Ein großer Schritt für Döckingen

13.9.2012, 16:01 Uhr
Ein großer Schritt für Döckingen

© Hoffmann

Der Festtag begann mit einem Gottesdienst im Festzelt unmittelbar neben dem Heizungshaus. Der Posaunenchor und der Frauenchor „Chorabella“ wirkten mit. Ortspfarrer Wolfgang Schmitz lud die Besucher ein, Gott für dieses Projekt zu danken und zu loben. In seiner Predigt griff er Szenen aus der Bibel auf. Zur heutigen Bewirtschaftung der Felder mit überwiegendem Maisanbau für Biogasanlagen meinte er, dass Gott sage, die Menschen sollten die Natur bebauen und auch bewahren. Es gehe darum, die Natur nicht auszubeuten, „sie hat eigene Werte“, sagte der Pfarrer, bevor er den Segen für das Döckinger Nahwärmenetz aussprach.
Vorstand Wilhelm Winter von der Energiegemeinschaft-Genossenschaft ließ in groben Zügen den Werdegang von der Planung bis zur Vollendung der Projekts Revue passieren. „Wir haben hier im Ort etwas Neues begonnen, und mit Sicherheit haben viele dadurch gewonnen“, unterstrich der Vorstand. Nach der Genossenschaftsgründung mit 154 Mitgliedern am 29.Juli 2010 mussten im Februar 2011 nach einer weiteren Infoveranstaltung noch gut drei Wochen intensive Überzeugungsarbeit geleistet werden. Von etwa 190 Haushalten waren dann immerhin 117 Hausbesitzer bereit, sich zu beteiligen. Auf der Agenda stand somit der Anschluss von 126 Anwesen. Nachdem den Teilnehmern die exakte Planung und die genauen Zahlen durch die Firma Produr aus Elstra vorgestellt worden waren, richtete die für Erdarbeiten verantwortliche Firma Hirschmann aus Treuchtlingen ihre Baustelle am Kirchweihmontag, 6. Juni 2011, ein und begann am Tag darauf in der Rothenberger Straße mit den Baggerarbeiten. Gleichzeitig rollten auch die ersten Lkw mit den  isolierten Stahlrohren (Gesamtlänge: 8000 Meter) von der Firma Kopf aus Riesa an.
Von nun an war Döckingen für sechs Monate eine einzige Baustelle mit vielen Verkehrsbehinderungen und innerörtlichen Umleitungen. Nicht nur für die Anwohner im jeweiligen Bauabschnitt, sondern auch für Verkehrsteilnehmer war dies eine enorme Belastung.  Hirschmann und Kopf (Rohrverlegung und Schweißer) stimmten während der Bauzeit ihre Arbeiten hervorragend aufeinander ab. Unwetter, aber auch die vorkommenden Quarzite wurden laut Winter von allen beteiligten Firmen hervorragend gemeistert. Auch der Bau des Heizungshauses durch örtliche Firmen lief termingerecht ab.


Alle Installationen im Haus sowie der Einbau einer 1950-kW-Ölheizung zur Spitzenlastabdeckung wurden von den Firmen einwandfrei ausgeführt. Eine 18,8-kW-Fotovoltaikanlage sorgt für Eigenstrom und Einspeisung ins Stromnetz. Von der Biogasanlage im Flurstück Burkhardsweiler (Richtung Wolferstadt) legte die Firma Krug von ihrer Biogasanlage eine 1,3 Kilometer lange Gasleitung zum 730-kW-BHKW im Heizungshaus.
Nachdem bei allen Teilnehmern Hausübergabestationen  und die Anschlüsse hergestellt waren, floss erstmals am 24. Dezember Heizungswasser durch das Nahwärmenetz. Nach gut drei Monaten Erprobungs- und Einstellungszeit, in der auch die meisten Hausbesitzer ihre Heizungs­anlage ans Nahwärmenetz anschlossen, läuft seit April dieses Jahres die Nahwärmeversorgung ohne Probleme.
In seinen Dankesworten schloss Wilhelm Winter alle am Projekt beteiligten 61 Firmen, Institutionen, Ämter und sonstige Partner ein. Seine Anerkennung galt vor allem den Döckinger Bürgern dafür, dass sie trotz Problemen stets Verständnis und Kooperationsbereitschaft zeigten. Alle Beteiligten, und nicht zuletzt die Döckinger selbst, seien auf dieses 2,3-Millionen-Projekt, das zu den größten in Bayern zähle, mit Recht stolz. Die Vorteile des Döckinger Nahwärmenetzes lägen darin, dass es durch die Mitglieds-Eintrittsgelder, die zugesagten 830 000 Euro Fördergelder und weitere 15 Jahresraten der Mitglieder (ohne jegliche Abnahmeverpflichtung) bezahlt wird.
Die Döckinger haben nun auch den Vorteil, dass durch Unterstützung der Gemeinde in die Baumaßnahme ein Glasfasernetz integriert wurde. Verlegt wurde es von der Firma Felkatec aus Huisheim. Jedes Haus hat somit die Möglichkeit, ans „schnelle Internet“ angebunden zu werden. Ferner nutzt die Genossenschaft das Glasfasernetz zum direkten Zugriff auf die Übergabestationen. Überwachung, Einstellung und Abrechnung sind vom Büro im Heizhaus aus möglich.
Bürgermeister Heinz Meyer merkte an, dass in der Großgemeinde Polsingen fünf Biogasanlagen stehen und in Bälde alle Gemeindeteile die Abwärme der Biogasanlagen sinnvoll für ein Nahwärmenetz nutzen. Das Ergebnis sei – angesichts der Ölpreise – eine preiswerte Wärme. Meyer dankte allen Firmen und insbesondere Wilhelm Winter für sein persönliches Engagement.
Ulf-Henning Palmer vom Planungsbüro Produr erläuterte, dass man das Döckinger Heizhaus als ein kleines, feines Kraftwerk verstehen kann. Beim Bau habe man mit den etwas teureren KMR-Doppelrohren mit Leck-Warnanzeige der Firma Isoplus aus Rosenheim die richtige Wahl getroffen. Hier liegen die Vorteile eindeutig in der höheren Druckbelastung und höheren Wassertemperaturführung. Durch zwei direkt am Heizhaus installierte 50 000-Liter-Warmwasserspeicher fallen kleine häusliche Pufferspeicher weg, was eine Einsparung von insgesamt etwa 190 000 Euro bedeutet, umgerechnet 85 Euro jährlich für jeden Kunden. Trotz der vielen Verschweißungen  und Muffenverklebungen gab es bemerkenswerterweise bis dato kein Leck im fast acht Kilometer langen Rohrnetz.
Der Aufsichtsrat mit Georg Mikl an der Spitze hatte ein Präsent für Vorstand Wilhelm Winter parat. Es handelte sich um eine Tonnachbildung des Heizhauses.

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