Den Zusammenhalt der Menschen beschworen

8.10.2018, 18:16 Uhr
Den Zusammenhalt der Menschen beschworen

© Marianne Natalis

Beantworten konnte Barbara Stamm diese Frage nicht, doch auch wenn sie die aktuellen Umfragewerte mit keinem Wort kommentierte, wurde an diesem Abend im Altmühlsee-Informationszentrum in Muhr am See deutlich: Sie treibt die knapp 74-Jährige um. "Was ist nur los bei uns?", rief sie ihren Parteikollegen im Saal zu und weiter: "Wie können wir uns wieder in die Herzen der Menschen eingraben, wie wieder mehr Vertrauen schaffen?" Ein Patentrezept hat auch die gebürtige Unterfränkin, die immerhin seit 42 Jahren im Landtag sitzt, nicht.

"Wir feiern Bayern", lautete das Motto dieses Abends, an dem sich viel CSU-Prominenz versammelt hatte. Das bezog sich zwar vor allem auf das Doppeljubiläum 100 Jahre Freistaat und 200 Jahre Verfassungsstaat Bayern, war aber gleichzeitig auch eine Steilvorlage, um auf das Erreichte in den vergangenen 60 Jahren CSU-Regierung zu verweisen.

Mit Barbara Stamm hatte der CSU-Kreisverband ein veritables "politisches Urgestein" nach Muhr am See geholt, so der Landtagsabgeordnete und Kreisvorsitzende Manuel Westphal in seiner Begrüßung. Der war gerade einmal zwei Jahre alt, als die Unterfränkin 1976 erstmals in den Landtag gewählt wurde, heute arbeitet er nach eigenen Worten eng mit der Landtagspräsidentin zusammen, schätzt ihre Geradlinigkeit und dass sie immer ein offenes Ohr für die Belange der Schwachen und Schwächsten in der Gesellschaft hat.

Viel erreicht habe man, da waren sich Stamm und Westphal einig, vom armen Agrarland habe sich der Freistaat zu einem attraktiven High-Tech-Standort gewandelt und die Herausforderung der Globalisierung gut gemeistert. Geleistet hätten dies die in Bayern lebenden Menschen, klar, aber, machte Stamm in ihrer Ansprache mehrfach deutlich, die langjährige CSU-Regierung sei daran auch "nicht ganz unschuldig". Dabei dürften die Christsozialen aber nicht vergessen, was eine parlamentarische Demokratie bedeute: "Nämlich, dass wir mit den Menschen, die uns ihre Stimme gegeben haben, gemeinsam unterwegs sind."

Gemeinsamer Wertekodex

"Die Achtung vor Gott und den Menschen" ist für Stamm ein ganz wichtiger Auftrag, den die Gründungsväter und übrigens auch -mütter in der bayerischen Verfassung festgeschrieben haben. Darauf fuße der Wertekodex, "der uns prägt und zusammenhält". Barbara Stamm spricht an diesem Abend immer wieder in der Wir-Form und meint damit sicher immer die Christsozialen, oft aber auch weitergehend die Bevölkerung ganz allgemein. Wir, das steht für Zusammenhalt, und den brauche die Gesellschaft "mehr denn je".

Den Menschen in Bayern geht es "so gut wie nie", das bestätige sich laut Stamm auch in den Umfragen. Der Blick in die Zukunft sei dagegen voller Skepsis. Immer wieder deutlich zu sagen, "wo wir stehen", hält die Politikerin für enorm wichtig. Denn dass Zukunftsängste die Menschen in die Arme von Populisten treibe, sei eine Gefahr für die Stabilität und die Werte, die die bayerische Gesellschaft prägten.

"Woher kommt das, dass wir plötzlich meinen, Menschen wählen zu müssen, die wir gar nicht kennen", Menschen, die für ihre Region "so gut wie noch nichts geleistet haben"? Dass "wir uns" wirklich in diese Ungewissheit hineinbegeben wollen, glaubt Stamm nicht. Denn der große Vorteil, da reicht ihr allein ein Blick in den Saal, sei doch: "Wir kennen uns." Ob bei der Feuerwehr oder in einem anderen Ehrenamt, ob im Kindergarten oder der Schule, wenn ein Problem auftaucht, wüssten die Menschen doch, an wen sie sich wenden und mit wem sie Klartext reden könnten. Sie spricht es nicht dezidiert aus, aber an dieser Stelle meint das "an uns" dann wieder eindeutig die Christsozialen.

Von Palliativmedizin über Kinder- und Jugendpsychologie (zwei Termine in Würzburg) bis hin zur Jubiläumsfeier des Evangelischen Krankenvereins in Gunzenhausen (wir berichteten in unserer gestrigen Ausgabe) und nun dem Herbstempfang reichte das Programm, das Barbara Stamm an diesem Tag zwar sichtlich erschöpft hatte, ihr aber nach eigenen Worten auch "großartige Begegnungen" beschert habe. Mit den Menschen im Gespräch bleiben, das sieht die Politikerin aus Unterfranken als ganz wichtige Aufgabe der Politik. Hier zeige sich auch, dass der Zusammenhalt in der Gesellschaft wesentlich größer sei, als allgemein wahrgenommen.

"Wir sind in der Leberkäs-Etage verantwortlich", machte Stamm ihren Parteikollegen im AIZ klar, das habe sie von Franz Josef Strauß gelernt. Denn: "In der Sekt-Etage können wir keine Wahlen gewinnen", hatte der damalige Ministerpräsident ihr ins Stammbuch geschrieben. Doch nun stellt sich für Stamm die Frage "Haben wir irgendwo Menschen verloren, ist der Abstand zu groß geworden?" Eine Antwort bleibt Stamm auch hier schuldig, verweist stattdessen wieder auf die "gleichwertigen Lebensverhältnisse" in Bayern und kommt zu dem Schluss: "Wir sind gut!". Aber es gebe eben auch noch vieles, das sich besser machen lasse.

Christliches Menschenbild

Am Ende geht Stamm noch auf die "christlich-abendländisch-jüdische" Kultur als Bayerns Fundament ein. Das Kreuz ist für Stamm die Leitkultur. Und der Islam? "Gehört nicht zu Deutschland", sagt Stamm und bekommt dafür erstmals Zwischenapplaus. Ein Mensch allerdings, der nach Bayern komme, hier den Islam lebe und der einheimischen Bevölkerung mit Toleranz begegne, sich für ein friedliches Miteinander einsetze, "dieser Mensch gehört zu uns", so Stamm und erhielt auch dafür Beifall.

Den gab es auch am Ende ihrer Rede und einen dicken Blumenstrauß obendrein. Auf einen Geschenkkorb hatte Westphal allerdings verzichtet. Stattdessen kann sich nun der Evangelische Krankenverein über eine Spende freuen. Eine Geste, die ganz im Sinne von Barbara Stamm war.

Keine Kommentare