Dem Schutz des Meeres verschrieben

4.7.2015, 12:00 Uhr
Dem Schutz des Meeres verschrieben

© Jeff Wirth/Sea Shepherd Global

Abertausende ihrer tierischen Bewohner droht ein qualvolles Dahinscheiden – doch der Plan der Wilderer wird von Naturschützern in einer Mammutaktion vereitelt: mit dem Theilenhofener Matthias Kirsch mittendrin.

„Sea Shepherd“ nennt sich die Organisation, mit der der heute 25-Jährige schon als Schüler in Kontakt gekommen ist. Während seiner Ferienarbeit als Tankwart liest er Presseartikel über den guten „Meereshirten“, dem die Umtriebe der illegalen Walfangschiffe missfallen und der gegen sie mit legalen Mitteln zu Felde oder besser zu Wasser zieht. Dass er selbst einmal dabei sein wird, wenn die aktiven Meeresschützer eine weltweit aufsehenerregende Kampagne ganz im Süden der Erdkugel starten, weiß Kirsch damals noch nicht. Erst als die „Sea Shepherd Conservation Society“ (SSCS), wie sie sich offiziell nennt, 2010 in Hamburg einen deutschen Ableger ins Leben ruft, sieht auch der Theilenhofener seine große Chance, sich endlich aktiv engagieren zu können. Im September 2011 wird er zum Mitbegründer der „Ortsgruppe Franken“, die geographisch von Erfurt bis Ingolstadt eine erstaunliche Bandbreite abdeckt.

Mit Segel- und Tauchschulen in der Region sucht man unter anderem den Kontakt, um für das eigene Anliegen zu werben. „Unsere Waffe ist die Öffentlichkeit“, bekennt Kirsch, der sich seine Überzeugung so einiges kosten lässt. Seinen Job als Fachinformatiker bei der Firma Alfmeier in Treuchtlingen hängt er an den Nagel, um in Australien anzuheuern. Schon der Weg dorthin ist von Engagement geprägt: Er hilft bei einer humanitären Organisation in Kambodscha aus, bevor es weiter geht nach Thailand und Mitte November 2013 das Ziel Sydney und später Melbourne erreicht ist. Dort wird er erst einmal zum „Landarbeiter“ für den „Meereshirten“. Als er Einsatzwillen bewiesen hat und klar ist, dass seine IT-Kenntnisse und ebenso die sportlichen Qualitäten des Fallschirmspringers an Bord gut gebraucht werden könnten, fällt die Wahl beim Zusammenstellen des Teams für die neue Kampagne auch auf ihn. Am 8. Dezember 2013 wird mit der „Sam Simon“ in See gestochen, benannt nach ihrem Sponsor, dem Co-Producer der US-Serie „Die Simpsons“. Gemeinsam mit der „Bob Barker“ (hier war der gleichnamige TV-Moderator Pate und Geldgeber) geht es in die Antarktis – die elfte „Sea Shepherd“-Mission dorthin. Beides sind ironischerweise ehemalige Walfangschiffe.

Verbotene Netze

Doch diesmal will man, im Gegensatz zu den zehn vorangegangenen Kampagnen, nicht die Jäger von Moby Dick & Co selbst jagen, sondern erstmals jene Wilderer, die dem Antarktisdorsch im großen Stil den Garaus machen wollen und dabei verbotene Tiefseestellnetze anwenden, um das bis zu zweieinhalb Meter lange und bis zu drei Zentner schwere Tier zu fangen. Es wird zwar „schwarzer Seehecht“ genannt, dank des lukrativen Geschäfts mit ihm aber auch „weißes Gold“. Wo die Bestände des Eisfisches aufgrund Wilderei einbrechen, kollabieren die Ökosysteme, da der Fisch die Spitze der Nahrungskette bildet. Trotzdem wird die illegale Jagd auf ihn von der Politik und sogar den Medien mancher Anrainerstaaten geleugnet. „Sea Shepherd“ muss sich Häme gefallen lassen.

Gleich zum Start der Kampagne sichtet man das Wildererschiff „Thunder“, das sich davonmachen will. Die „Bob Barker“ nimmt die Verfolgung auf, während das „Sam Simon“- Team mit Matthias Kirsch auf Netzsuche geht. Just an Weihnachten wird man fündig. „Erst retten wir die Fische“, sagt der indische Kapitän, dann wolle man das Christfest feiern. Diese Vorstellung erweist sich als naiv. In ihre antarktischen Überlebensanzüge eingehüllt, brauchen die Mitstreiter allein 100 Stunden, um das erste Netz zu bergen. In den feinen und die Fische förmlich zerschneidenden Maschen verfängt sich auch unzähliger Beifang: Rochen, Seesterne, Königskrabben. Ganze fünf Seehechte können jeweils unter lautem Jubel lebendig befreit werden, an die 1000 Exemplare nur noch tot. „Das Deck sah aus wie ein Schlachtfeld“, erinnert sich Kirsch mit Schaudern zurück. Aber es gilt „für die stimmlosen Bewohner der See zu kämpfen,“ so die Parole.

Doch der Idealismus wird herausgefordert. Als klar wird, welche Dimensionen die insgesamt über 70 Tonnen schwere Netzfalle hat: Auf einer Gesamtlänge der Netze von 72 Kilometern (ein trauriger „Rekord“) finden sich in ihr Fische „in allen Stadien der Verwesung wieder.“ Retten, was zu retten geht, ist die Devise, und so wird 30 Stunden erst einmal durchgearbeitet, dann geht es in Vier-Stunden-Schichten vier Wochen lang weiter.

Mission führt bis nach Westafrika

Gleich im Anschluss heißt es, die nächste Runde der Mission einzuläuten: Gemeinsam mit der „Bob Barker“ macht man Jagd auf die „Thunder“. Wie sich herausstellt, ist sich die indonesische Crew nicht mal bewusst, dass sie auf einem illegalen Schiff angeheuert hat und dort nun von den spanischen Offizieren wie ein Sklaventrupp gehalten wird. Bis an die westafrikanische Küste verfolgt man das Schiff. Dann geschieht das Unglaubliche: Das Wildererschiff sinkt. Das Team der „Sam Simon“ wittert zwar einen Trick, nimmt aber die Besatzung komplett auf, nicht ohne jedoch durch die Crew der „Bob Barker“ die Beweise für das ungeheuerliche Treiben des versinkenden Kahns sichern zu lassen. Dessen Offiziere wollen eigentlich ausgeflogen werden, kommen aber in Sao Tome erst einmal in Polizeigewahrsam.

So geht nach 25 000 zurückgelegten Seemeilen die bislang „erfolgreichste,  längste und in allen Belangen epische Kampagne“ mit einem richtigem Paukenschlag zu Ende, so Kirsch rückblickend. Neben der 110-Tage-Rekordjagd auf die „Thunder“ haben er und seine Mitstreiter auch zwei weitere Schiffe verfolgt. Alle drei Wildererschiffe sind mittlerweile aus dem Verkehr gezogen und drei weitere noch dazu. Zwei hat ein „Sea Shepherd“- Kapitän beim Blick aus dem Taxi zufälligerweise im Hafen von Kap Verde entdeckt. Mit dieser Kampagne „haben wir Geschichte geschrieben,“ ist Kirsch überzeugt. Die aus dem Wasser gezogenen Netze sollen übrigens nun von Adidas zu einer Serie nachhaltig produzierter Schuhe verarbeitet werden.

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