Bürgerversammlung zur Gunzenhäuser Asyl-Unterkunft

16.10.2015, 11:00 Uhr
Bürgerversammlung zur Gunzenhäuser Asyl-Unterkunft

© Eisenbrand

Was für eine Einrichtung entsteht überhaupt in der Ostvorstadt?
Laut Bürgermeister Karl-Heinz Fitz ist auf dem 4700 Quadratmeter großen Gewerbegrundstück eine etwa 1500 Quadratmeter große Leichtbauhalle geplant. Die ist gegliedert in ein 650 Quadratmeter großes, parzellierten Wohn-Schlaf-Areal und diverse andere Bereiche (Essen/Aufenthalt,  Sanitär, Verwaltung). Ob die Parzellierung durch Bauzäune mit Sichtschutzplanen oder Trockenbauwände erfolgt, ist laut Sebastian Münch, im Landratsamt für die Koordinierung der Flüchtlingsarbeit zuständig, noch unklar. Der Hof der EAE soll gepflastert und so eine gute Zufahrt ermöglicht werden. Im hinteren Bereich des Grundstücks sollen nach Möglichkeit Bäume erhalten bleiben.

Welche Menschen werden hier untergebracht – und wie viele?

Die Gunzenhäuser EAE ist eine ­Außenstelle der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in Zirndorf, die aus allen Nähten platzt. In EAEs werden Flüchtlinge untergebracht, die bereits registriert und medizinisch untersucht sind, deren Asylverfahren aber noch nicht abgeschlossen ist. Die Halle ist für maximal 300 Menschen ausgelegt, Fitz hofft jedoch auf deutlich weniger: „Das wäre mir natürlich lieber.“

Wie lange werden die Asylsuchenden in Gunzenhausen bleiben?

Die Aufenthaltsdauer der Menschen in EAEs beträgt meist nur wenige Wochen, ehe sie auf andere Bundesländer und andere Unterkünfte verteilt werden. Wegen der kurzen Verweildauer kann die Zahl der Flüchtlinge in den Einrichtungen deutlich schwanken, sagte der stellvertretende Landrat Robert Westphal. In der EAE Mackenmühle seien es derzeit bei einer Kapazität von 300 Plätzen 209, in der Senefelder-Turnhalle in Treuchtlingen 23 bei Platz für 120. Allerdings waren für gestern dort 25 Zugänge angekündigt.

Warum muss Gunzenhausen überhaupt Flüchtlinge aufnehmen?

Täglich kommen derzeit etwa 200 Flüchtlinge in Zirndorf an, die von der Regierung von Mittelfranken auf die Landkreise verteilt werden. In Pleinfeld gebe es bereits die EAE ­Mackenmühle, in Weißenburg lebten schon bald 280 Flüchtlinge, rechnete  Fitz vor: „Was soll ich da tun? Soll ich mich wegducken?“ Und der Bürgermeister, der derzeit viel Kritik ein­stecken muss, gab selbst die Antwort: „So kann man nicht arbeiten.“ Gunzenhausen sei die zweitgrößte Stadt im Landkreis, und die müsse ihren Teil der Verantwortung tragen: „Oder soll ich warten, bis die Regierung mir mitteilt, dass sie zum Beispiel die Turnhalle der Stephani-Schule beschlagnahmt?“ Er halte es für besser, aktiv zu werden und „zielorientiert zu handeln. Dafür bin ich gewählt.“

Wann wird die Einrichtung in Betrieb gehen?

Derzeit gehen die Verantwortlichen davon aus, so Landratsvize Westphal, dass dies Ende des Jahres der Fall sein wird. Dann soll auch die Notunterkunft in der Treuchtlinger Senefelder-Schule geräumt werden und wieder für den Schul- und Vereinssport nutzbar sein. Die zu diesem Zeitpunkt dort lebenden Flüchtlinge werden nach Gunzenhausen umziehen. 

Wie lange wird die EAE in Gunzenhausen betrieben werden?

Die Politik plant im Moment mit  eineinhalb Jahren, mit einer Option auf weitere zweimal sechs Monate. Angesichts der Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten muss man realistischerweise wohl davon ausgehen, dass diese Option gezogen werden wird, sodass schon jetzt mit zweieinhalb Jahren zu rechnen ist. Dass auch dies noch nicht das Ende der Fahnenstange sein muss, bekannte Fitz auf Nachfrage eines Bürgers offen: „Wir können derzeit nicht sagen: In zweieinhalb Jahren ist definitiv Schluss.“

Warum muss es unbedingt die Industriestraße sein? Und nicht die ehemalige Kaserne in Heidenheim, das Gewerbegebiet Scheupeleinsmühle oder das Silo-Haus?

Als Landrat Gerhard Wägemann Anfang August wegen einer möglichen Unterkunft an die Stadt herantrat, zog Fitz mehrere Objekte in Betracht. Nach vielen Gesprächen mit Eigentümern blieb nur das ­Areal in der Industriestraße, das der städtischen Hospitalstiftung gehört, übrig.

Die Kasernengebäude in Heidenheim stünden schon lange leer, zudem sei die Wasserversorgung abgekoppelt, und auch die Abwasserleitungen seien nicht mehr zu nutzen. „Der Sanierungsbedarf wäre enorm“, so Fitz. Zudem sei das Gelände in Privatbesitz.

Mit dem Silo-Haus und dem Gewerbegebiet Scheupeleinsmühle habe er andere, für die Stadt wichtige Pläne: In Ersteres solle das Landesamt für Schule und Kultur einziehen und 100 neue Jobs schaffen. Und für Letzteres führe er aussichtsreiche Gespräche über Gewerbe-Neuansiedlungen. Fitz: „Auch wenn das Thema Flüchtlinge derzeit sehr dominant ist, darf Gunzenhausen die eigene Entwicklung nicht vergessen.“

Warum wurden die Anwohner nicht früher informiert?

Am Donnerstag, 17. September, fiel im Landratsamt die Entscheidung zugunsten des Standorts Industriestraße. Bereits tags darauf präsentierte Landrat Wägemann in einer Pressekonferenz, an der auch Fitz teilnahm, die Neuigkeit der Öffentlichkeit. An diesem Tag, also noch bevor der Altmühl-Bote am Samstag mit der Nachricht herauskam, habe Fitz mit den Unternehmern in der Nachbarschaft gesprochen und ihnen das Projekt vorgestellt; alle hätten ihre Zustimmung signalisiert. Dass er die frühere Eigentümerin des Geländes an diesem Tag nicht informiert habe, bedauere er; dass er aber sämtliche Anwohner persönlich an der Haustür in Kenntnis setze, könne man nicht von ihm erwarten.    

Welche Kosten kommen durch die EAE auf die Stadt Gunzenhausen zu?

Finanziell stehe der Freistaat in der Verantwortung, sagte Fitz, die benötigten Mittel kommen also vom Freistaat. Auch jene, die der Landkreis vorstrecke, ergänzte der Experte aus dem Landratsamt, Sebastian Münch. Einzige Ausnahme: die erhöhten Personalkosten; die blieben beim Landkreis hängen. So oder so – natürlich handelt es sich in jedem Fall um Steuergeld, wie eine Zwischenruferin feststellte.

Die Anwohner argumentieren, ihre Immobilien verlören an Wert und fragen: Wer entschädigt uns?

Karl-Heinz Fitz glaubt nicht daran, dass die Haus- und Grundstückspreise tatsächlich fallen – zumindest nicht langfristig. Und das Rechtssystem der Bundesrepublik biete für irgendwelche Ausgleichszahlungen auch keine juristische Grundlage. Zudem, so der Bürgermeister, sehe er in dieser Herangehensweise einen ganz „falschen Ansatz“.

Wie gewährleistet die Politik die ­Sicherheit der Anwohner?

Laut Rathauschef Fitz werden rund um die Uhr vier bis fünf Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes vor Ort sein. Die achten nicht nur darauf, wer in die EAE hinein will, sondern auch darauf, was in deren Umgebung passiert. Bei einem Besuch auf der Mackenmühle habe er festgestellt, dass die Securities und die Flüchtlinge einen „vernünftigen und von gegenseitigem Respekt geprägten Umgang miteinander pflegen“. Und Fitz beteuert, dass die Bürger vor Ort nicht alleingelassen würden.

Stimmt es, dass mit der Ankunft von Flüchtlingen auch die Kriminalitätsrate steigt?

Gunzenhausens Polizeichef Harald Eckert kann dieses Vorurteil nicht bestätigen: Bei 350 Asylbewerbern in seinem Zuständigkeitsbereich habe es bislang sieben Straftaten gegeben: zwei Ladendiebstähle und fünf Körperverletzungen. Rückfragen bei seinen Kollegen in Weißenburg hätten ergeben, dass es auch dort „keinerlei Probleme“ gebe. Und er gab zu bedenken: „Auch 350 Einheimische begehen Straftaten.“

Amelie Strauß, die für die Regierung von Mittelfranken auf dem Podium saß, nannte ein Beispiel: Direkt neben einem ehemaligen Möbelhaus in Fürth, in dem 800 Flüchtlinge leben, liege ein großes Autohaus. Auch dort habe es im Vorfeld große Bedenken gegeben; nun sei das Haus seit einem Jahr in Betrieb – und nicht ein einziges Auto hat auch nur einen Kratzer abbekommen oder wurde gar gestohlen.

Schlägereien in den Unterkünften kämen vor („Das ist nicht zu leugnen“), seien aber in erster Linie ­einem „Lagerkoller“ zuzuschreiben. Berichte jedoch, wonach Flüchtlinge in Supermärkten klauen dürften und das Landratsamt die Rechnung bezahle, oder dass Polizisten die Anweisung hätten, nicht über Straftaten von Asylsuchenden zu sprechen, wiesen beide Experten jedoch zurück. Strauß: „Solche Horrorgeschichten sind „reine Panikmache“.

Sind die Kinder der Flüchtlinge schulpflichtig, und erhalten Schulen gegebenenfalls Unterstützung, damit der Unterricht für einheimische Kinder nicht leidet?

Solange Kinder in EAEs untergebracht sind, besteht keine Schulpflicht, so Bürgermeister Fitz. Nach einer Anerkennung des Asylstatus freilich komme eine große Herausforderung auf die Stadt zu: „Kita, Schule, Bildung und Arbeit“, zählte Fitz auf. „Das Schulamt hat sich gerüstet“, wusste Ingrid Pappler, die Leiterin der Gnotzheimer Grundschule. Es stünden Lehrer für sogenannte Übergangsklassen parat, in denen Flüchtlinge auf den Besuch der Regelschule vorbereitet würden. Falls diese Pädagogen wider Erwarten nicht gebraucht würden, ziehe man sie nicht etwa ab, sondern setze sie im Differenzierungsunterricht für einheimische Kinder ein (weiterer Bericht folgt).
 

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