Erpressung, Tränen und ein Bruderkrieg in Weißenburg

16.2.2018, 05:55 Uhr
Am Amtsgericht Weißenburg wurde ein kurioser Erpressungsfall verhandelt.

© Jürgen Eisenbrand Am Amtsgericht Weißenburg wurde ein kurioser Erpressungsfall verhandelt.

Angeklagt war ein Ehepaar aus einer Gemeinde im Altmühltal: Barbara* und Richard S.*, 43 beziehungsweise 52 Jahre alt. Der Vorwurf: Erpressung. Das Opfer: Peter S.*, der Bruder des Angeklagten. Die geforderte Summe: 1800 Euro.

Pikant ist dabei das Druckmittel, das der Installateur und die Arbeiterin laut Anklage anwandten: Sollte Peter S. nicht zahlen, würden sie ihn anzeigen. Sie glaubten, er habe ihre 13 Jahre alte Tochter missbraucht.

Rückblende: Kurz vor Weihnachten 2014 fand Peter S., dem die Wohnung gekündigt worden war, Unterschlupf im Haus seines Bruders: "Aus Nächstenliebe", wie Richard S. sagte, "und weil er doch mein Bruder ist." Er bekannte aber auch, dass er sich nur widerwillig darauf einließ: "Meine Frau musste mich überreden; ich wollte eigentlich nicht, denn ich kenne ja seine ganze Vergangenheit." Was er damit andeutete, machte der Staatsanwalt später in seinem Plädoyer deutlich: Dass die Angeklagten überzeugt waren, ihre Tochter sei missbraucht worden, sei "nachvollziehbar", denn: Peter S. sei ja in der Vergangenheit wegen eines solchen Delikts "auch schon verurteilt worden". Ein Verfahren in dem fraglichen Fall war freilich 2016 eingestellt worden.

Peter S. sollte weg ziehen

Im September 2015 trafen sich also Barbara und Richard S. auf einem Firmenparkplatz in ihrem Dorf mit der Mutter und der Schwester der beiden Brüder. "Ich wollte einen Deal vorschlagen", erinnerte sich Richard S. jetzt vor Gericht: Zusammen mit der Schwester und der Mutter sollte Peter S. aus dem kleinen Ort wegziehen: "Meine Tochter und er sollten sich nicht mehr sehen; sie wird sonst nicht damit fertig."

Doch Richard S. wollte auch Geld: eben jene 1800 Euro, die ihm der Bruder seiner Ansicht nach schuldete. Denn als Richard und Barbara S. aus ihrer gemieteten Doppelhaushälfte auszogen, wurde Peter S. ihr Nachmieter. Und machte die Eigentümerin auf Schäden in der Wohnung aufmerksam: "Der hat uns die Mietkaution kaputtgemacht", so der Angeklagte. Und die wollte er sich nun von ihm zurückholen.

Während Richard S. beteuerte, der "Deal" und die gleichzeitige Geldforderung hätten "nichts miteinander zu tun", begründet die Anklage genau mit dieser Verknüpfung ihren Tatvorwurf: Das Ehepaar habe mit einer Anzeige gedroht, wenn der Bruder nicht zahle - und das sei nun mal Erpressung. Die Verteidigung hingegen nannte das lediglich einen "Fehler", der allerdings ihrer Ansicht nach "nicht schwer wiegt". Tatsache ist: Das Geld floss, und Richard S. unterzeichnete sogar eine Quittung dafür.

Verhandlungspause wegen Kopfschmerzen

An dieser Stelle drohte der Prozess beinahe zu platzen: Richard S., von der forschen Art der Befragung durch Richter Hommrich sichtlich verunsichert, klagte über Kopfschmerzen und bat wiederholt um eine Pause. Die Frage, ob er überhaupt verhandlungsfähig sei, stand im Raum. Nach einer Pause bat sein Anwalt deshalb um eine amtsärztliche Untersuchung, woraufhin der Vorsitzende alle Beteiligten zu einem "Verständigungsgespräch" ins Richterzimmer bat.

Hinter verschlossenen Türen fanden sie einen Ausweg aus dem komplizierten Fall: Barbara und Richard S. räumten, nach längerer Beratung mit ihren Anwälten, die ihnen zur Last gelegte Tat ein - erkennbar widerwillig und unter Tränen. Dafür bekamen sie ein mildes Urteil, bei dem Hommrich auch berücksichtigte, dass beide nicht vorbestraft sind und zudem fest "daran glaubten, dass ihre Tochter sexuell missbraucht worden sei".

Vor der Verkündung des Richterspruchs (3600 Euro Strafe für Richard S., 4500 für seine Frau, da sie etwas besser verdient), fragte der Vorsitzende den Angeklagten noch, ob er ein letztes Wort ans Gericht richten wolle. Was Richard S. verneinte - und einen vielsagenden Satz hinterherschob: "Da fällt mir nichts mehr ein."

* Namen geändert