Gunzenhausen: Denkmal für Andreas Osiander enthüllt

5.12.2017, 18:00 Uhr
Gunzenhausen: Denkmal für Andreas Osiander enthüllt

© Tabea Jung

Die Luft ist kalt und trocken, der Blasturm im Hintergrund mit weihnachtlichen Lichterketten geschmückt und verleiht dem Abend einen besonderen Glanz. Vor der Buchhandlung Pfahler in der Rathausstraße 6 hat sich eine kleine Menschentraube versammelt, manche hauchen in ihre Hände, andere treten auf der Stelle, um sich warm zu halten. Die kleine Gruppe steht rings um einen Sockel, der mit einem weißen Tuch verhüllt ist. Darunter verborgen ist die Büste des einstigen Reformators Andreas Osiander.

"Viele wissen gar nicht, was für ein bedeutender Sohn unserer Stadt Osiander eigentlich war", sagt Bürgermeister Karl-Heinz Fitz. Er erzählt, wie Simon Marius, ein wichtiger Astronom und Mathematiker, der ebenfalls aus Gunzenhausen stammte, ein Denkmal bekam, Osiander jedoch bisher nicht. Das musste man, spätestens jetzt im Reformationsjahr, unbedingt ändern, dachten sich Fitz und Stadtarchivar Werner Mühlhäußer und setzten sich mit Stadtrat Peter Schnell in Verbindung. Der schlug als Künstler für das Denkmal Christian Rösner vor. Der Nürnberger war kein Unbekannter für die Stadt: Bereits die Figur des Schweinereiters am Saumarkt in Gunzenhausen hat er geschaffen. "So war also schnell klar: Rösner ist unser Mann", bestätigt Mühlhäußer .

Der Künstler hat an der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg Bildhauerei studiert, besitzt inzwischen sein eigenes Atelier und wurde schon mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten. Bei der Einweihung des Denkmals erzählt der gebürtige Bamberger, dass es gar nicht so einfach war, die Osiander-Büste zu schaffen. Als Anhaltspunkt besaß er nur Fotos von Stichen, die den Reformator zeigten; nichts Greifbares also. "Wie soll ich also einen Menschen abbilden, in den ich nicht hineinsehen, den ich nicht erfassen kann?", grübelte der 48-Jährige anfangs.

Letztendlich entschied er sich dazu, den Reformator so genau wie möglich darzustellen: Er sägte die Figur aus Holz und ließ sie anschließend in Bronze gießen. Rund sechs Monate dauerte es, bis der Künstler sein fertiges Werk in Händen halten konnte. Den staunenden Ausrufen der Menschentraube zufolge, als Fitz den Schleier um die Büste lüftete, hatte Rösner seine Aufgabe zur Zufriedenheit aller erfüllt.

Zum Nachdenken anregen

Auch der Platz in der Rathausstraße scheint ideal gewählt: Dort wird sich wohl das Augenmerk vieler Passanten auf das Denkmal richten. "Wir wollten nicht nur einmalig an Osiander erinnern, sondern einen Ort schaffen, der Vorbeilaufende zum Nachdenken über ihn und seine historische Leistung in der Reformation anregt", erklärt der Bürgermeister. Der Hauptgrund für den Standort ist allerdings Osianders Zuhause im Haus mit der Nummer sechs. Das eigentliche Geburtshaus fiel 1790 einem Brand zum Opfer, und auch Osianders Familienstammbaum gibt Nachforschern Rätsel auf. Erschwerend kommt noch dazu, dass die Verwendung von Familiennamen sich erst im 15. Jahrhundert etablierte; vorher nannte man einander nur beim Vornamen und fügte als "Nachnamen" den Beruf an. Osianders Vater arbeitete Aufzeichnungen zufolge als Schmied. Ob es sich dabei um Endres Schmidt handelte, der in der Stadtkirche getauft wurde, darüber kann nur spekuliert werden. Trotz allem ist sich Stadtarchivar Mühlhäußer sicher, dass Osiander ein Gunzenhäusener Bürger war, "das ist eine unbestreitbare Tatsache".

Auch wenn in den 500 Jahren seit der Reformation viele Informationen verlorengingen, sind einige doch erhalten geblieben. Wolfgang Osiander, ein Nachfahre des Reformators, gibt den Zuhörern, die sich inzwischen im Markgrafensaal im Haus des Gastes versammelt haben, Einblicke in das Leben der historischen Berühmtheit. Andreas Osiander wurde 1498 in Gunzenhausen geboren. Er wuchs nahe des jüdischen Viertels auf und pflegte, gefördert von den liberalen, toleranten Eltern, schon von Kindheit an gute Kontakte zu den ansässigen Juden. Im Gegensatz zu Martin Luther suchte Andreas Osiander ein Leben lang den Dialog mit den Juden und setzte sich vehement für deren Verteidigung ein. Werner Mühlhäußer ist sich sicher, dass der Ursprung für seine freundliche Einstellung gegenüber den Juden in seinem Geburtsort Gunzenhausen liegt.

Nach dem Studium in Ingolstadt war Osiander ab 1522 als Pfarrer in der St.-Lorenz-Kirche in Nürnberg tätig. Überzeugt von der Theologie Luthers, machte er sich dort vor allem durch seine Predigten einen Namen. Damals waren Gottesdienste noch komplett latinisiert, einzig die Predigten wurden in der deutschen Sprache gehalten. "Ohne die evangelischen Predigten hätte es die Reformation nicht gegeben", schrieb der Kirchenhistoriker Gottfried Seebaß. Osiander plädierte für die Abschaffung des latinisierten Gottesdiensts, um die Messe für jeden verständlich zu machen.

Nach Ostpreußen

Gemeinsam mit dem Maler Albrecht Dürer und dem Meistersinger Hans Sachs setzte er schließlich die Reformation in Nürnberg durch. 1533 war er als einer der Hauptverfasser für die Kirchenordnung zuständig, die in Nürnberg und im benachbarten Markgrafentum Brandenburg-Ansbach eingeführt wurde, und trug auch zur kirchlichen Erneuerung in der Oberpfalz bei. Osiander erntete jedoch scharfe Kritik aus der Bevölkerung und von der katholischen Obrigkeit und konnte viele seiner Grundsätze nicht durchsetzen.

1548 machte er sich auf nach Königsberg im Herzogtum Preußen, wo er fortan an der Albertus-Universität lehrte. Er bewegte sich dort in einem rein protestantischen Umfeld und ging Auseinandersetzungen mit der katholischen Kirche dadurch galant aus dem Weg.

Für viel Aufruhr sorgte 1550 der "osiandrische Streit", bei dem sich Andreas Osiander und Philipp Melanchthon gegenüberstanden. Thema der Auseinandersetzung war die Rechtfertigungslehre, ein Kernbestandteil reformatorischer Theologie. Melanchthon vertrat die Auffassung, dass ein Mensch, der gesündigt hat, vor Christus immer ein Sünder bleibe, während Osiander davon überzeugt war, dass ein Gläubiger trotz seiner Sünden die Vergebung Christi empfangen würde. Die beiden Reformatoren konnten sich zu Lebzeiten nicht mehr einigen. Bereits zwei Jahre später, am 17. Oktober 1552, starb Andreas Osiander unerwartet und hinterließ einen gespaltenen Protestantismus.

 

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