Gunzenhausen: Mehr Papierkrieg für das Krankenhaus

29.1.2019, 05:57 Uhr
Gunzenhausen: Mehr Papierkrieg für das Krankenhaus

© Marianne Natalis

Der Verordnung mit dem sperrigen Namen liegt eigentlich ein guter Gedanke zugrunde: Vor allem in sogenannten pflegesensitivem Bereich soll so eine ausreichende Zahl an Pflegekräften garantiert werden. Ist deshalb zusätzliches Personal notwendig, wird es zu 100 Prozent finanziert.

"Hochgradig reglementiert"

Dagegen haben Pflegedirektorin Cornelia Kerschbaum und Klinikvorstand Jürgen Winter zunächst auch nichts einzuwenden, doch im Gespräch mit dem Altmühl-Boten klingt ein großes Aber und auch Verärgerung durch. Für Winter ist die geänderte Gesetzeslage ein "Schnellschuss" mit dem die Politik auf den öffentlichen Druck in Sachen Pflegenotstand reagiert hat. Suggeriert werde dabei, dass dieser Notstand von den Krankenhäusern selbst verschuldet sei, weil diese am Personal gespart hätten, moniert Winter. Tatsächlich aber sei der Krankenhausmarkt "hochgradig reglementiert", der Personalmangel systemimmanent.

"Sehr komplex" nennt Winter den Bereich Krankenhausfinanzierung, tatsächlich ist es für Außenstehende ein undurchschaubarer Dschungel. In der Vergangenheit galt hier das Prinzip der Fallpauschalen, die in der Regel die Kosten der Kliniken nicht zu 100 Prozent gedeckt haben. Die Begründung dahinter war, dass es sicher noch Rationalisierungsmöglichkeiten gäbe. So war die Vorgabe, dass nicht jede Aufgabe im pflegerischen Bereich von examinierten Pflegekräften ausgeführt werden muss, erläutern Winter und Kerschbaum, Tätigkeiten wie Essen verteilen oder die Schränke, in denen steriles Material gelagert wird, regelmäßig zu desinfizieren, können auch von Stationsassistenten übernommen werden.

Im Klinikum Altmühlfranken setzte man trotzdem auf examiniertes Personal. "Wir haben eine hohe Fachkraftquote", sagt Kerschbaum, "und das ist nun unser Glück". Mit über 80 Prozent examinierten Krankenschestern und -pflegern kann die Einrichtung die geforderten Untergrenzen mit den vorhandenen Arbeitskräften einhalten, zumal am Reutberg nur zwei Bereiche betroffen sind: die Unfallchirurgie und ab Juni auch die Akutgeriatrie. Das Haus in Weißenburg wird von der neuen Regelung überhaupt nicht tangiert.

Da es in Gunzenhausen viele Mischstationen gibt, sind laut Cornelia Kerschbaum insgesamt drei Stationen betroffen. Hier muss künftig in der Tagschicht zwischen 6 und 22 Uhr pro zehn Patienten eine examinierte Pflegekraft anwesend sein, in der Nachtschicht von 22 bis 6 Uhr ist es eine pro 20 Patienten. Auf den derzeit umbaubedingt relativ großen Stationen mit bis zu 48 Patienten "müssen wir in der Nachtschicht nachbessern", weiß die Pflegedirektorin. Allerdings könnte das mit dem vorhandenen Personal aufgefangen werden über späte Spätdienste oder eben zusätzliche Nachtdienste. Im Tagdienst werden die Forderungen bereits jetzt überschritten.

Vor allem für das Personal wird die Neuregelung eine Herausforderung, denn es muss in seinen Arbeitszeiten flexibler werden. Das Klinikum hat verschiedene Arbeitszeitmodelle, erläutert Winter, Wert gelegt werde dabei auf Familienfreundlichkeit. Die Gunzenhäuser Schichtmodelle werden durch die Personaluntergrenzenverordnung nun "ausgehebelt". So endete die Tagschicht am Reutberg bisher um 21 Uhr.

"Zeit zu experimentieren

Bis Ende März haben die Krankenhäuser "Zeit zu experimentieren", erläutert Kerschbaum, also um für sich die beste Lösung zu finden. Danach drohen den Häusern, die die Untergrenzen im monatlichen Durchschnitt nicht einhalten können, Sanktionen.

Damit bricht eine neue Bürokratieflut über die Stationen und Klinikverwaltungen herein. Schließlich muss die Einhaltung der Verordnung täglich dokumentiert werden, das ist laut Kerschbaum ein "Riesenaufwand" und fordere Zeit, die dann in der Pflege wiederum fehle. Die Pflegekräfte, die in der Regel aus sozialen Aspekten heraus diesen Beruf ergreifen, werden immer mehr mit Papierkrieg überzogen. Nicht allen gefällt das.

Apropos gefallen: Dass den Krankenhäusern schon mit der Verabschiedung der neuen Verordnung mit Sanktionen gedroht wird, bringt Winter in Rage. Er spricht von einer "Misstrauenskultur" gegenüber den Kliniken, gegenüber den Kostenträgern müsse alles haarklein dokumentiert werden, das mache den Beruf nicht unbedingt attraktiver.

In der derzeitigen Krankenhausfinanzierung ist das Pflegepersonalstärkungsgesetz ein vollkommener "Systembruch", der nach Winters Meinung so nicht aufrechtzuerhalten ist. Denn die Regelung, dass zusätzlich benötigtes Personal (sowie Tariferhöhungen) zu 100 Prozent finanziert wird, gilt allein für das Pflegepersonal. Das sei nicht zu vermitteln. Die Ärzte stehen laut Winter "bereits in den Startlöchern", um ähnliches für sich zu fordern, zudem gibt es im Krankenhaus ja auch noch Hausmeister, Verwaltungskräfte, Hauswirtschafterinnen und vieles mehr.

Zwei Drittel wollen eine Stelle

Kliniken, die in der Vergangenheit die Möglichkeiten weniger qualifiziertes Personal auf den Stationen einzusetzen, voll ausgeschöpft haben, könnten durch die Personaluntergrenzenverordnung ein echtes Problem bekommen. Denn so einfach ist es derzeit nicht, examinierte Kräfte zu finden. In Altmühlfranken ist die Lage dank der zwei Krankenpflegeschulen in Gunzenhausen und Weißenburg gut. Rund zwei Drittel der beiden derzeitigen Oberkurse wollen sich, hat Kerschbaum bereits eruiert, an den beiden Kliniken in Gunzenhausen und Weißenburg um eine Stelle bewerben. Das spricht laut Winter und Kerschbaum ja auch für die beiden Häuser.

Auch finanziell, führt Winter an, ist ein Beruf in der Krankenpflege durchaus attraktiv. Bereits im ersten Jahr winken examinierten Kräften auf der Normalstation ab März 2800 Euro brutto, nach zehn Dienstjahren sind es bereits 3367 Euro. Dazu kommen noch Schichtzulagen und Zuschläge für Nacht- und Sonntagsdienste.

Vor der Zeit der Fallpauschalen wurde der Personalbedarf in der Pflege errechnet und die Kosten dann voll von den Krankenkassen übernommen. Eine Personalausstattung, die in Gänze finanziert wird, dahin "müssen wir wieder kommen", fordert Winter. Doch stattdessen müssen sich vor allem die kleinen Häuser "immer wieder rechtfertigen", müssen immer wieder um ihre Existenz kämpfen. Denn das derzeitige Finanzierungssystem, so Winter, habe auch den Sinn, "möglichst viele Kliniken vom Markt zu nehmen". Dagegen wollen sie sich in Altmühlfranken so lange wie es geht wehren. Denn die beiden Kliniken werden in der Region dringend gebraucht.

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