Köstliche Kabarettmomente in Wald

30.5.2016, 17:41 Uhr
Köstliche Kabarettmomente in Wald

© Kristy Husz

Es scheint ein geheimes Gesetz zu sein: Je schwärzer die Politik eines Landes, desto schwärzer der Humor seiner Künstler. Unser Freistaat bietet demnach nicht von ungefähr den idealen Nährboden für Satire, Spott und Ironie der schärfsten Machart, und die aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck stammende Familie Well hat die bayerische Musik- und Kabarettgeschichte der letzten 40 Jahre entschieden mitgestaltet. Während das Schwestern-Trio „Wellküren“ bis heute aktiv ist, löste sich die „Biermösl-Blosn“, die legendär bissige Kapelle der Brüder Hans, Michael und Christoph, zum Leidwesen der Fans 2012 allerdings auf.

Doch der umtriebige Texter und Multi-Instrumentalist Hans Well präsentierte der Öffentlichkeit bald darauf ein neues Projekt, und einmal mehr handelt es sich, wie sollte es bei diesem Clan anders sein, um eine Familienbande. Wells Sprösslinge sind dem berühmten Vater, den Onkeln und Tanten in Musikalität, Witz und Bühnenpräsenz absolut ebenbürtig, und an einem lauen Sommerabend bekommt nun also auch Gunzenhausen Worte voller Hintersinn aus vorlauten „Bappn“ um die Ohren gehauen.

Schließlich ist man, wie es bereits in der ersten, flugs für diesen Anlass gedichteten Strophe heißt, „im fränkischen Seen-Gebiet, wo’s mehra Wuidgäns wia Touristn hinzieht, wo die Algen intensiv sprießeln, weil die Feriengäste sovui neibisln.“ Immerhin ist es gleichzeitig die Gegend, in der „jedm Oberbayern oans sofort auffoit, der middlfränggische Dialekt is da erotischste auf der ganzn Woit“. Trotzdem möchten die lieben Damen im Lied „Brautwahl.de“ aus den verschiedensten Gründen keinen Banker, Straßenbahnschienenritzenreiniger, „What-Sepp“, Philipp Lahm oder Feldwebel heiraten – und ebenso wenig einen Mittelfranken. Der ist ihnen, arg euphemistisch formuliert, nicht attraktiv genug.

Köstliche Kabarettmomente in Wald

© Kristy Husz

Wenn so ein Franke das Oberbayerische schlecht versteht und in der Pause um klarere Artikulation bittet, dann antwortet die Gruppe mit dem Song „Please Be Nice To Bavarians“ und in lupenreinem Denglisch. Und bei einer Lesung aus dem „Buche Bayern“ – angesiedelt in einer Epoche, „als Bier im Glyphosat gefunden ward“ – darf „Westphal der Bedeutungslose“ zumindest namentlich auftauchen, neben Protagonisten wie „Angela der Hinterpommerischen“, „Horst dem Wendigen“ und „Markus dem Schleimigen“.

Die fleißig eingestreuten Bezüge zum jeweiligen Veranstaltungsort sind das i-Tüpfelchen eines in bester „Biermösl“-Tradition stehenden Programms, das mitunter derb, stets aber zur allgemeinen Erheiterung ausspricht, worüber „die ärmste Sau“ Angela Merkel zu klagen hat; dass bei Horst Seehofer „nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht“; warum die Legislative gegen die so betitelten „Karrieresprünge“ ehemaliger Volksvertreter in die Wirtschaft nichts einzuwenden hat (eine Krähe hackt der anderen nämlich kein Auge aus); und in welchem Gemäuer man Franz Beckenbauer im Zuge der DFB-Affäre gern sehen würde: „… dem Hoeneß sei Zimmer is frei“. Starkes Identifikationspotenzial haben indes die Moritaten aus dem Well’schen Heimatdorf Hausen, denn der dortige Alltag mit als Gemeinderatssitzungen getarnten „Eigentümerversammlungen“, vehement bekämpfter Energiewende, offen angefeindeten Flüchtlingen (überhaupt müsse man ja erst noch vier Sachsen integrieren!) und am Bolzplatzrand handgreiflich werdenden Fußballermuttis dürfte in der einen oder anderen Form in vielen Kommunen bekannt sein. Schön schelmisch kommt dagegen der zur „Kindergartenrallye“ umgeschriebene „Erlkönig“ Goethes daher, ein autobiografisch geprägter Dialog zwischen Papa Hans und „Sohnemann“ Sebastian, bei dem sich unter anderem ein Fahrer aus Fürth als hinderlich für das pünktliche Erreichen der Erziehungseinrichtung erweist und der rasende Vater am Ende zum dritten Mal zum „Depperltest“ muss.

Sebastian Gröller, der letztes Jahr sein Trompeten-Studium abschloss, ist übrigens ein würdiger Ersatz für den übergangsweise an eine Weltreise verlorenen Jonas Well. Ebenfalls brillant beherrschen Sarah und Tabea Well ihre Instrumente und Stimmen, wobei Erstere die forsche und kecke Frontfrau mimt und die kleine Schwester mitunter ganz kükenhaft wirkt, um plötzlich eine krasse Pointe zu bringen oder ein verrücktes Tempo an der Geige vorzulegen. Keine Frage, das Quartett weiß mit Wörtern und Musik zu hantieren, und die Patzerchen bewertet das Publikum im zum Bersten gefüllten Stadel eher positiv, weil sie der Live-Performance besondere Authentizität verleihen.

Der größte „Fauxpas“ ist für die Zuhörer sicherlich, dass das Familienoberhaupt nach einer einzigen Zugabe vor weiteren Liedern kapitulieren muss, doch die Stimmbänder wollen leider nicht länger mitspielen. Sei’s drum – die beiden Well-Generationen haben in der ihnen fremden Region bleibenden Eindruck hinterlassen, und die Jugend hat, so der Grundtenor des Abends, überdies gezeigt, dass sie ihr gewichtiges Erbe mühelos, genussvoll, einfach höchst talentiert verwaltet.

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