Gunzenhausen: Frauen an der Motorsäge

16.12.2018, 17:20 Uhr
Gunzenhausen: Frauen an der Motorsäge

© Babett Guthmann

Nach einem zweitägigen Workshop unter der Leitung von Förster Bernhard Leidel und dem Ausbilderduo Andreas Böhm und Andreas Kohout haben sie das "Motorsägediplom" erworben und ordentlich Selbstvertrauen getankt: "Bei unserem nächsten Waldarbeits-Einsatz können die Männer die Äste schleppen, und ich werde die Bäume fällen!" – so eine der Teilnehmerinnen. Beim Praxiseinsatz hautnah dabei war der Altmühl-Bote — hier ein Live-Bericht:

Am Tag eins gab es zunächst graue Theorie zu den Themen Aufbau und Wartung der Motorsäge, Schnitttechniken, Unfallgefahren und deren Verhütung. Den zweiten Tag verbrachten die Kursteilnehmerinnen im Absberger Revier und nach ein paar Probeschnitten mit der Motorsäge machten Tina Eisen aus Pfofeld, Maria Boscher aus Osterdorf, Katja Hausmann aus Absberg, Christine Steinke aus Bergen und Barbara Wagner aus Fünfbronn ernst: Einige betagte Baumriesen wurden fachgerecht umgelegt.

Drei Ausbilder und fünf Frauen im Waldarbeiterinnen-Look – Arbeitsschuhe, Waldarbeiterhose mit Galoschen, orangefarbene Sicherheitsjacke, Arbeitshandschuhe und Helm — schauen im Absberger Revier nahe dem Brombachsee in die Wipfel. Was sie da sehen, verstehe ich zuerst mal gar nicht, denn mein Sicherheitshelm ist mir über die Augen gerutscht. Als ich ihn enger schnalle, werden meine Ohrwatscheln von dem Plastikriemen eingeklemmt – autsch.

Fallkerbe und Dachschnitt

Naja, ich muss gestehen, dass ich Weichei schon einen guten Kontrast zu den patenten Frauen abgebe, die da gerade mit ihren Ausbildern über Fallrichtung und Sicherheitsabstände diskutieren. Gleich wird eine von ihnen ihr Helmvisier herunterklappen, die Motorsäge anwerfen und einer hoch gewachsenen Fichte zuerst mal eine ordentliche Fallkerbe verpassen.

Dazu wird schon ein Fünftel bis ein Drittel des Stammes eingeschnitten. Der Motor der Säge lärmt, die Spreißel fliegen und ich befürchte, dass der Baum jetzt schon in Richtung der jungen Heldin kippen könnte. Diese hat aber alles richtig gemacht und auch den Dachschnitt gleich beim ersten Mal im richtigen Winkel zur Kerbensohle angesetzt. Während sie sich jetzt in die Kerbe setzt und noch einmal die Fallrichtung ihrer Fichte prüft, stehe ich hinter den Sicherheitsmarkierungen und zur nochmaligen Sicherheit hinter dem Organisator dieses Nur-für-Frauen-Kurses Bernhard Leidel.

Schon zum vierten Mal hat sein Amt für Ernährung. Landwirtschaft und Forsten den reinen Frauen-Motorsägekurs angeboten. Auch bei den "normalen" Kursen sei ab und zu eine Frau dabei und da habe man gemerkt: Die Frauen stellten ganz andere Fragen und interessierten sich mehr für die Sicherheitsaspekte, erläutert er.

Doch jetzt werden wir alle zur Fichte gerufen, denn diese hat eine kleine, an der dunkleren Färbung erkennbare Faulstelle. Diese könnte die Fallrichtung beeinträchtigen und deshalb wird jetzt nochmal rumgesägt – Deckung! Es gibt auch noch eine sogenannte Bruchleiste zu beachten, die Frau mit einem beherzten Aufheulen der Motorsäge markiert. Dann wird wieder gemessen, um die Höhe der Bruchstufe zu bestimmen und den finalen Fällschnitt zu setzen. Die Späne fliegen und dazu braucht man als Sägeführerin ganz schön viel Kraft! Bewundernd schaue ich hinter der Deckung hervor und erwarte, dass der Baumriese jetzt endlich einknickt.

Aber nur ein Dummkopf fällt einen Baum mit der Säge – so habe ich es dem Ausbilder Andreas Kohout vom Wald- und Erlebniszentrum Schernfeld abgelauscht. Unsere Fichtenfällerin legt also die Kettensäge weg und beginnt mit der Rückseite einer Axt Keile in den Fällschnitt zu treiben. So eine Axt würde ich schon gar nicht anfassen, wenn die runterfällt und mit der bösen Seite auf den Fuß… Sowas passiert unseren Kursteilnehmerinnen sicherlich nicht, denn alle haben daheim einen landwirtschaftlichen Betrieb und können mit dem gefährlichen Werkzeug umgehen, da staunte ich Feigling nur so!

Noch ein Hieb und die Fichte neigt sich in die berechnete Fallrichtung. Aber nur so ein bisschen, dann verhakt sie sich mit einem ihrer großen Äste am Nachbarbaum. "Jetzt keine Hektik!", mahnt Ausbilder Kohout und bietet unserer Holzarbeiterin ein geniales Hilfsmittel an: den hydraulischen Fällkeil. Das ist im Prinzip ein Wagenheber zum Bäume-Umlegen und wiederum weiß unsere junge Frau sofort, wie man das Dingens ansetzt und verspannt.

Regelmäßig schleifen

Die Fichte knirscht unwillig und gemeinsam mit dem Ausbilder wird eine Fluchtrichtung festgelegt. Endlich mal sprechen die Waldprofis meine Sprache! Das mit der Fluchtrichtung gefällt mir. Als ich dann höre, dass so ein Baum beim Fallen auch noch einen Hops nach hinten machen kann – der gefürchtete Knickbruch, ziehe ich mich vorsichtshalber hinter einen dicken Baum zurück. Jetzt kann ich zwar nichts mehr sehen, aber ich höre dem Baum beim Fallen zu. Danach machen wir ein Siegerfoto mit unserer Heldin – Daumen hoch!

Wir diskutieren noch ein bisschen über die Gefahren beim Umgang mit der Motorsäge und ich erfahre, dass ein großes Handicap der Geiz ist. So sollte man seine Motorsäge unbedingt mit einer Sicherheitskette ausrüsten und die Kette regelmäßig schleifen lassen, denn eine stumpfe Säge – so erklärt es Forstmeister und Ausbilder Andreas Böhm, ist eine vermeidbare Gefahrenquelle. Jetzt gibt es von ihm auch noch ein dickes Lob für unsere Kursteilnehmerinnen: "Frauen passen in den Kursen besser auf und sie setzen das Gehörte besser um!"

So viel Lob ist natürlich ein mächtiger Motivationsschub für die Kursteilnehmerinnen, die gerade dabei sind, eine echte Männerdomäne zu kapern. Kein Wunder, dass die nächste Kandidatin sich eine Riesenkiefer als Testbaum auswählt – und auch die wird nach allen Regeln der Kunst umgelegt – von zarter Frauenhand! Ihr seid Klasse, Mädels!

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