Hesselberg-Ausstellung: "Ein heiliger Ort der Täter"

10.4.2011, 18:02 Uhr
Hesselberg-Ausstellung:

© dpa

Nach dem Nürnberger Kunst-und-Kultur-Quartier ist das Stadtmuseum die zweite Station der mit zahlreichen Bildern, Tondokumenten und Filmen aufwendig aufbereiteten Sicht auf eine prominente Stätte nationalsozialistischer Selbstdarstellung, denn hier hat Julius Streicher die Frankentage als Massenveranstaltung mit großem propagandistischem Aufwand inszeniert. Bis zum 1. Mai kann die Ausstellung im Stadtmuseum besucht werden.

Bürgermeister Joachim Federschmidt freute sich nicht allein über den großen Publikumszuspruch zur Ausstellungseröffnung, sondern besonders darüber, dass sich bereits viele Schulen für Klassenbesuche angemeldet haben. Unbequem und ehrlich, nicht anklagend, sondern Geschichte aufzeigend sei die Dokumentation, lobte das Stadtoberhaupt die Ausstellungsmacher Rainer Büschel und Ulrich Kuhnle. Einen beachtenswerten Beitrag zur Problematik der Erinnerungskultur lieferte Gastredner Dr. Thomas Greif mit seinem Beitrag „Ungeliebte Erinnerung. Über den schwierigen Umgang mit den Täterorten des ‚Dritten Reiches‘“. Der Soziologe Ulrich Kuhnle und der Politologe und Journalist Rainer Büschel arbeiten ehrenamtlich für den KOMM-Bildungsbereich und haben sich als Initiatoren vieler Ausstellungsprojekte bewährt.

Weißer Fleck der Geschichte

Den Anstoß für die Ausstellung über die Frankentage und den Hesselberg gab die 2007 veröffentlichte Doktorarbeit von Dr. Thomas Greif „Frankens braune Wallfahrt – der Hesselberg im Dritten Reich“. Hier wird die Geschichte der von 1933-1939 jährlich stattfindenden Frankentage aufgezeigt. Mit der Sammlung historischer Dokumente und Zeitzeugenbefragungen hat sich Greif eines „weißen Flecks auf der historischen Landkarte“ angenommen, wie Rainer Büschel erläuterte. Die inhaltliche Vorarbeit Greifs ist ebenso in die Ausstellung eingeflossen wie Dokumente und Tafeln, die das Nürnberger Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände zur Verfügung gestellt hat. Werner Mühlhäußer konnte Exponate aus dem Fundus des Stadtarchivs beisteuern. Rainer Büschel dankte auch Hans Spatz aus Ehingen, der aus seiner umfangreichen privaten Sammlung Exponate beigesteuert hat.

Mit dem „Mythos Berg“ beschäftigt sich der erste Teil der Ausstellung. Als Ziel für Wallfahrten und als Festort wurde der Hesselberg bereits in früheren Epochen der Menschheitsgeschichte genutzt. Stellvertretend sei hier das Schwedenfest von 1932 erwähnt. Hier wurde der 300. Jahrestags des Besuch des Schwedenkönigs Gustav-Adolf gefeiert. Es war dies in den 30er-Jahren die letzte Großveranstaltung, bei der Hakenkreuzfahnen und nationalsozialistische Propaganda keine Rolle spielten. Seit 1928 bereits versuchte der frühe Weggefährte Hitlers und Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes „Der Stürmer“, Julius Streicher, den Hesselberg als „Berg der Franken“ für seine Zwecke zu vereinnahmen. Anfangs kamen etwa 3.000 Anhänger. Ein Foto-Dokument zeigt, wie Streicher einen Wagenanhänger als improvisiertes Podium nutzte. 1931 schob das Bezirksamt Dinkelsbühl der Veranstaltung noch einen Riegel vor und verhängte ein Uniformverbot. In der Ausstellung ist zu sehen, mit wie viel Selbstbewusstsein der Gauleiter Streicher und seine Anhänger damals in Lederhosen und weißen Hemden sich um das Verbot herumlaviert haben.

Bissige Rhetorik

Nach der Machtergreifung wurden die Frankentage als Großveranstaltung mit hohem logistischem und propagandistischen Aufwand in Szene gesetzt. Zur Sonnwendfeier am Vortag traf sich vor allem die nationalsozialistisch gesinnte Jugend. Der Frankentag selbst hatte zwar einen an der Tradition der Bergmessen angeknüpften Volksfest-Charakter, doch waren Sport-, Musik- und Folkloredarbietungen dazu angetan, auf die Hauptkundgebung einzustimmen. Hier wurde – so zeigt es die Ausstellung eindrucksvoll – nationalsozialistische Propaganda in schärfster Rhetorik vorgebracht und antisemitische Hassreden geschwungen. Dies bestätigt auch ein Blick auf die Rednerliste: Sechsmal ergriff Julius Streicher das Wort, zweimal stand Reichsminister Hermann Göhring auf der großen Tribüne, und einmal war Reichsorganisationsleiter Robert Ley Hauptredner.

An zwei Hörstationen können sich die Ausstellungsbesucher von der bissigen Rhetorik und den judenfeindlichen Inhalten der Reden selbst ein Bild machen. Distanzieren und nur den Unterhaltungsteil der Frankentage mitnehmen, das konnte wohl kaum ein Festteilnehmer. Die Veranstaltung am „Berg der Franken“ sollte vielmehr die Massen auf Judenhass, Kirchenfeindlichkeit und auf Germanentum und Volksgemeinschaft einschwören. So war auch der „Bauerngruß“, bei dem ein Bauer aus der Region Brot und Schinken an Streicher überreichte, eine Demonstration der Solidarität mit dem brauen Gedankengut.

Hitlers Kurzvisite

1932 wurde Adolf Hitler eigens zum Frankentag eingeflogen. Der an Grippe erkrankte Führer beließ es aber bei einem kurzen Auftritt, was die Anhänger der Bewegung nicht daran hinderte, diesen Auftritt mit einer Postkarte zu glorifizieren. Bis zu 100.000 Menschen kamen zu den Frankentagen. Es gab auf dem Berg sogar ein eigens eingerichtetes Postamt und Erinnerungsabzeichen. Dokumentarfilme des Nürnberger Dokumentationszentrums und der Medienwerkstatt Franken sowie Aufzeichnungen von Zeitzeugen-Interviews von Thomas Greif bieten weitere Einblicke in die Geschichte der Frankentags am Hesselberg.

Wie Vereine und der Sport im Nationalsozialismus instrumentalisiert wurden, zeigen die Ausstellungsmacher am Beispiel des Segelsports am Hesselberg. Zeigt eine Fotografie aus den späten 20er-Jahren noch eine fröhliche Gruppe von Männern und Frauen beim Vereinstreffen, so zieht in den 30ern auch beim Segelflug militärischer Drill ein. Über die Frankentage hinaus wollten die Nationalsozialisten den Hesselberg für weitere propagandistische Projekte nutzen. So waren die Planungen für eine Adolf-Hitler-Schule schon weit gediehen, wurden aber mit dem Kriegsbeginn Makulatur. Die Baracken für die Arbeiter waren aber bereits erstellt und wurden bis zum Mai 1945 als Umsiedlungslager, zuerst für zwangausgesiedelte Bessarabier, später für die Kärtner Slowenen genutzt.

Der Mantel des Schweigens

Ein Anliegen von Thomas Greif haben die Ausstellungsmacher auf der letzten Ausstellungswand aufgegriffen: Diese zeigt, wie der einstige Täterort, der in einer Reihe mit Nürnberg als „Stadt der Reichsparteitage“ und München als „Hauptstadt der Bewegung“ als Ort der Propaganda im großen Maßstab steht, in den vergangenen 60 Jahren in Vergessenheit geriet. In der Nachkriegszeit war die Verlockung wohl groß, die nationalsozialistischen Fahnenmeere und die eigene Begeisterung für die Bewegung zu verdrängen. Für eine selbstkritische Erinnerungskultur hat das Trio Greif-Büschel-Kuhnle einen ersten Schritt getan.

Keine Kommentare