Julia will hoch hinaus

13.8.2010, 11:00 Uhr
Julia will hoch hinaus

© Uli Gruber

Julia besucht das Simon-Marius-Gymnasium und hat nicht nur sportliches Talent, denn trotz der wöchentlichen Trainingsbelastung von vier Einheiten mit jeweils zwei Stunden gehört sie zu den Besten in ihrer Klasse. Ebenso interessiert ist sie am musischen Bereich. Julia spielt mehrere Blasinstrumente, was vor allem ihre Eltern Gabriele und Eduard Ott freut. Vorbehaltlos hinter ihr steht nicht zuletzt Bruder Christoph, der sie neben weiteren Verwandten und Freunden bisweilen als „Edelfan“ zu diversen Wettkämpfen begeleitet.

So war eine Abordnung aus der Altmühlstadt auch bei den verregneten Meisterschaften in Ulm präsent.Vielleicht hat diese Unterstützung zu Julias neuer persönlicher Bestleitung an diesem Tag beigetragen. Mit 3,85 Metern verwies sie die Konkurrenz jedenfalls auf die Plätze und holte sich den begehrten Titel.

Gut zurecht gekommen im Dauerregen

Es ehrt die sympathische Athletin, dass sie den Dauerregen als einen begünstigenden Faktor für ihren Triumph einstuft. „Weil andere Konkurrentinnen mit diesen Verhältnissen weniger zurechtkamen“, so Julias Fazit. Keine Frage, bei Nässe gilt es permanent, den Stab einigermaßen trocken und griffig zu halten.

Darüber hinaus besteht beim Ansetzen des Stabs im Einstichkasten erhöhte Rutsch- und damit auch Unfallgefahr. Ein Umstand, der einigen Mädels beim Wettkampf in der Donaustadt zum Verhängnis geworden ist. Nichtsdestotrotz mussten mit diesen widrigen Verhältnissen alle Sportlerinnen umgehen.Und Julia Ott hatte eben in dieser Situation das optimale Timing, die wirkungsvollste Technik und insbesondere eine bewundernswerte mentale Stärke.

Großes Teilnehmerfeld sorgte für erhebliche Wartezeiten zwischen den Sprüngen

Konzentration war gefragt, unter anderem wegen des verhältnismäßig großen Teilnehmerfelds von 27 Starterinnen. Zwischen den Sprüngen entstanden dadurch erhebliche Zeitverzögerungen. Dadurch war es nicht leicht, die Spannung hochzuhalten und das Leistungspotenzial im richtigen Moment abzurufen. Julia hat all dies offenbar am besten hingekriegt, was Karl Bauer enorm beeindruckte: „So hoch konzentriert wie in den entscheidenden Phasen in Ulm habe ich sie noch nie erlebt“, stellt der Coach zufrieden fest.

Als Lohn durfte die Gunzenhäuserin bei der Siegerehrung die Goldmedaille in Empfang nehmen. Des Weiteren wurde sie von Bundestrainer Tom Weise spontan zum am morgigen Samstag in Borna bei Leipzig stattfindenden U18-Leichtathletik-Länderkampf gegen Polen eingeladen. Als die strahlende Siegerin dann auch noch zum Interview gebeten wurde, sprudelte es in breitem „Fränkisch“ nur so aus ihr heraus.Trotzdem hielten sich Überschwang und große Emotionen bei Julia zunächst noch in Grenzen. „Die Freude über das Erreichte kam erst in den nächsten Tagen auf“, bekennt sie freimütig.

Bereits mehrfache Bayerische Meisterin

Die Leichtathletik hat es Julia bereits seit ihrer Einschulung angetan. Zum Stabhochsprung wechselte die frühere Mehrkämpferin aber erst vor vier Jahren. Bald hatten Susi und Karl Bauer das außergewöhnliche Talent ihres Schützlings erkannt und mit intensivem Training gezielt gefördert. Erfolge sollten sich ebenfalls rasch einstellen. Julia errang ab 2007 mehrere Bayerische Meisterschaften im Freien und in der Halle. Beachtliche Resultate erzielte sie ferner bei mittlerweile fünf Teilnahmen an Deutschen Titelkämpfen. Die vorläufige Krönung erfolgte jetzt mit dem Sieg in Ulm.

Diese Reihe von Erfolgen ist auch auf das heimelige, freundschaftliche und von gegenseitigem Vertrauen geprägte Umfeld beim TV 1860 zurückzuführen. Hier geht es nicht nur um Höchstleistungen und Rekorde. Stimmen muss in jedem Fall der Einklang von schulischer, persönlicher und sportlicher Entwicklung eines jungen Menschen. Darauf legen die Verantwortlichen großen Wert. Bei aller Disziplin, die für ein Weiterkommen selbstverständlich erforderlich ist, bleibt immer ausreichend Zeit für Privates.

Image der Abteilung und des ganzen Vereins wird aufgewertet

Deshalb entsteht innerhalb der Trainingsgruppe auch kein Neid. Im Gegenteil: Individuelle Erfolge werden als zweckmäßiger Teil des Gesamtgefüges angesehen, das Image des Vereins und der Abteilung wird dadurch aufgewertet. Zudem kann vom Können und von der Erfahrung einer „Deutschen Meisterin“ sicher jeder im Kollektiv profitieren. Das „Wir-Gefühl“ wurde beispielsweise auch während eines an Pfingsten abgehaltenen Trainingslagers in Cavallino bei Jesolo bestärkt.

Es geht also weiter, beim TV Gunzenhausen im Allgemeinen und bei Julia Ott im Besonderen. Bei verhältnismäßig kleinen Vereinen spielen halt auch die Finanzen eine gewisse Rolle, um große Ziele anvisieren zu können. Weil beispielsweise ein wettkampffähiger Stab zwischen 600 und 700 Euro kostet, ist die Anschaffung dieser anspruchsvollen Trainingsgeräte nicht zwingend gewährleistet. Sponsoren wären sehr willkommen, Susi Bauer hätte als Ansprechpartnerin jederzeit ein offenes Ohr für ein derartiges Engagement.

Und Julia Ott? Sie bleibt trotz des Rummels um ihre Person ziemlich „cool“. Eher pragmatisch veranlagt will sie sich in den kommenden Monaten sorgfältig auf die 2011 stattfindenden U20-Europameisterschaften und die Deutschen A-Jugend- Titelkämpfe vorbereiten. „Spring Julia“, könnte das Motto lauten, dann kann es im wahrsten Sinn des Wortes noch „hoch hinausgehen“.