"Liebesgaben" an Pfofelder Soldaten

18.11.2014, 02:00 Uhr

© Thomas Rex

Viele von ihnen dankten der Tochter des Schuhmachermeisters Georg Michael Näpfel auf Feldpostkarten, die Babette feinsäuberlich aufbewahrte. Was sie jetzt zur Hauptfigur eines außergewöhnlichen TV-Films macht, den der Bayerische Rundfunk am morgigen Mittwoch, 19. November, um 22 Uhr sendet.

Die Idee zu diesem Film hatte „Frankenschau“-Moderator Thomas Rex, der selbst in Pfofeld wohnt. Dort hatte er sich vor fünf Jahren jenen Bauernhof gekauft, in dem einst Babette Näpfel gewohnt hatte. Ein Zufall – und beileibe nicht der einzige auf dem langen Weg zum Film „Feldpost an Fräulein Näpfel – Franken im Ersten Weltkrieg“.

Denn irgendwann brachte ihm ein Nachbar jene Blechschachtel vorbei, in der Babette die rund 240  Postkarten aufbewahrt hatte: Die gehöre schließlich zu seinem Haus. Und irgendwann war der Historiker Ralf Rossmeissl zu Besuch, der erzählte, dass er gerade an einer Ausstellung von Feldpostkarten für das Fränkische Freilandmuseum arbeite. Thomas Rex erinnert sich: „Meine Frau Bea sagte: ,Da haben wir doch auch welche’, holte die Kiste und zeigte sie Rossmeissl.“ Der war begeistert – und die Film-Idee nahm Gestalt an.

Der 45-Minuten-Streifen beginnt mit einer Szene aus dem Fränkischen Freilandmuseum, wo die historischen Spielszenen gedreht wurden: Eine Postbotin fährt – vorbei an einer Schar Gänse – mit dem Fahrrad zu jenem Hof, auf dem Babette mit ihrer Familie lebte, und übergibt ihr einige Briefe und Postkarten. „Die Szene mussten wir viermal drehen, weil die Vögel nicht so liefen, wie wir uns das vorstellten“, schmunzelt Rex, der für die gespielten Szenen Darsteller aus seinem engsten Arbeitsumfeld engagierte: Babettes Vater ist der Leiter der BR-Fahrbereitschaft, die Mutter seine Sekretärin, und Babette selbst wird von seiner Hospitantin gespielt. „Sie musste 14 Tage lang überlegen, ob sie das wirklich möchte“, sagt Rex, „denn eigentlich ist sie sehr schüchtern.“ Das Ergebnis findet er jedoch – zu Recht –  „richtig gut gelungen“.

In der Folge kann man die junge Pfofelderin vor allem beim Packen von Paketen, sogenannten „Liebesgaben“, bei der Arbeit auf dem Hof und beim Lesen jener Karten beobachten, die ihr die Soldaten von der Front dankbar zurückschickten. Aus dem Off hört der Zuschauer dazu die knappen und bisweilen sprachlich ungelenken Texte, die offenbaren, dass etliche der 86 jungen Pfofelder, die damals zum Kriegsdienst eingezogen worden waren, nur eine sehr schmale Schulbildung hatten genießen können: „Weis aber nicht wie lange es tauert. In der Hoffnung recht bald von Dir Andwort …“

Interessant machen den Film auch historische Aufnahmen, die zwischendurch immer wieder kurz den Verlauf des Krieges skizzieren, ehe es wieder zurück auf den Hof von Babettes Eltern geht – oder zu Ralf Rossmeissl, der wiederholt bei seiner Suche nach weiteren Zeitdokumenten mit der Kamera begleitet wird. Das Medium Feldpostkarten hält der Historiker vor allem deshalb für besonders interessant, weil es die Machthaber schon sehr früh und massenhaft als Propaganda-Instrument einsetzten: „Geschätzte 28,7 Milliarden Feldpostsendungen wurden während des Ersten Weltkriegs hin und her befördert“, schreibt er in einem Begleitbuch zu seiner Ausstellung über den „Ersten Weltkrieg im ländlichen Franken“ (noch bis 14. Dezember im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim).

Tag für Tag stellten Postboten also fast 17 Millionen Sendungen zu, viele davon kriegsverherrlichend oder zumindest -verharmlosend – etwa jene Aufnahmen, in denen schon Babys in die Soldaten-Uniform gesteckt wurden und so vermitteln sollten, dass der Krieg nicht viel mehr als ein Kinderspiel sei.

Dass die Realität ganz anders war, dass die Soldaten unter unmenschlichen Bedingungen vegetierten und zu Hunderttausenden elendig und buchstäblich verreckten, belegen auch die schockierenden Zahlen aus Pfofeld. Aus dem Dorf, das damals nur 500 Einwohner zählte, zogen 86 junge Männer in den Krieg; 32 von ihnen fielen an der Front, eine Gedenktafel im Ort erinnert an sie. Und jene Todesanzeigen, die Ralf Rossmeissl auf vergilbten Seiten im Archiv des Altmühl-Boten entdeckte und aus denen er vor laufender Kamera in der Redaktion des AB zitiert.

Besonders eindrucksvolle Bilder gelangen Thomas Rex und seinem Regisseur Jürgen Rust gegen Ende des Films, als Babette per Post die Nachricht vom Tod ihres – fiktiven – Verehrers Michael erhält. Rex: „Diese zarte Liebesgeschichte ist das Einzige, was wir uns für den Film ausgedacht haben. Alles andere ist historisch belegt.“

Lange und ausdruckslos starrt die junge Frau auf die Karte, auf der das Grab des Geliebten abgebildet ist. Auf dem schlichten Holzkreuz sind nur sein Name, der Todestag und seine militärische Einheit zu lesen. Und wenn sich dann gramgebeugte, schwarz gekleidete Frauen – dargestellt von Mitgliedern des Frauenkreises und der Kirchengemeinde Pfofeld – zur Dorfkirche aufmachen, um dort der Trauerfeier für Michael beizuwohnen, hat der Zuschauer endgültig einen dicken Kloß im Hals.

Ein bewegendes Stück Fernsehen, für das man sich am Mittwoch unbedingt Zeit nehmen sollte.

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