Ende einer Ära in Wolframs-Eschenbach

2.9.2016, 06:49 Uhr
Ende einer Ära in Wolframs-Eschenbach

© Wolfgang Dressler

Bäckermeister Josef Dörr, seine Frau Walburga und Tochter Tanja Zoubeck (ebenfalls Bäckereimeisterin) wollen einerseits erklären, warum es zu dem Aus kommt, andererseits nicht zu viel Wind wegen dieser Sache machen. Es gibt nichts Dramatisches zu berichten, keine überraschende Wendung, die den Weiterbetrieb unmöglich macht. Vielmehr verhält es sich einfach so, dass die Zeiten für eine kleine, selbstständige Bäckerei immer schwieriger geworden sind. Da muss man es sich dreimal überlegen, welche Schritte und Entscheidungen die richtigen sind. Die Familie hat sich zusammengesetzt und ist zu dem Schluss gekommen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Zäsur gekommen ist. Alles andere hätte in absehbarer Zeit größere Investitionen, immense Verpflichtungen und einen dennoch ungewissen Ausgang der „Geschichte“ mit sich gebracht. „Wir hören halt altersbedingt auf“, sagt Josef Dörr. Er ist 66 Jahre alt. Sein Großvater Georg Dörr kaufte das Anwesen Hauptstraße 5 im Jahr 1905, noch vor dem Ersten Weltkrieg. Er amtierte in jenen Jahren zugleich als Bürgermeister.

Georg Dörr führte das Geschäft mit seiner Frau, einer geborenen Lederer, die als „Schmieds-Tochter“ bekannt war. Der Sohn, ebenfalls ein Georg, übernahm den Betrieb im Jahr 1952 und leitete ihn bis 1974. 1975 übernahm die nächste Generation in Person von Josef Dörr die Verantwortung. Die Platzverhältnisse waren beengt, also „wanderte“ die Backstube 1977 nach hinten ins ehemalige landwirtschaftliche Lagerhaus. Der Laden wurde zweimal vergrößert und präsentiert sich auch heute noch in einem einwandfreien Zustand.

In den ersten Jahrzehnten herrschte Optimismus vor. Das Sortiment war überschaubar, wie es halt so üblich war, und wurde von den Menschen in Stadt und Land geschätzt. Die Kundschaft kam aus Eschenbach selbst, aus den vielen kleinen Orten in der Umgebung, aber auch aus Ansbach und Gunzenhausen. Josef Dörr agierte gekonnt in der Backstube, hatte meist einen Gesellen an seiner Seite. Im Lauf der Jahre konnte man den Kunden mehr bieten, etwa die „Spezialbrote“. Mit Leidenschaft stellte der Meister Hefenudeln, Rührkuchen und die Flockensahnetorte her. Absolute Frische und handwerkliches Können waren und sind selbstverständlich.

Ende einer Ära in Wolframs-Eschenbach

© Wolfgang Dressler

Auch als reger Ausbilder betätigte sich die Bäckerei. Wobei es zuletzt immer schwieriger wurde, Nachwuchs zu gewinnen. Die Arbeitszeiten in einer Bäckerei sind halt speziell. Dazu gehört etwa, dass der frühe Samstagmorgen Hauptarbeitszeit ist. Wer auf das freie Wochenende fixiert ist und gerne schon am Freitag Party machen will, der setzt andere Prioritäten.

Wobei die Bäckerei stets im Rahmen ihrer Möglichkeiten handeln musste. Eine Öffnung am Sonntag sah der Chef als nicht möglich an. Und er konnte es sich auch nicht leisten, bis zum Geschäftsschluss um 18 Uhr immer alle Backwaren vorrätig zu haben. Das sieht bekanntlich bei den Großbäckereien und den Backautomaten in den Supermärkten in der heutigen Zeit etwas anders aus.

Übermächtige Konkurrenz

Diese schier übermächtige Konkurrenz machte dem Eschenbacher Traditionsbetrieb zunehmend das Leben schwerer. Das ging einher mit den sich wandelnden Ansprüchen der Kunden. Wenngleich zuletzt wieder ein Trend zum klassischen Bäcker um die Ecke zu erkennen ist, sind die Perspektiven für die Bäckerei Dörr nicht gerade günstig.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass — noch — alles seinen gewohnten Gang geht und der Betrieb durchaus auf eine feste Stammkundschaft zählen kann. Genau das soll auch so bleiben, nur künftig eben mit Backwaren der Bäckerei Herzog (Absberg/Muhr am See). Die Dörrs sind mit Alexander Herzog handelseinig geworden. Dieser pachtet den Laden, wird ihn ab Montag etwas auffrischen und am 22. September wiedereröffnen. Das jetzige Verkaufspersonal wird übernommen, auch Tanja Zoubeck bleibt an Bord.

„Es war uns wichtig, dass es im Interesse der Kunden weitergeht. Außerdem soll die Altstadt lebendig bleiben“, betont Josef Dörr. Und dann berichtet er noch, dass in dem Anwesen (früher Hauptstraße 1) schon seit 1644 eine Bäckerei betrieben wurde. Das stellte sich dank der Forschungsarbeit von Heimatkundler Oskar Geidner heraus und ist in dessen Buch über die Wolframs-Eschenbacher Anwesen nachzulesen. Insofern geht hier wirklich eine ganz lange gewerbliche Tradition zu Ende.

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