Grippevirus auch im Landkreis

28.2.2015, 06:00 Uhr
Grippevirus auch im Landkreis

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Julia Kamann kann das sogar statistisch belegen: Die Abteilungen für Innere Medizin betreuten zu Jahresbeginn in beiden Kliniken um 10 Prozent mehr Patienten als vor Jahresfrist, auch die Zahl der Pflegetage stieg in dieser Größenordnung an.

Wobei Kamann Wert auf die Feststellung legt, dass die „höheren Zahlen nicht direkt von Grippe-Opfern verursacht wurden“, sondern vielmehr von Patienten, die an Erkrankungen litten, die allgemein als Folgen einer Influenza angesehen werden. Lungenentzündung, Mittelohrentzündung oder auch – vor allem bei älteren Menschen – ein schlechter Allgemeinzustand, der der genaueren Überwachung bedürfe. Aber, so sagt sie: „Der Zusammenhang mit der Grippewelle ist natürlich naheliegend.“

Diese Folgeerkrankungen sind auch für Dr. Singer das eigentliche Problem, für das ein Influenza-Opfer wirklich medizinische Hilfe braucht. Ansonsten gelte prinzipiell durchaus der alte Spruch, dass eine Grippe mit Arzt und Medikamenten eine Woche dauere – und ohne sieben Tage.

Eine Impfung hält der erfahrene Mediziner, der seit 23 Jahren eine Praxis in Mitteleschenbach betreibt, übrigens nicht mehr für sinnvoll: „Es dauert etwa 14 Tage, bis die Zahl der Antikörper nach der Impfung ansteigt – und bis dahin sollte der Scheitelpunkt der Grippewelle eigentlich schon über uns hinweggefegt sein.“ Zudem könne es Komplikationen geben, wenn jemand geimpft werde, der sich ein paar Tage zuvor angesteckt habe, bei dem die Krankheit aber noch nicht ausgebrochen sei: „In einem solchen Fall kann die Impfung den Krankheitsverlauf verstärken.“

Sein Rat ist daher, sich erst wieder im Herbst immunisieren zu lassen, wenn ein neuer Impfstoff zur Verfügung stehe – der dann hoffentlich besser wirke als der in dieser Saison. „Die Impfstoffe für unsere Nordhalbkugel“, erklärt Singer, „werden im Sommer produziert, wenn die Grippe auf der Südhalbkugel grassiert.“ Man erwarte nämlich, dass das dort auftretende Virus einige Monate später den Weg nach Norden geschafft hat und die Menschen hier anstecken wird.

Das funktioniere normalerweise recht gut, nur diesmal habe der Erreger sich in der Zwischenzeit so stark verändert, „dass er, wie ein verbogener Schlüssel nicht mehr in das Schloss der Impfung passt“, sagt Singer. Immerhin: Bei Geimpften verläuft die Infektion sanfter als bei Nicht-Geimpften.

Und noch eine Personengruppe wird von H3N2 weniger stark gebeutelt als andere, hat Singer beobachtet: „Die 20- bis 40-Jährigen sind am meisten betroffen, die über 50-Jährigen erwischt es dagegen kaum“, sagt der Mediziner. Für ihn ein Indiz, dass diese Altersgruppe vor Jahrzehnten schon einmal Kontakt mit einem sehr ähnlichen Erreger gehabt haben muss: „Solche Immunisierungen halten mitunter ein Leben lang.“

Der Laie könne übrigens den Unterschied zwischen einer echten Virusgrippe und einem simplen grippalen Infekt ganz gut erkennen: „Eine Grippe kommt überfallartig“, sagt Singer und hat dafür ein anschauliches Beispiel: „Wenn es einem Patienten bei der Vorspeise noch gutging, und beim Dessert fühlt er sich schon hundeelend – dann ist es eine echte Influenza.“ Auch ein trockener Reizhusten ohne Auswurf sei ein typisches Symptom.

Er rät allen Patienten, sich im Ernstfall zu schonen und keinesfalls zur Arbeit zu gehen: „Das ist falsch verstandenes Pflichtbewusstsein, wenn man sich ein, zwei Tage an den Schreibtisch schleppt – und dabei noch Kollegen ansteckt.“ Besser sei es, viel zu schlafen oder auch mal eines der alt bewährten Hausmittel – etwa Wadenwickel oder Zwiebeltee mit Honig – auszuprobieren. „Da hat man das Gefühl, sich etwas Gutes zu tun und verspürt zumindest subjektiv eine gewisse Linderung.“

Klinik-Sprecherin Julia Kamann konnte gestern übrigens auch nicht zur Arbeit gehen: Ihr kleiner Sohn war krank. Die Frage, was ihn denn flachgelegt habe, beantwortet sie am Telefon hörbar schmunzelnd: „Die Grippe – was sonst?“

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