Ein Muhrer mit einer besonderen Faszination

20.1.2018, 06:15 Uhr
Ein Muhrer mit einer besonderen Faszination

© privat/epd

"Glocken haben mich nie losgelassen", sagt Günter Niekel, der Pfarrer wurde und das Amt 36 Jahre lang in Weiltingen (Dekanat Dinkelsbühl) ausübte.  Ein Zufall führte 1987 dazu, dass aus seiner Faszination für Glocken eine Profession wurde. In der Nachbargemeinde brannten Kirche und Turm ab, dabei fielen die Glocken herab und wurden zerstört. Seine Gemeinde stiftete damals eine neue Glocke. Zum ersten Mal erlebte er den Prozess mit, wie eine Glocke entsteht.

Niekel fuhr selbst zum Glockengießer Bachert nach Heilbronn und ließ sich alles erklären. Er kopierte die Abdrücke historischer Glocken, machte die Model ausfindig, die früher Glockengießer verwendeten, um die Abdrucke von Heiligenfiguren und biblischen Darstellungen auf den Glocken anzubringen. Er experimentierte mit Materialien und Klebstoffen, um den komplizierten Herstellungsvorgang optimal hinzubekommen. "Die neue Glocke, die wir gestiftet haben, durfte ich dann selbst gestalten."

Niekel entwickelte sich regelrecht zu einem Glockenkünstler mit eigenem Stil, was sich schnell herumsprach. 1992 beauftragte ihn die Firma Bachert, die große Glocke für das Olympiadorf in Barcelona zu gestalten. Sie wog 140 Zentner und bekam die fünf Erdteile als Verzierung. "Mein größter Auftrag, den ich je hatte", erinnert er sich. Am weitesten entfernt aber dürften die Glocken sein, die er für eine Kathedrale in Uganda gestaltete: "Den Ort kenne ich nicht. Ich weiß nur, dass es für ein Kloster war." Während seiner Zeit als Pfarrer beschränkte sich Niekels Glockenkunst jedoch weitgehend auf Franken. Erst im Ruhestand weitete er seinen Wirkungskreis aus.

400 Glocken hat der Ruhestandspfarrer inzwischen mit Symbolen, Bibelsprüchen und Darstellungen versehen. Von seinem Erfahrungsschatz profitiert nun auch die evangelische Kirchengemeinde in Erbendorf (Dekanat Weiden). Denn die dortige Martin-Luther-Kirche soll neue Glocken bekommen.

Vor zehn Jahren wurde das Geläut eingestellt. Der Glockenstuhl, an dem die alte und verrostete Eisenglocke hing, war marode geworden, die Glocke drohte abzustürzen. Sie wurde abgenommen, der Glockenstuhl zurückgebaut. Seitdem sammeln die etwa 600 Protestanten im Ort Geld für neue Glocken. "Es war der tiefe Wunsch der Gemeinde, wieder eine Kirchenglocke zu haben", sagt Pfarrer Christoph Zeh. Heuer könnte es soweit sein, dass vom evangelischen Kirchturm wieder die Glocken klingen. "Die katholische Kirche ist nebenan, dann brauchen wir uns nicht mehr zu verstecken", sagt Zeh.

Wie die neuen Glocken aussehen, steht schon fest: Die Glockengießerei Bachert in Karlsruhe wird sie gießen, die künstlerische Feinarbeit macht Günter Niekel. Es soll ein Vierergeläut entstehen. Die Christusglocke mit Namen "Liebe" erhält eine Lutherrose als Emblem. Die Gebetsglocke "Vertrauen" zieren bergende Hände, die Sterbeglocke erhält einen Anker, und auf der Taufglocke soll der Bibelspruch "Der Herr ist mein Hirte" stehen.

Fasziniert habe ihn von jeher, wie verschieden Glocken klingen können, sagt Niekel. Die Glockengießer könnten durch die Form und das Material zwar den Ton einer Glocke genau festlegen. Aber den Glockenschlag, den alle Töne miteinander ergeben, den könne niemand vorher ermessen.

Jedes Mal, wenn eine Glocke zum ersten Mal erklinge, sei das für ihn "wie die Stimme aus einer anderen Welt. Sie rührt Seiten in der Seele an, die sonst durch nichts angerührt werden", sagt Niekel.

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