Gunzenhausen: Zwei Männer sind offiziell Ehegatten

18.11.2017, 18:10 Uhr
Gunzenhausen: Zwei Männer sind offiziell Ehegatten

© Nicole Wabnitz-Dekrell

In der kleinen Mietwohnung der Jülgs hat alles seinen festen Platz. Die Deko ist nicht dem Zufall überlassen, viel Weiß und Pink, auf dem Esstisch im Wohnzimmer steht ein Aufsteller mit dem Wort "Love", Blumengestecke und Hochzeitserinnerungen sind im Raum verteilt – und auch "Maiky" hat seine Ecke neben dem weißen Sofa. Weil Besuch kommt, ist der Chihuahua an der Heizung angeleint und bellt. "Zu zwei Schwulen gehört ein Chihuahua", scherzt Patrick Jülg. Er hat den kleinen Hund mit in die Beziehung gebracht, nun sei er "unser Baby". "Das ist deiner!", entfährt es Patricks Mann Dennis. "Deiner schon auch, hör’ auf!", kommt die prompte Antwort. Sich zu kabbeln, macht den Frischgetrauten viel Spaß.

Und auch sonst geht es bei ihnen heiter zu. "Wenn wir mit unseren besten Freunden zamhock’n, Schwulen und Heteros, da schmeißt du dich weg vor Lachen", erzählt Patrick. Dennis fügt hinzu: "Da sind die Heteros mal in der Unterzahl, da wird der Spieß dann umgedreht."

Klar verteilte Rollen

In ihrer Ehe, die nun nach einem Jahr "eingetragener Lebenspartnerschaft" auch offiziell so heißt, sind die Rollen klar verteilt — zumindest nach außen hin. Fürs Reden, sozusagen die Öffentlichkeitsarbeit des Paars, ist Patrick zuständig. Er ist 26 Jahre alt, trägt die langen, dunklen Haare heute zum Zopf gebunden, an den Fingern künstliche Nägel. Patrick arbeitet als Friseur und kümmert sich da vor allem um die Hochzeitsfrisuren der Gunzenhäuser Bräute. Bereitwillig erzählt er, wie er und Dennis sich vor drei Jahren kennengelernt haben — übers Internet —, vom ersten Rendezvous und vom Heiratsantrag. Dennis, 29, Dreitagebart, kurzgeschnittenes blondes Haar und Brille, ist Fahrzeugbauer bei einem örtlichen Betrieb. Er sitzt meist ruhig dabei, überlässt seinem Gatten das Wort. Ab und zu guckt er aufs Handy. "Leg jetzt das Ding weg!", tadelt ihn Patrick dann. "Ich bin nicht der Typ, der viel quatscht. Ich packe lieber an", knurrt Dennis.

Angepackt hat er. Gleich beim zweiten Date — bei dem die beiden übrigens wie zuvor nur Tee getrunken hatten — sagte er, als sie zusammen auf dem Sofa in Patricks damaliger Wohnung saßen: "Der 1. November wäre doch ein toller Jahrestag." So ging es los. Und auch den Hochzeitsantrag eineinhalb Jahre später machte Dennis. Mit Metallfederringen aus der Autowerkstatt. Patrick hatte an dem Abend schon so eine Ahnung, weil sein Freund sich so anders als sonst verhalten hatte. Kein Begrüßungsküsschen an der Tür. Dann stellte Dennis die Frage. Wie reagierte Patrick? "Erst hab’ ich geheult, dann habe ich ,ja‘ gesagt", erinnert er sich. Am nächsten Tag kauften sie sich dann richtige Verlobungsringe.

Die erste Heirat, damals noch das Eintragen der Lebenspartnerschaft im Jagdschloss in Gunzenhausen, organisierten sie nach Patricks Geschmack. "Es war eine Märchenhochzeit", schwärmt der 26-Jährige. Er trug ein weißes Brautkleid, der Rock hatte neun Reifen, der Schleier sechs Meter Länge, die Schleppe dreieinhalb. War gar nicht so leicht, mit dem Twingo-Kleinwagen eines Freundes nach Hause zu kommen. Das Kleid soll noch eine Weile am Kleiderschrank hängen, im Wohnzimmer steht Patricks "Brautstrauß": "Der landet nur im Müll, wenn er mich sitzen lässt", sagt der Friseur.

Ein etwas kleinerer, noch frischer Strauß ist nun dazugekommen. Das Umschreiben der Partnerschaft in eine Ehe feierten die beiden im engsten Kreis, nur etwa zehn Leute waren dabei. Am Abend gab es dann noch eine Hochzeits- und Einweihungsparty in der ersten gemeinsamen Wohnung. Bis sieben Uhr morgens wurde gefeiert. Doch ansonsten wollten sie diesmal keinen Trubel, Patrick trug die langen Haare offen und nicht aufwendig frisiert. Es war schließlich nur noch eine Formalität. "Unser Hochzeitstag bleibt der 9. Juli 2016", sagt Patrick.

Aber wichtig war es ihnen: Beide sind stolz, dass ihre Beziehung jetzt offiziellen "Ehe"-Status hat. Das zugehörige Dokument, das ein wenig wie ein Schulzeugnis mit dem aufgestempelten Wappen des Freistaats aussieht, holt Patrick extra aus einer Mappe. "Die Trauurkunde ist schon der Hammer!", freut er sich. Dabei ging es ihnen weniger um Rechte wie Steuererleichterungen, das Mitreden im Krankenhaus, sollte einer einen Unfall haben, oder auch die Adoption von Kindern, die sie sich sowieso erst in einigen Jahren vorstellen können. Es ging einfach ums Prinzip: "Jetzt sind wir vollkommen gleichberechtigt, es ist keine ,Ehe light‘ mehr", betont Dennis.

Schönen Gruß an Merkel

Für ihn ist es auch ein kleines politisches Zeichen. "Mit schönem Gruß an Angela Merkel und Horst Seehofer", fügt er hinzu. "Ich verstehe nicht, wie jemand so engstirnig sein kann." Die Kanzlerin hatte im Bundestag gegen die "Ehe für alle" gestimmt, der bayerische Ministerpräsident zuvor im Sommer angekündigt, eine Verfassungsklage gegen das Gesetz zu prüfen. Umfragen zufolge findet eine breite Mehrheit der Deutschen die "Ehe für alle" aber richtig, auch bei Anhängern der Union.

Für Patrick und Dennis ist es das Normalste der Welt. Und sie hätten bislang kaum negative Erfahrungen wegen ihrer sexuellen Orientierung gemacht. Auch nicht in Gunzenhausen, wo sie oft Hand in Hand unterwegs sind. "Man muss sich doch nicht verstecken", findet Patrick. Den einen oder anderen schiefen Blick nehmen sie, wie es ihre Art ist: mit Humor. Echte Anfeindungen gab es nicht. "Und wenn, wär‘s uns wurscht", kommentiert Dennis. Auch auf der Arbeit, wenn er mit anderen Männern an Autos schraubt, hat Dennis keine Diskriminierung erlebt. "Da verarscht jeder jeden, das gehört dazu." Als das Ergebnis der Bundestagsabstimmung zur "Ehe für alle" im Radio verkündet wurde, fragte ihn ein Kollege: "Heiratet ihr jetzt noch mal?".

Sex ist Privatsache

Für Patrick war es ganz überwiegend eine private Angelegenheit. Er wollte Dennis heiraten, seinen Namen annehmen. Alles andere, vor allem Sex, gehört ins Schlafzimmer, so seine Meinung. "Das wird alles zu viel aufgebauscht, besonders, wenn es um zwei Männer geht." Freuen würde es ihn aber schon, wenn junge Leute durch ihr Beispiel den Mut fänden, sich zu outen. "Niemand muss sich verstecken", ist er überzeugt.

Er selbst hat sich schon mit 15 gegenüber seiner Mutter offenbart. Sie war bei der standesamtlichen Hochzeit Dennis’ Trauzeugin. Und umgekehrt. Bei Dennis hat es lange gedauert, bis er zu seiner Homosexualität stehen konnte. Den Eltern erzählte er erst vor drei Jahren davon — Patrick begleitete ihn. "Die haben total gechillt reagiert", schaut Dennis heute entspannt zurück. Und die Ehe? "Sogar meine Omi fand das cool."

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