Leser halten Leser auf dem Laufenden

25.8.2014, 22:00 Uhr
Leser halten Leser auf dem Laufenden

© Marianne Natalis

Mittlerweile allerdings haben die Männer keine Berührungsängste mehr und stellen ebenso wie die weiblichen Bibliothekskunden pünktlich zu den beiden Buchmessen in Frankfurt und Leipzig Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt vor.

Als Monika Wopperer 1999 die Leitung der Gunzenhäuser Bibliothek übernahm, wollte sie neue Akzente setzen, unter anderem zum internationalen Frauentag am 8. März. Das Büchereiteam lud zum Frauen-Literaturcafé und die Veranstaltung wurde auf Anhieb ein Erfolg. Denn dahinter steckt eine Idee, die so einfach wie erfolgreich ist: von Lesern für Leser. Die Kunden der Bücherei erhalten nicht etwa Anregungen von professionell geschultem Personal, sondern geben ihre eigenen Tipps an die Besucher der Bücherei weiter.

Durchschnittlich 40 Besucher

Das Konzept funktionierte so gut, dass schnell eine „gemischte“ Variante im Herbst dazukam. Eine Zeitlang lag der Fokus beim Frühlingstreffen noch auf dem Frauengedanken, doch mittlerweile stehen die Neuerscheinungen unbeachtet einer etwaigen geschlechtlichen Ausrichtung im Zentrum des Interesses. Und das ist immer wieder groß: Um die 40 Besucher zählt die Bücherei im Durchschnitt an diesen Abenden. In der Regel werden rund 20 Bücher vorgestellt, und zwar ohne jede Berührungsängste. Die Auswahl reicht vom historischen Roman bis zum Thriller, vom Kochbuch bis zum Psychoratgeber.

Die Mischung macht’s, das gilt nicht nur für die verschiedenen Sparten, sondern natürlich auch für die unterschiedlichen Menschen, die das Literaturcafé zu so einer lebendigen Veranstaltung werden lassen. Es gibt spontane Kurzbesprechungen ebenso wie ausgefeilte Referate, und in dieser ganzen Vielfalt wird es eines ganz bestimmt nicht: langweilig.

Und es geht erfrischend subjektiv und meinungsfroh zu. Bücher werden verrissen, dass es eine Freude ist, oder in den Himmel gelobt, manche entpuppen sich nach fulminantem Start als gähnend langweilig, andere reißen erst nach 100 Seiten mit. Natürlich geht es darum, den Inhalt des Romans oder Sachbuchs kurz zu umreißen, doch das Sahnehäubchen am Literaturcafé ist die sehr individuelle Besprechung, die jeder Einzelne liefert. Hat es gefallen? Hat die Geschichte einen zu Tränen gerührt? Kam man aus dem Lachen nicht mehr heraus? Das sind die Fragen, die an diesem Abend von Bedeutung sind.

Es geht darum, „sich Bücher zu empfehlen“, fasst es Babett Guthmann im Gespräch zusammen, die Leser bekommen einen „sehr persönlichen Bezug“ zu ihrem Buch und teilen diesen auch mit. Ebenfalls erwähnenswert ist, dass auch Bücher ein Sprachrohr erhalten, das ist Babett Guthmann wichtig, die in den Feuilletons dieser Welt keine Rolle spielen.

Von Roman bis Sachbuch

Wer will, kann selber ein Buch vorschlagen, viele Neuerscheinungen hält aber auch die Bibliothek vor. Babett Guthmann verteilt sie dann an die treuen Rezensenten. Groß ist dabei in der Regel die Spannung, welchen Roman, welches Sachbuch man diesmal in die Hand gedrückt bekommt, und nicht selten fragen sich die Leser, was einem die Büchereimitarbeiterin mit ihrer Auswahl sagen will. Da hört Babett Guthmann schon mal ein „ich bin überhaupt nicht in dieses Buch hineingekommen“, ebenso kommt es vor, dass Leser ihr erstes Buch zurückbringen und ein neues fordern.

Abgerundet wird das Treffen meist mit einem kleinen kulinarischen i-Tüpfelchen. Das Büchereiteam, das – wie übrigens auch Vertreter der örtlichen Buchhandlungen – selbstredend ebenfalls Bücher vorstellt, kredenzt in der Pause gerne kleine Kostproben aus neuen Kochbüchern. Ein schöner Brauch, der unter der neuen Büchereileiterin Carolin Bayer beibehalten wurde und hoffentlich auch beim nächsten Literaturcafé, voraussichtlich am Donnerstag, 23. Oktober, seine Fortsetzung findet.

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