Gunzenhausen sucht „Helfende Hände“ für Nachbarn

26.1.2015, 07:00 Uhr
Gunzenhausen sucht „Helfende Hände“ für Nachbarn

© Eisenbrand


Die Freude darüber war den NH-Ini­tiatoren deutlich anzusehen. Mit einem Strahlen im Gesicht führte Thomas Schülling (66) die zarte Blondine, die deutlich jünger aussieht, als sie ist, nach vorne ans Rednerpult, wo seine Mitstreiter Alverna Steurer (64) und Werner Seifert (70) darauf warteten, von den Fotografen abgelichtet zu werden. „Sie müssen mit aufs Foto“, sagte er zu Claudia Schlegel und präsentierte stolz seine erste „helfende Hand“. Denn genau darum geht es der NH: Menschen zu finden, die anderen in einer Notlage schnell, unkompliziert und kostenlos helfen.

Claudia Schlegel, eine gebürtige Paderbornerin, die es 2006 wegen eines Praktikums in die Altmühlstadt verschlug und die längst hier heimisch geworden ist, trug sich, wie sie sagt, „schon längere Zeit mit dem Gedanken, ehrenamtlich tätig zu werden“. Und sie ist auch schon ein wenig „vorbelastet“: Seit zwei Jahren besucht sie regelmäßig jemandem im Altenheim, dem sie so über die Langeweile des Alltags hinweghilft.

Nun also die „Nachbarschaftshilfe“, für die sie vielseitig tätig werden kann: „Ich habe gern mit Senioren zu tun, helfe gern auch Familien oder betreue Kinder, gehe einkaufen oder mache Fahrdienste“, schildert die sympathische Wahl-Fränkin ihr Einsatzspektrum: „Nur handwerken, das kann ich nicht.“ Den Zeitaufwand, den sie für die NH betreiben wolle, habe sie noch nicht fixiert: „Schwer zu sagen, ein Limit habe ich mir jedenfalls nicht gesetzt. Ich mache einfach, was ich kann und so viel, wie mit meinem Berufsleben vereinbar ist.“

So groß die Freude des Gunzenhäuser NH-Trios über Claudia Schlegels spontanen Entschluss ist, so groß sind freilich auch die Aufgaben, die jetzt anstehen: in erste Linie weitere Helfer zu finden – und auch Menschen, die sich helfen lassen. „Gerade das wird sicher auch nicht einfach“, sagt Werner Seifert.
Viele ältere Menschen scheuten sich davor, Fremde um Unterstützung zu bitten, betrachteten diesen Schritt als Eingeständnis von Schwäche. Deshalb appellierte auch Bürgermeister Karl-Heinz Fitz – die Stadt ist Träger der NH, unterstützt sie personell,  finanziell sowie mit der Bereitstellung eines Büros und versichert die Helfer – an Bürger in Notlagen, sich nicht zu scheuen, die breit gefächerten Angebote der Helfer anzunehmen.

Lernen, auch mal Nein zu sagen

Wie das Prinzip Nachbarschaftshilfe gut und erfolgreich funktionieren kann, erläuterte an diesem Abend die Rechtsanwältin Karin Larsen-Lion, die in der kleinen oberpfälzer Gemeinde Pyrbaum seit mehr als 15 Jahren einschlägig engagiert ist. Sie stellte den etwa 50 potenziellen Interessenten ihre Arbeit vor – und hielt auch nicht mit Problemen hinterm Berg, mit denen die Gunzenhäuser Organisatoren und Helfer zu kämpfen haben werden.

Man müsse etwa lernen, wo die eigenen Grenzen der Leistungsfähigkeit liegen, dürfe sich nicht überschätzen und sich nicht zu viel aufbürden. Man müsse sich genau überlegen, für welche Art von Tätigkeit man geeignet sei, was man wirklich gerne tue. Und, so Larsen-Lion: „Man muss auch lernen, mal Nein zu sagen“, und zwar zu den Koordinatoren der NH, wie auch zu seinen Schützlingen. Denn, so schwärmt sie: „die Nachbarschaftshilfe ist das modernste und tollste Ehrenamt, das es gibt: Man darf machen, was man will und kann ohne Probleme absagen, wenn man keine Zeit hat.“

Den „Machern“ der Gunzenhäuser NH riet sie zu viel Geduld: „Rechnen Sie mit einem Jahr, bis es so richtig anrollt.“ Bis dahin müsse man potenziell Hilfsbedürftige auch gezielt ansprechen und kräftig die Werbetrommel rühren: „Das Prinzip lautet: Die eigene Arbeit muss man still und verschwiegen ausüben, aber die Organisation muss laut sein und für sich klappern.“ Das gelte auch für die Anwerbung ehrenamtlicher Hefer, wofür vor allem eine Personengruppe in Frage kommt: „Aktive Senioren, die noch etwas Sinnvolles tun wollen; das müssen Sie ausnutzen!“

Gleich mehrfach wies die NH-Expertin auf ein Prinzip hin, das ihr besonders am Herzen liegt – und das auch für künftige „Kunden“ der Helfer wichtig ist: die Verschwiegenheitspflicht der Ehrenamtlichen. „Es darf keinerlei Klatsch geben!“, das sei eine absolute moralische Verpflichtung, wofür es bei Verstößen nur eine Sanktion gebe: den Ausschluss aus dem Verbund. Über das bei der Arbeit Erlebte dürfe nur intern bei den  Helfer-Treffen gesprochen werden, wo regelmäßig über auftretende Erfolge oder Probleme beraten werde.

Werner Seifert betonte zum Abschluss des Abends, dass sich die „Nachbarschaftshilfe Gunzenhausen“, die für sich mit dem Slogan „Für ein l(i)ebenswertes Miteinander“ wirbt, noch ganz am Anfang ihrer Arbeit befinde. Man werde jetzt erst einmal einen Leistungskatalog aufstellen und dabei genau darauf achten, nicht mit professionellen Dienstleitern – etwa Taxifahrern oder Pflegediensten – zu kollidieren. „Wir werden da einen Austausch pflegen und deren Arbeit da, wo es nötig und möglich ist, ergänzen.“ Und natürlich wolle man rasch neue Helfer finden und so dafür sorgen, dass Claudia Schlegel schon bald Gesellschaft findet.

Welche Angebote die Nachbarschaftshilfe machen kann, wie Sie Kontakt aufnehmen können, lesen Sie in der gedruckten Ausgabe des Altmühl-Boten vom Montag, 26. Januar.

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