Kernig und knusprig statt weiß und watteweich

21.8.2014, 23:59 Uhr
Kernig und knusprig statt weiß und watteweich

© Patrick Shaw

Denn in den USA ist Brot, das nicht schneeweiß und watteweich ist, Mangelware. Wie fränkisches Mischbrot, Semmeln und Laugenbrezen hergestellt werden, erfährt die angehende Bäckerin derzeit im Rahmen des Praktikanten-Austauschprogramms des Freundeskreises Frankenmuth-Gunzenhausen bei Bäckermeister Werner Schwarz in Merkendorf.

Der will die aufgeweckte und robust zupackende Landwirtstochter, deren Vorfahren vor 150 Jahren aus Roßtal im Landkreis Fürth in die USA auswanderten, schon gar nicht mehr gehen lassen. „Sie war nach wenigen Tagen eine vollwertige Kraft“, freut sich der Bäckereichef und Inhaber des Cafés „Rosenrot“ am Merkendorfer Marktplatz. Für zehn Wochen ist Lydia Weiss zu Gast in Altmühlfranken. Kontakt in die Region hat sie bereits seit einigen Jahren. 2008 war sie erstmals in Deutschland. Schon damals habe sie „das deutsche Brot so beeindruckt, dass ich die Idee hatte, es auch in Frankenmuth zu backen“, erinnert sie sich.

Zwei Jahre später lernte die damals 16-Jährige im Zuge des Austausches der Frankenmuth High School mit dem Neuendettelsauer Laurentius-Gymnasium die Familie Beyser in Hirschlach kennen. Seither verbindet sie eine „transatlantische Freundschaft“ mit der ein Jahr jüngeren Simone Beyser.

Andere Länder, andere Brötchen

Diese wiederum ist eine gute Bekannte der Merkendorfer Bäckerfamilie Schwarz. So bot es sich an, dort nach einer Stelle zu fragen und während des Praktikums erneut bei Familie Beyser zu wohnen. Der Freundeskreis Frankenmuth mit Renate Herrmann an der Spitze stimmte zu, den Aufenthalt über sein Praktikanten-Programm zu begleiten.

Ganz unbedarft kam Lydia Weiss freilich nicht in die Backstube. Ihre ers­ten zwei Lehrjahre hat sie am „Culinary Institute of Michigan“ absolviert. Allerdings stehen dort andere Dinge auf dem Lehrplan als hierzulande. So gebe es in den USA fast nur Toastbrot, das industriell hergestellt und im Supermarkt verkauft werde. In den Bäckereien finde sich eher Feingebäck, das aber viel süßer sei als das in Deutschland. Knusprige Semmeln und Krustenbrote seien so gut wie unbekannt. Ohnehin habe Brot in den Vereinigten Staaten keinen so großen Stellenwert wie in Europa, bedauert die 20-Jährige. Die Amerikaner äßen morgens eher Cornflakes und abends warm.

Gerade wegen dieser Marktlücke glaubt Lydia Weiss jedoch, dass Semmeln und Sauerteigbrote in ihrer Heimat gut ankommen würden. Vielleicht gelinge es ihr ja, sich in einigen Jahren mit einer „deutschen Bäckerei“ selbstständig zu machen: „Die würde in Frankenmuth gut passen, wo doch bei uns so vieles deutsch ist.“

Bei der Familie Schwarz hat die angehende Bäckerin bereits „viel gelernt“ – im Gegensatz zu ihrer bisherigen Ausbildung insbesondere über Sauer- und Hefeteig, Laugen­gebäck und alte Getreidesorten. Blätterteig kannte sie dagegen schon. Der heißt in den USA „Puff Pastry“. Am liebsten mag die Gastpraktikantin Misch- und Kamutbrot sowie „alles mit Lauge“. Die dafür nötige Natronlauge gebe es in den USA aber gar nicht als Backzutat, sondern „nur als Rohrreiniger“.

Da Lydia Weiss aktuell die einzige Auszubildende im Familienbetrieb ist, ist sie voll in den Bäckereialltag eingebunden. Das heißt unter anderem, morgens um drei Uhr auf der Matte zu stehen. Der jungen Frankenmutherin macht das aber nichts aus, zumal es „in der Backstube fast immer lustig zugeht“.

Lediglich kleine sprachliche Fallen tun sich manchmal noch auf, obwohl die 20-Jährige nach einem Auslandsjahr 2011/12 in Hannover hervorragend Deutsch spricht. So habe sie einmal versehentlich 60 statt 16 Eier aufgeschlagen, was wohl eher ein Omelett als einen Kuchen ergeben hätte. Einen typischen Anfänger-Streich habe das „Rosenrot“-Team ihr aber bislang nicht gespielt. Zu Hause in den USA wäre ein solcher zum Beispiel, den Neuling loszuschicken, den „Bananenschäler“ zu holen.

Ganz unterschiedliche Freundinnen

In ihrer Freizeit ist Lydia Weiss oft mit ihrer Gastschwester Simone Beyser unterwegs. Die zwei haben viel gemeinsam, weil beide auf einem Bauernhof aufgewachsen sind, und sind doch ganz unterschiedlich, denn Simone studiert ab Oktober Mathematik und Informatik. Verbindend ist für sie, „dass Lydia für alles offen ist und alles mitmacht“.

So ist die Frankenmutherin mit Unterstützung des Gunzenhäuser Freundeskreises auch schon viel herumgekommen. Eine Führung durch die Altmühlstadt, Ausflüge ins Seenland und nach München sowie eine Stippvisite im Rathaus samt Eintrag ins Partnerschaftsbuch standen auf dem Programm. Zudem ist die junge Musikliebhaberin eine begeisterte Besucherin der Sommerkonzerte im Falkengarten.

Nach Abschluss ihres zehnwöchigen Praktikums Ende August will Lydia Weiss noch einen Monat lang Deutschland und die Schweiz bereisen. München, Köln, die ehemalige Gastfamilie in Hannover und Bekannte an der Nordsee sind als Stationen geplant.

Zurück in der Heimat, steht dann erst einmal weiteres Lernen und Sammeln von Erfahrungen an. Einen Namen für ihre künftige Bäckerei hat Lydia Weiss aber schon: „Schneeweißchen“, passend zum Merkendorfer „Rosenrot“. Dort gibt es dann sicher auch ihr Lieblingsfrühstück: Laugencroissants mit Sesam und Erdbeermarmelade.

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