In Gunzenhausen lacht der Fußball

6.3.2018, 17:38 Uhr
In Gunzenhausen lacht der Fußball

© Kristy Husz

Selbst ein glühender VfB-Anhänger, eröffnet der Wahlstuttgarter Spinder den Abend mit einem Ausflug in die Bundesliga und in Gunzenhausen natürlich mit Frotzeleien über den Lokalmatador, das heißt den 1. FCN. Schadenfroh empfiehlt er einen Besuch im "Club"-Museum, in welchem die vergangenen Erfolge des Vereins präsentiert werden ("in 20 Minuten sind Sie durch"), und frischt mal eben das Geografiewissen seiner Zuhörer auf: Die höchste Erhebung Deutschlands ist nicht etwa die Zugspitze, sondern der Nürn-Berg, denn man braucht ein Jahr für den Abstieg.

Gedicht von Peter Handke

"Die Aufstellung des 1. FC Nürnberg vom 27. 1. 1968" hat der Schriftsteller Peter Handke eines seiner Gedichte genannt – über dessen Inhalt bereits mit der Überschrift alles gesagt ist. Indem Spinder weitere Kopfarbeiter von Loriot bis Jean-Paul Sartre zitiert, weist er nach: Das runde Leder zirkuliert inzwischen sogar im Kulturbereich, und wer gut über die jahrtausendealte Geschichte dieses Sports informiert ist ("Wie bezeichnet man die Fußballschuhe von Jesus? – Christstollen"), bekommt beim Mitphilosophieren sicher nicht die Rote Karte gezeigt.

Viel philosophiert und diskutiert wird traditionell auch über Schiedsrichter-Entscheidungen. Der Humorist hat die passenden Anekdoten über Unparteiische parat, vom Engländer Andy Wain, der sich 2005 im Zuge eines Wutanfalls selbst des Feldes verwies, bis zum alkoholisierten Wolf-Dieter Ahlenfelder, der einst schon nach 32 Minuten zur Halbzeit pfiff.

Dass die Wurzeln Spinders im politischen Kabarett liegen (womit er bereits zweimal in der Altmühlstadt gastierte), merkt man spätestens dann, wenn er sich über die mediale Berichterstattung zum Geschehen auf dem Platz echauffiert. Der "Wolkenbruch von Geschwätz", den die Experten von eigenen Gnaden über dem TV-Zuschauer ausgießen, die misslungenen Metaphern von Moderatoren und Kommentatoren (Gerd Rubenbauer: "Die Paraguayer foulen wie Leprakranke!") sowie die horrenden Summen, die der gemeine Fan Monat für Monat in Lizenzgebühren und Abos stecken muss – nichts bleibt unabgewatscht von dem 51-Jährigen, der hier sichtlich in seinem Element ist.

Da verzeiht man ihm gern die Kalauer, Zoten und Schenkelklopfer, die er nach der Pause ebenfalls vom Stapel lässt. Zwar sind die Kreisliga-Kadern angedichteten Namen wie "Juventus Urin" oder "TSG für 18,99 besoffen sein" wohl eher unter Hobbymannschaften verbreitet, doch dafür entlarven Flachwitze über das weibliche Geschlecht real existierende Vorurteile. Schließlich ist Spinders Gattin, wie er stolz erzählt, seit drei Jahren Dauerkartenbesitzerin und der Künstler damit des Chauvinismus unverdächtig. Und viel skandalöser wirkt nach heutigen Maßstäben ohnehin das von Spinder ausgegrabene Kaffeeservice, mit dem der DFB die Europameisterinnen des Jahres 1989 prämierte und das viel über den teils schweren Stand von Frauen in dieser testosteronschwangeren Domäne verrät.

Verbale Entgleisungen

Zwischen den gesammelten Rasen-Weisheiten von Spielern, Trainern, Funktionären und Reportern sind diejenigen des Frauen-Verschleißers Lothar Matthäus ("wäre, wäre, Fahrradkette") ja ein Muss. Zu all den verbalen Entgleisungen gesellen sich am Ende aber die optischen, als der nur dezent schwäbelnde Entertainer das Anschauungsmaterial in Form alter "Panini"-Sammelbildchen zückt: haarige Herrlichkeit und bärtige Brillanz, wohin man guckt ... Obacht, Ironie.

Als Zugabe darf sich das Auditorium noch in mehreren Quizrunden duellieren. Das Team "Lebenskunst" hat dabei augenscheinlich einen Heimvorteil und trägt knapp den Pokal davon. Was den anderen bleibt: die Erkenntnis, dass über die Ausrutscher von König Fußball durchaus gelacht werden sollte, und eine vergnügliche Einstimmung auf die nahende WM. Tor für Uwe Spinder.

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