Der Weg in die seelische Krise und zurück ins Leben

27.3.2018, 06:25 Uhr
Der Weg in die seelische Krise und zurück ins Leben

© Julian Stratenschulte/dpa

Birgit Stengel lächelt, als sie die Tür öffnet. Sie ist eine warmherzige, zarte und sanfte Frau mittleren Alters. Ein bisschen still vielleicht, und mit einer Unsicherheit behaftet, die immer wieder hinter dem Lächeln hervorlugt. "Es geht mir wirklich gut", sagt sie. Dass dieser Satz alles andere als selbstverständlich ist und einen harten Kampf voraussetzen kann, das hat die Pflaumfelderin in den vergangenen Jahren schmerzhaft erfahren müssen.

Birgit Stengel arbeitet als technische Zeichnerin. Sie hat ein großes Haus, eine liebevolle Familie, nach mehreren medizinischen Hürden auch drei Söhne. Eigentlich könnte alles perfekt sein. Doch vielleicht ist es gerade das, was eine seelische Erkrankung so heimtückisch macht: dass sie eine ganze Zeit lang von außen betrachtet unsichtbar bleiben kann.

Wenn Birgit Stengel von ihren Erfahrungen während ihrer Genesung erzählt und von den Erkenntnissen, die sie sich erkämpfte, dann leuchten ihre Augen und strotzen vor Energie und Tatendrang. Dann ist nur schwer vorstellbar, dass sie vor sechs Jahren 22 Stunden am Tag schläft, weil nichts anderes mehr geht. Der Alltag ist ein schier unüberwindbarer Kraftakt. Es beginnt bei den scheinbar banalsten Dingen: Aufstehen. Kochen. Reden. Die Kinder zur Schule schicken. "Und dann war alles Nacht", beschreibt es Birgit Stengel in ihrem Buch. Sie ist sehr labil zu diesem Zeitpunkt und denkt darüber nach, sich das Leben zu nehmen. Schließlich ist der Leidensdruck so groß, dass sie ärztliche Hilfe sucht. Ihre Kraft- und Freudlosigkeit bekommt einen Namen: Burn-out, "Syndrom der völligen seelischen und körperlichen Erschöpfung".

Mittlerweile sind sechs Jahre seit dem Zusammenbruch vergangen. "Ich bin stolz auf das, was ich schon geschafft habe", sagt Stengel. "Als es mir so schlecht ging, war es, als läge ein Trümmerhaufen vor mir, den ich nicht überblicken kann. Nun habe ich schon einen Großteil der Steine Schritt für Schritt verpflastert und kann inzwischen auf ein beträchtliches Stück Weg zurückblicken, der so entstanden ist."

Neue Erkenntnisse

Dreh- und Angelpunkt ihrer Genesung ist für Birgit Stengel ein Seminar im Allgäu. Durch eine Freundin erfährt sie von der Veranstaltung mit dem vielversprechenden Titel: "Dein Leben in Liebe, Freude und Leichtigkeit verwandeln". Was genau dort auf sie zukommen würde, weiß Stengel nicht, wohl aber, dass sich etwas ändern muss. Sie bricht auf, trotz aller Widerstände, trotz ihres nach wie vor äußerst angeschlagenen körperlichen und seelischen Zustands. Während des Seminars stößt sie auf Erkenntnisse, die ihr schließlich eine Möglichkeit aufzeigen, ihrer Krankheit zu begegnen. Sie hört von feinstofflichen und energetischen Zusammenhängen, von der Verbindung zu den Eltern, der Macht der Gedanken, dem inneren Kind. Und sie kommt zum ersten Mal mit sogenannten Heilmeditationen in Berührung. Noch heute machen sie einen festen Bestandteil in ihrem Alltag aus. "Ich spüre dann richtig, wie jede Zelle meines Körpers heilt", sagt Birgit Stengel und lächelt.

Ihrem Aufenthalt im Allgäu schließen sich noch weitere Seminare, Kurse und eine intensive Beschäftigung mit dem Thema der spirituellen Heilung an. Die wichtigste, hilfreichste Erkenntnis daraus: "Jeder kann sein Leben verändern, wenn er möchte. Und Zufriedenheit, Liebe und Glück können nicht von außen an uns herangetragen werden, sie müssen aus uns selbst heraus kommen." Die Begeisterung sprudelt tatsächlich aus Stengel heraus: "In mir ist etwas aufgewacht, und mein Herz ist manchmal so irre groß."

Hilfestellung für andere

Diese Erfahrungen weiterzugeben und von ihrem Weg zu erzählen, ist ihr ein wichtiges Anliegen. Nach dem Suizid eines Kollegen entschließt sie sich, ein Buch zu verfassen und so vielleicht eine Hilfestellung für andere Betroffene zu formulieren. Es entsteht der Erfahrungsbericht: "Burn-out. Das größte Geschenk meines Lebens".

Und bei diesem Buch soll es nicht bleiben: Stengel möchte weiterschreiben, irgendwann vielleicht sogar selbst Seminare halten, Meditationen anleiten. Das sind große Pläne für die Zukunft. Aber Birgit Stengel hat schließlich schon ganz anderes geschafft.

 

Die Lesung zu "Burn-out. Das größte Geschenk meines Lebens" findet am Donnerstag, 29. März, um 19 Uhr im Gasthof "Krone" in Gunzenhausen statt. Der Eintritt ist frei.

Keine Kommentare