Eisschollen und "Soldatenweiber" in Gunzenhausen

12.12.2017, 15:10 Uhr
Eisschollen und

© Fotos: Stadtarchiv Gunzenhausen

Für unsere Vorfahren war Winter vor allem eines: eine harte und gefährliche Zeit. Darauf blicken wir heute, wie immer in Zusammenarbeit mit Stadtarchivar Werner Mühlhäußer, in unserer Serie "Historisches Gunzenhausen" zurück.

"Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr", dichtete einst Rainer Maria Rilke mit Blick auf die kalte Jahreszeit. Ein Problem, von dem auch die Soldaten der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach betroffen sind. Denn es gibt im ganzen Fürstentum keine Kaserne für die Soldaten. Das ist vor allem in den Wintermonaten ein Problem, für das die Herrschenden aber eine für sie recht einfache Lösung finden: Die Truppen werden einfach in den Wohnhäusern der Bürger untergebracht. "Winterquartier" heißt das lapidar und Gunzenhausen ist davon erstmals vermutlich 1684 betroffen, als Leutnant von Löbnitz mit seinen Männern in der Altmühlstadt überwintert.

Die Soldaten wollen allerdings nicht nur untergebracht und verpflegt, sondern auch noch unterhalten werden. Deshalb bringen sie gleich noch diverses Weibsvolk mit. Diese "allhier gelegenen Soldatenweiber" verursachen auch Kosten, im Stadtarchiv findet sich eine Rechnung über umgerechnet 3100 Euro.

Wenn in früheren Jahrhunderten die Temperaturen in den Keller fielen, dann brachte das für die Menschen nicht nur viel Ungemach mit sich, sondern barg echte Gefahren. Die Winter sind hart, Eis und Schnee ist keine gefeierte Seltenheit wie heute, sondern von November bis März regelmäßiger Begleiter. In Aufzeichnungen einzelner Bürger, die Mühlhäußer im städtischen Archiv gefunden hat, kommt das deutlich zum Ausdruck. So fällt etwa 1784 schon am 19. Oktober der erste Schnee. 44 Mal rieselt die weiße Pracht in diesem Winter vom Himmel, ein letztes Mal am 8. April 1785. "Also kann man sich die großen Mengen von Schnee vorstellen, der unser Land bedeckte und erst den 18. April davon frey wurde", schreibt ein unbekannte Bürger. Grimmig kalt ist es zudem, die Altmühl zwei Monate lang zugefroren.

Das Eis stellt in mehrfacher Hinsicht eine Gefahr dar: Die große Schollen können die Pfeiler der Altmühlbrücke beschädigen. Bleiben zu viele Eisschollen an der Brücke hängen, staut sich womöglich das Wasser der Altmühl auf, und die Stadt wird überschwemmt. Das eisige Wasser läuft in Keller, Scheunen und Ställe, das Vieh muss ausquartiert werden, die Lebensmittelvorräte in den Kellern drohten zu verderben, die Kohlen werden feucht.

Deshalb hatte die Stadt ein sehr großes Interesse daran, die Altmühlbrücke vom Eis freizuhalten. So bezahlt die Stadtverwaltung beispielsweise im Jahr 1700 42 Bürgern, "die zu unterschiedlichen Malen diesen Winter außerhalb der Brucken geeiset" haben, je fünf Kreuzer. Das Geld kann "bey dem Wirt Hannß Horolt consumiret werden". Auch 1711 hat der Frost Gunzenhausen offensichtlich fest im Griff, denn die Stadt gibt mehrfach Geld für die Verpflegung von Bürgern aus, die das Eis in dem durch das Winterwetter entstandenen "großen Gewässer bey der Altmühl-Brucken" zerstoßen.

Hier zeigt sich, dass es auch seine Vorteile hat, wenn man Soldaten in der Stadt beherbergt. Sie werden etwa im Winter 1723 dazu herangezogen, das Eis an der Altmühl zu zerstoßen. 1748 verbringt Carl Wilhelm Friedrich, der "Wilde Markgraf", den Winter in der Altmühlstadt und stellt Mitglieder seiner Leibkompanie dazu ab, am Brucktor Wache zu schieben, um nach Eisschollen Ausschau zu halten.

Spaß am Winter

Trotzdem: Auch früher hatte die Menschen Spaß im und am Winter. So wird 1891 per Zeitungsanzeige für die Eis- und Eiskegelbahn am Bärenwirtsweiher geworben, es werden "Eis-Feste" mit Musik von der Stadtkapelle und Feuerwerk veranstaltet, und Georg Hummel lädt in den 1880er-Jahren zum Schlittschuhlaufen im "Störsgarten" ein. 1896 ist es so kalt, dass die Altmühl komplett zufriert. Eine perfekte Eisbahn, darauf wird explizit in der Tageszeitung hingewiesen.

Der Verein "Liederkranz" lädt 1867 zu eine Schlittenpartie mit Musik ein. Die Fahrt ging von der Malzfabrik in der Ansbacher Straße bis Alesheim und fand so großen Anklang, dass auch in den folgenden Jahren solche winterlichen Ausflüge angeboten wurden. Der örtliche Wintersportverein lädt erstmals 1913 zum Abendrodeln in den Burgstallwald ein. Die Strecke ist mit Lampions beleuchtet, zum Aufwärmen gibt es Kaffee im nahe gelegenen Braunskeller.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts wird auch die Tradition der Weihnachtskonzerte begründet. Viele Vereine sorgen zudem mit Theateraufführungen für Unterhaltung. Evangelische Handwerker und der Arbeiterverein führen 1892 das Weihnachtsspiel "Die heilige Nacht" auf, im Gasthaus "Zum Bären" gibt der "Komiker und Mimiker Fischer mit seiner Gesellschaft" eine Vorstellung, musikalisch begleitet vom "Zithervirtuosen" Johann Groher aus München.

Der große Weihnachtsbaum auf dem Marktplatz gehört heute ganz selbstverständlich zum Stadtbild. Das war aber nicht immer so. Tatsächlich wird der erste "Christbaum für alle" erst 1929 aufgestellt und mit 140 Glühlampen geschmückt. Eine zweite Tanne soll eigentlich am Haus Silo platziert werden, doch dafür reicht das Geld nicht mehr.

Friedfertig sollen sich die Menschen in der stillen Adventszeit verhalten, und wenn das nicht funktioniert, hagelt es gehörige Strafen: Am ersten Advent 1729 liefern sich nachts mehrere junge Männer eine Schlägerei. Zwei von ihnen landen dafür vor Gericht. Der Lehrjunge von Metzger Deuerlein hat die Wahl zwischen einer Geldstrafe und zwei Tagen Haft im Turm (er entscheidet sich für Letzteres), dem Sohn des Amtsknechts Hartmann wird als Alternative zur Geldstraße angeboten, "den halben Tag ins Narrenhauß" zu gehen. Das war ein Bretterverschlag mit Gittern auf dem Marktplatz, wo Straftäter öffentlich zur Schau, also buchstäblich an den Pranger, gestellt wurden.

 

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