Gunzenhäuserin pflegt Holocaust-Opfer in Israel

23.3.2019, 06:35 Uhr
Gunzenhäuserin pflegt Holocaust-Opfer in Israel

© Privat

Diesen wertvollen, freiwilligen Dienst leisten Christen aus dem deutschsprachigen Raum, wie Diakonisse Ursula Schmaderer, eine gebürtige Gunzenhäuserin. 

"Da würde ich auch gerne mitarbeiten." Das sei ihr erster begeisterter Impuls gewesen, als sie bei ihrer ersten Israelreise dem Gästehaus in Shavei Zion einen spontanen Besuch abstattete. Das war vor etwa 15 Jahren, erzählt Schwester Ursula, die damals noch voll im Berufsleben stand. Als sie im vergangenen Jahr in den Ruhestand ging, wollte sie ihrer Ankündigung Taten folgen lassen und bewarb sich kurzerhand um einen Platz im Pflegeheim in Maalot. Dort verbrachte sie drei Monate und ist nachhaltig beeindruckt von ihrem Aufenthalt.

Gesund und belastbar zu sein — das waren zwei der Kriterien, die die Freiwilligen für ihren Dienst erfüllen müssen. Dieser erstreckt sich eigentlich über mindestens ein Jahr, für die 68-jährige Diakonisse wurde ein Vierteljahr vereinbart. Die 24 Pflegeplätze sind in Israel heiß begehrt, auf einen Platz kommen laut Schwester Ursula 30 Bewerber. "Es gibt eben viele Holocaust-Überlebende, die sich ein solches Heim nie leisten könnten", weiß sie.

Eingesetzt war die ehemalige Gemeindereferentin in der Beschäftigung, im sogenannten Morgenclub. Und schnell war ihr klar: "Das Trauma ist immer noch allgegenwärtig. Es ist erschütternd, was sie erlitten haben." Nicht alle Bewohner wollten gerne über die Ereignisse im Dritten Reich sprechen, andere dagegen schon. Eine Bewohnerin, die verschiedene Konzentrationslager überlebt hat, erzählte ihr von der zerstörerischen Kraft des Hasses. Davon habe sie viel erlebt, aber hier in Maalot erfahre sie Wärme und Zuneigung. "Bei solchen Worten freut man sich einfach, hier mithelfen zu dürfen", betont Schwester Ursula.

Es ist wohl ihre eigene Geschichte, die ihr Interesse an Israel ausgelöst hat: Ihr Vater Max Schmaderer hatte einen jüdischen Schulfreund. "Er und Assa Rück waren richtig gute Freunde, beide wohnten in der Hensoltstraße in Gunzenhausen." Es habe ihren Vater immer belastet, dass es irgendwann verboten war, mit ihm zu spielen, ihn gar zu grüßen. Sie verloren sich aus den Augen, Max wurde zur Wehrmacht eingezogen, Assa und seine Familie ergriffen die Flucht vor den Nazis.

Durch puren Zufall landete 1977 ein Brief eines Albert Rück auf dem Schreibtisch von Max Schmaderer, der in der Personalabteilung der Sparkasse beschäftigt war. Rück brauchte für sein Altersruhegeld eine Bestätigung des Gunzenhäuser Bürgermeisters, einst in der Altmühlstadt gelebt zu haben.

Die Freude über ein Lebenszeichen des alten Freundes, der mittlerweile in den USA lebte und seinen Vornamen geändert hat, war riesig. Das geht aus dem Briefwechsel hervor, den die zwei Männer aufnahmen und den Tochter Ursula aufbewahrt hat. Aus dem geplanten Wiedersehen in der alten Heimat wurde leider nichts, da Max Schmaderer überraschend verstarb. "Ich fragte mich immer, wie können wir ein Zeichen setzen und etwas Gutes tun", erinnert sich Schwester Ursula, die nach ihrem Eintritt als Diakonisse der Hensoltshöhe auch oft mit dem Thema Nationalsozialismus konfrontiert war.

Gunzenhäuserin pflegt Holocaust-Opfer in Israel

© Abel Hecker

Die Antwort fand sie in der Arbeit des Vereins Zedakah, in dessen Einrichtungen die Holocaust-Überlebenden Zuwendung und Geborgenheit erfahren sollen, und zwar durch deutsche Christen. "Es ist wichtig, dass Christen ein Zeichen setzen, es geht ihnen wirklich ums Tun und nicht ums Reden", ist die Diakonisse überzeugt. Durch dieses Tun werde den Bewohnern, die zudem durch koschere Küche und das Hochhalten ihrer Traditionen im jüdischen Glauben bestärkt werden, Liebe entgegengebracht.

"Es ist ein Vorrecht, hier mitarbeiten zu dürfen", ist sie überzeugt und zeigt sich vor allem vom Einsatz der jungen Freiwilligen und vom guten Miteinander mit ihnen begeistert. "Es ist für sie eine wertvolle Zeit, die ihren Horizont erweitert." Sehr positiv steht sie auch dem von der Stadt Gunzenhausen geplanten Austausch mit israelischen Jugendlichen gegenüber. "Da ist ein großes Interesse vorhanden", lautet ihre Einschätzung, habe sie doch während ihres Aufenthalts in Maalot eine Reihe junger Leute kennengelernt, die teils auch schon in Deutschland gewesen sind. "Es gab nur positives Feedback von jungen Leuten auf die deutsche Herkunft. Das freut einen schon."

Sie selbst hat dort viele Freunde gefunden und fest vor, in ihrem Ruhestand, den sie in Gunzenhausen verbringt, erneut nach Israel zu reisen. "Das Land lässt einen nicht mehr los", schwärmt sie lachend, schiebt aber gleich eine ernste Mahnung hinterher: "Der Holocaust verpflichtet uns für alle Zukunft!"

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