Kritischer Appell an die Bauern
27.11.2010, 19:18 UhrKein Wunder, schließlich ist Ritzer noch aus seiner Zeit als Redaktionsleiter des Weißenburger Tagblatts als kritischer Journalist bekannt, „der sich nicht nur Freunde gemacht hat“, stellte Vl F-Vorsitzender Erwin Börlein den über 70 Zuhörern im Saal den Gast des Abends vor. Ritzer selbst spannte zunächst einen weiten historischen Bogen. Im Mittelalter hätten die Bauern einen „geknechteten Stand“ gebildet, seien aber später zu „Königen in den Dörfern“ avanciert. Doch das habe sich nach dem Zweiten Weltkrieg „schleichend, aber nachhaltig geändert.“ Dass der Fernsehsender RTL heutzutage mit dem öffentlichen Vorführen von Landwirten einen Quotenhit landen könne, zeige deutlich, dass die Landwirtschaft um ihr Ansehen in der Bevölkerung stark ringen müsse. „Oder können Sie sich eine Serie mit dem Titel „Polizist sucht Frau“ vorstellen?“ fragte Ritzer provozierend in die Runde.
Über das Imageproblem könne auch die Emnid-Umfrage nicht hinwegtäuschen, bei der die Landwirte hinter Ärzten und Lehrern als drittwichtigste Berufsgruppe in Deutschland eingestuft wurden. Dieser Umfrage entgegen stünde eine vorherrschende öffentliche Meinung, nach der „die Landwirtschaft seit Jahrzehnten von Milliarden an Subventionen lebt und trotzdem jammert“. Die Bauern sollten selbst ihren Berufsstand nach außen positiv, offensiv, transparent und natürlich glaubwürdig vertreten,forderte der Journalist. Als Beispiele dafür, wie es nicht funktioniert, führte er einige Begebenheiten aus seinem eigenen journalistischen Alltag an. So sei er beispielsweise einmal auf einer Demonstration von Landwirten vor einem Discounter gewesen, wo diese gegen die billigen Milchpreise protestierten. Nach einer halben Stunde seien genau diese Bauern in eben diesen Discounter zum Einkaufen gegangen.
Ritzer beklagte ebenso die mangelnde Bereitschaft seitens des Berufsstands, sich und seine Betriebe nach außen positiv präsentieren zu wollen. Wenn er Handwerker interviewe, öffneten sich ihm Türen. „Bei Landwirten ist das anders“, so der Weißenburger. Dort blieben die Türen oft zu,aus Angst vor Neid und Gerede. „Sie müssen sich doch nicht rechtfertigen, wenn Sie zehn Kühe mehr im Stall haben“, drückte der Journalist sein Unverständnis über ein solches Verhalten aus. Wenn sich ein Berufsstand auf diese Weise abschotte, brauche er sich nicht zu wundern,wenn in der Öffentlichkeit ein falsches Bild von ihm entstehe. Dieses Bild sei aber auch dadurch geprägt, „dass die Politik den Bauern das unternehmerische Denken ausgetrieben hat und sie es sich auch haben austreiben lassen“, spielte Ritzer auf die Subventionspraxis an. Dadurch sei der Landwirt zum unmündigen Empfänger von Finanzhilfen geworden, der sich nicht mehr am Markt, sondern an den Fördermitteln orientiere – als „Spielball der Bürokraten in einem kranken Subventionssystem“.
Diesbezüglich solle man sich auch nicht von den eigenen Berufsverbandsspitzen in Sicherheit wiegen lassen, da diesedurch dieÜbernahmezahlreicher weiterer Neben- und Ehrenämter selbst in einem Interessenskonflikt stünden. Es gelte vielmehr,das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Und dabei „keine Glaubenskriege“, beispielsweise zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft anzuzetteln, sondern den eigenen Betrieb nach rein unternehmerischen Aspekten zu optimieren. Mal sei eben das eine, mal das andere sinnvoller.
Auch bei der Diskussion um Energiepflanzen solle die ökonomische Orientierung die entscheidende sein. „Entwickeln Sie Ihr eigenes Geschäftsmodell und lassen Sie sich nicht moralisch attackieren“, appellierte Ritzer, „auf Ihren Feldern wachsen keine Waffen!“ So mischten sich in die Aussagen des Journalisten immer wieder ermutigende Worte.
Sie bestimmten dramaturgisch gut durchdacht auch das Ende seiner Rede: „In den klimatisierten Großstadtbüros träumt man von ländlicher Idylle.“ Genau darin liege eine große Chance für die gesamte ländliche Region. Um sie zu nutzen, müsse der Landwirt im Kleinen beginnen und den Wandel auf dem Dorf aktiv mitgestalten. „Düngen Sie nicht am Wochenende und verzichten Sie auf nächtliche Traktorfahrten“, gab Ritzer ganz praktische Tipps. Denn die angesiedelten Neubürger auf dem Dorf müssten als Verbündete gewonnen werden. „Die Imagewerbung muss an der eigenen Kuhstalltür beginnen“, forderte der Redner. „Öffnen Sie Ihre Höfe, erklären Sie Ihre Arbeit und Ihre Leistungen, die Sie für Tiere, Natur und Allgemeinheit erbringen“. Ritzer sorgte mit seinen gedanklichen Ansätzen für reichlichen Gesprächsstoff, wie die anschließende rege Diskussion bewies.