Klatschen, Singen und Tanzen in der Kirche

7.9.2016, 16:10 Uhr
Klatschen, Singen und Tanzen in der Kirche

© Helmut Meyer

Wer am vergangenen Freitagabend nach Markt Berolzheim kam, konnte dieses Bild exakt so beobachten. Es fehlten in der St.-Michaels-Kirche eigentlich nur noch die Deckenventilatoren, die in der heißen Atmosphäre ein wenig kühle Luft durch die alten Gemäuer schaufelten. Das Programm des Gottesdienstes mit Musik, Predigt und Gebeten war so original und echt wie auf der anderen Seite des Ozeans.

48 leidenschaftliche Sänger

Reverend James Artur Wilson, der in Joplain, US-Bundesstaat Missouri, eine kleine Gemeinde leitet, erzählte, dass er zu Hause nur mit seiner unverwechselbaren Stimme durch den Gottesdienst führt. Im Altmühlflecken unterstützen ihn 48 leidenschaftliche Sängerinnen und Sänger. 30 vom Wilson-Gospel-Chor unter der musikalischen Leitung von Jimmy Potratz — und 18 vom Gospel-Projekt-Chor Markt Berolzheim.

Traditionell zog der in blaue Roben gekleidete große Chor mit dem Song „Soon and very soon“ in die Kirche ein. Im ersten Teil des Gottesdienstes bis zur Predigt zeigte der Wilson-Gospel-Chor, warum er schon seit über 20 Jahren die Gospelmusik in Bayern prägt: Sein breites Repertoire reicht von gefühlvollen und unter die Haut gehenden Liedern wie „Sometimes I feel like a motherless child“ bis hin zu rockigen Mitsing-Stücken wie „Put your hand in the hand“.

James Arthur Wilson übernahm immer wieder den Part des Vor- und Leadsängers. Sein Timbre, seine extrem tiefe und gleichzeitig sagenhaft hohe Stimme zauberte Gänsehaut-Momente in den Gottesdienst. Bei den nachdenklichen Stücken schlossen manche Zuhörer die Augen und fühlten sich in eine Zeit versetzt, als der Gospel und Spiritual auf den Baumwollplantagen geboren wurde.

Die Predigt wurde nicht wie im klassischen Gottesdienst üblich von der Kanzel gehalten. Reverend James Arthur Wilson nahm eine Bibel und verkündete die frohe Botschaft mitten in der Kirche, mitten unter den Besuchern. Pfarrerin Myriam Krug-Lettenmeier übersetzte ins Deutsche. Nach den geistlichen Worten schloss sich der Markt Berolzheimer Gospel-Projekt-Chor dem Wilson-Gospel-Chor an.

Gemeinsam verstärkte sich der Sound noch. Die Klassiker „O happy day“ und „This little light of mine“ ließen keinen Besucher auf der Bank sitzen. Klatschend und singend ging es auf das große Finale zu. Der Chor verließ seinen Platz vor dem Altar, alle reichten sich die Hände, eine große Menschenkette formierte sich und sang zusammen „We shall overcome“. Die Hymne der Bürgerrechtsbewegung erklang so massiv wie selten ein Lied in der St.-Michaels-Kirche — ein unvergesslicher Moment für alle.

Wie intensiv die Zeit war, merkten viele Gäste erst, als sie nach zweieinhalb Stunden mit Singen, Klatschen und Zuhören wieder auf die Uhr schauten. Sie reisten an diesem Abend in eine andere Welt und haben erlebt, wie sich so ein Gospelgottesdienst anfühlt.

Keine Kommentare