Kleinsten Knötchen auf der Spur
4.11.2010, 14:23 Uhr
Seit kurzer Zeit machen die Medizinischen Tastuntersucherinnen in der Region von sich reden, denn der erste neunmonatige Ausbildungsblock in Nürnberg ging nun zu Ende. Stefanie Gedenk gehörte diesem vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten Pilotprojekt an und wird nun zunächst ihr zehnwöchiges Praktikum in der Praxis des Gunzenhäuser Gynäkologen absolvieren, danach wird laut Sattler eine langfristige Zusammenarbeit angestrebt.
Frühes Erkennen kann Leben retten
Jede zehnte Frau in Deutschland ist von Brustkrebs betroffen und gerade bei dieser Form der Krankheit gilt: Je früher sie erkannt wird, desto größer sind die Heilungschancen. Zeit für eine ausführliche Untersuchung und ein optimal trainierter Tastsinn bieten die besten Voraussetzungen zur Früherkennung noch der kleinsten bösartigen Tumore im Brustgewebe. Diese Idee stand hinter dem Projekt „discovering hands“, das der Duisburger Arzt Dr. Frank Hoffmann in Deutschland ins Leben gerufen hat und das vom Nürnberger Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte aufgegriffen wurde. Letztendlich wurde so ein neuer Beruf ganz speziell zugeschnitten auf blinde Frauen, die sich in der Regel auf dem Arbeitsmarkt sehr schwertun, geschaffen.
Blinde Tasterinnen mit Fingerspitzengefühl
Hier kommen, freut sich Sattler, die ganz besonderen Fähigkeiten blinder Frauen zum Tragen. Der Gynäkologe fand die Idee gleich beim ersten Mal, als er davon hörte, sehr spannend und so war es für ihn mehr als selbstverständlich, nun nicht nur seinen Patientinnen, sondern allen Frauen in der Region diese sehr individuelle Untersuchungsmöglichkeit und Stefanie Gedenk einen Arbeitsplatz anzubieten.
30 bis 45 Minuten dauert eine Untersuchung bei Stefanie Gedenk. Die 31-Jährige, deren Netzhaut sich während der Pubertät ablöste und die seitdem blind ist, besitzt nicht zuletzt dank einer physiotherapeutischen Ausbildung gute medizinische Vorbildung und ist vor allem auch im Umgang mit Patienten erfahren. Für Sattler ist nicht nur die sehr sorgfältige Untersuchungsmethode ein überzeugendes Argument, sondern auch die persönliche Atmosphäre während des Abtastens. Hier bietet sich für die Patientin genügend Raum, Fragen zu stellen. Bisher allerdings übernehmen nur wenige Krankenkassen die Kosten, die sich laut Sattler auf „deutlich unter 50 Euro“ belaufen.
Kleinste Knötchen werden entdeckt
Nach Sattlers Worten bietet das ausgezeichnete Projekt zahlreiche Vorteile: So entdecken Medizinische Tastuntersucherinnen auch kleinste Knötchen, die in der Mammografie nicht gesehen werden können,und außerdem ist die Untersuchung im Gegensatz zum Screening nicht altersabhängig. Zudem wird den Frauen, die ganz explizit keine Mammografie wollen, eine hervorragende Alternative geboten.
Stefanie Gedenk ist eher zufällig Mitte vergangenen Jahres auf diese Ausbildungsmöglichkeit gestoßen und hat sich sofort um einen Platz beworben. Die Nürnbergerin ist von ihrer guten Sache vollkommen überzeugt.
Nach den Herbstferien wird Stefanie Gedenk in der Praxis Dr. Sattler ihre Arbeit aufnehmen und voraussichtlich zwei Tage in der Woche vor Ort sein. Ertastet sie bei einer Patientin etwas Ungewöhnliches, so muss der betreuende Frauenarzt den Befund abklären, denn eine Diagnose kann nur ein Arzt stellen, erläutert die Nürnbergerin das weitere Prozedere.