstelle der Diakonie ist eine Anlaufstelle, zu der jeder kommen kann, deshalb gibt es neben dem Standort in Weißenburg auch eine Nebenstelle am Hindenburgplatz in Gunzenhausen. Mehrmals wöchentlich werden auch dort Beratungsgespräche angeboten.

Ein Drittel der Hilfesuchenden im vergangenen Jahr konsumierte illegale Drogen, 59,1 Prozent waren alkoholkrank. Unter den illegalen Drogen ist Cannabis besonders beliebt, mit 17,2 Prozent, Opioide wurden mit 6,8 Prozent weniger häufig konsumiert, auch Stimulanzien sind mit 4,7 Prozent nur ein kleineres Problem. Die vor einiger Zeit noch häufiger konsumierten Kräutermischungen und Badesalze sind kaum mehr Thema. Inzwischen hat sich herumgesprochen, wie gefährlich diese am Rande der Legalität verkauften Substanzen sind. Das Spektrum der bei der Beratungsstelle thematisierten Süchte hat sich inzwischen auch auf Verhaltenssüchte wie Spielsucht, exzessiven Medienkonsum oder Magersucht erweitert.

Die Altersspanne der Ratsuchenden reichte von Minderjährigen bis zu Menschen über 80 Jahre, die Mehrzahl aber, 67,9 Prozent, waren zwischen 25 und 54 Jahre alt. Die Betroffenen waren mit rund 70 Prozent vor allem Männer.

Die Droge Nummer eins ist ganz klar der Alkohol, das machen die Leiterin der Suchtberatungsstelle Karin Ernst und Präventionsfachkraft Svenja Memet deutlich.

Alkoholismus schleicht sich an

Das Gefährliche am Alkohol ist, dass sich die Sucht schleichend entwickelt, weswegen auch kaum jemand davor gefeit sei. "Unter Jugendlichen ist es erst mal cool, wenn man viel verträgt", sagt Memet. Oft locke der Reiz des Verbotenen oder sei übermäßiger Alkoholkonsum ein Ausloten von Grenzen, wie erste Versuche mit Drogen. Wenn es nicht dabei bleibt, ist der Weg in die Sucht nicht mehr weit. "Wenn Alkohol zur Gewohnheit wird und ein Problem dazukommt, kann es schnell gehen", warnt Karin Ernst.

Bilanz der Suchtberatung: Sucht kommt oft auf leisen Sohlen

© Foto: Diakonie Weißenburg-Gunzenhausen

Alkohol sei als legale Droge gesellschaftlich akzeptiert und integriert, zu vielen Anlässen gebe es Sekt, schon am Vormittag, Alkohol ist billig und die Konsummenge in Deutschland sei hoch, berichtet Ernst. Oft trinken schon Jugendliche im Bereich der Familie etwas, Kinder dürften den Schaum vom Bierkrug abschlürfen, berichtet sie: "Alkohol wird verharmlost."

Das berühmte Glas Bier oder Wein zum Feierabend kann ein Einstieg sein. "Man unterschätzt, wann es soweit ist", sagt Ernst. "Viele kommen viel zu spät zu uns und haben oft schon zehn bis 15 Jahre ein Problem", berichtet sie. Denn die Überwindung dauere oft lange, Betroffene wahren oft jahrelang den Schein. Besonders Frauen trinken heimlich, weiß Ernst. "Bei Frauen funktioniert das äußere Erscheinungsbild wahnsinnig lange, länger als bei Männern", berichtet Memet. Während viel trinken zu können als Attribut der Männlichkeit gilt, ist das Stigma, als Frau ein Sucht- oder Alkoholproblem zu haben, oft größer.

Suchtproblem ansprechen 

"Viele Betroffene denken, es fällt in ihrem Umfeld niemandem auf, aber das ist oft ein Irrtum", berichtet Ernst. Sie rät deshalb Kollegen, Freunden oder Familienangehörigen, das Thema in einer ruhigen Minute anzusprechen, auch wenn die erste Reaktion oft Ablehnung sei. "Es ist wichtig, das Verhalten und nicht die Person zu kritisieren", sagt sie. "Alkohol- und Drogensucht ist eine Krankheit, für die der Betroffene nichts kann." Wenn derjenige aber bemerke, dass seine Sucht doch auffällt, kann das ein erster Anstoß sein, etwas daran zu ändern. Hilfe könne man anbieten.

Angehörige können sich ebenfalls an die Suchtberatungsstelle wenden. Für Betroffene gibt es immer montags um 17 Uhr einen offenen Treff, zu dem jeder kommen und sich informieren kann. "Das ist ein erstes niederschwelliges Angebot. Denn unsere Warteliste ist leider recht lang", erklärt Ernst. Grundsätzlich ist die Beratungsstelle für jeden offen, egal welche Religion oder Nationalität jemand hat. Alle Mitarbeiter unterliegen der Schweigepflicht, sodass niemand Angst haben muss, dass Umfeld oder Arbeitgeber etwas erfahren.

Selbsthilfe oder doch Therapie

Wer Hilfe sucht, kann anrufen (09141/72099) und einen Termin vereinbaren, oder vorbeikommen. In diesem ersten Gespräch klären die Beraterinnen (alle Mitarbeiter sind weiblich) mit dem Ratsuchenden, welche Hilfe er braucht oder sich wünscht. "Manchmal reicht die Vermittlung an eine Selbsthilfegruppe, andere brauchen erst einmal eine Entgiftung und dann eine Therapie", erklärt Ernst.

Ein weiteres Betätigungsfeld der Weißenburger Suchtberatung ist die Präventionsarbeit. So gibt es das FRED-Projekt zur Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten. Hier erarbeitet Memet mit den meist jungen Betroffenen, welchen Schaden Drogen anrichten können und wie sie davon wegkommen. Mit einem anderen Projekt mit jugendlichen Freiwilligen werden gezielt im Umfeld von Kirchweihen und Festen Gruppen in der "Vorglüh-Phase" angesprochen und gefragt, wer fährt, ob sie wirklich darüber nachgedacht haben, wie viel sie trinken wollen. Das habe durchaus einen Effekt und manche kämen ins Nachdenken, berichtet Memet. Und das kann ein erster Schritt sein.

Kontakt und weitere Infos unter www.diakonie-wug.de/beraten-und-unterstuetzen/suchtberatung, per Mail unter sucht@diakonie-wug.de, per Telefon unter 09141/72099

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