Opulentes Theaterfest gefeiert

2.7.2015, 20:00 Uhr
Opulentes Theaterfest gefeiert

© Babett Guthmann

Sorge Nummer zwei: Felix Hubys „25 Sommer – Geschichten und Geschichte aus den aufregenden Jahren 1945 bis 1970“ könnte als langatmige Geschichtsstunde, gespickt mit herzlosen Daten und Fakten, in Szene gesetzt werden. Sorge Nummer drei: Schaffen es die Regisseurinnen Elke Kolb und Ingrid Bayer, aus den 45 Laiendarstellern im Alter von fünf bis 65 Jahren eine ernsthaft und doch locker agierende Schauspieltruppe zu machen?

Als nach der Premiere der Applaus gar nicht mehr abreißen wollte, war klar: Die Pfofelder – und es spielt ja tatsächlich ein Großteil des Ortes mit oder hat bei Bühnenbau, dem Masken-Team, bei Technik und Catering die Finger im Spiel – spielen alle Sorgen in den Wind,  machen aus ihren 25 Sommern ein unvergessliches Theaterfest, das man sich wirklich nicht entgehen lassen sollte: Zu den Vorstellungen am 3. und 4. Juli, am 24. und 25. Juli, am 31. Juli und 1. August, also immer freitags und samstags, immer um 20.30 Uhr gibt es ab 19.30 Uhr Karten an der Abendkasse direkt bei der Kapellenruine.

Nachdem sich also die Regenwolken pünktlich verzogen hatten, startet die Zeitreise der „25 Sommer“ im Frühjahr 1945, kurz vor Kriegsende. Die harmlosen Kinderspiele in der Pfofelder „Schwärz“, einer Schrebergartensiedlung am Ortsrand, müssen wegen des Bombenalarms unterbr1ochen werden. Über das Ausbleiben von Hitlers Endsieg wird hinter vorgehaltener Hand geredet, wenngleich es sich der ein oder andere als Ortsgruppenführer oder Mitläufer ganz bequem im nationalsozialistischen Alltagsregime eingerichtet hat.

Fünf Familien dürfen die Zuschauer von 1945 in die Nachkriegszeit, in die Zeit des Wirtschaftswunders bis in die wilden 1970er begleiten. Die Kögels, die Steinhardts, die Leibingers, die Meiers und die Pahlkes sitzen im Strom der wirtschaftlichen und politischen Ereignisse keinesfalls am Steuerruder, doch in ihrem Leben spiegelt sich dennoch und mitunter sehr schmerzlich die große Politik.

In erster Linie erzählen die „25 Sommer“ Geschichten von meist nicht ganz vollständigen Familien: Zuerst sind die Väter im Krieg, kehren sie zurück, bleibt dennoch eine große Sprachlosigkeit zwischen den Ehepartnern. Im Nachkriegsdeutschland muss so manch einer seine Strafe als Mittäter abbüßen. In den goldenen 1950er-Jahren haben Ehebruch und Trennungen Konjunktur und es gibt in der Pfofelder Siedlung ungezählte erwünschte und weniger erwünschte Schwangerschaften. Die ganze Palette der kleinen und großen Alltagsdramen wird von den Vor­hangreißern temperamentvoll in Szene gesetzt, wobei der schlitzorige Pragmatismus der kleinen Leute für viele heitere Momente sorgt und die sanges- und tanzfreudigen Vorhangreißer auch musikalische Zeitgeschichte zum Besten geben: vom völkischen Liedgut über die Schlager der 1950er bis zu Rock-and-Roll und Flower-Power-Music.

In der ursprünglichen Bühnenversion hat Krimiautor und Tatort-Schreiber Felix Huby gemeinsam mit Hartwin Gromes sogar 55 Sommer zu einer zeitgeschichtlichen Revue montiert, die Pfofelder haben hier den Rotstift angesetzt und gekürzt. Andere Szenen wurden von Elke Kolb – in Absprache mit den Autoren – eingefügt: Zahllose Gespräche mit Pfofeldern, die sich noch an die Kriegs- und Nachkriegsjahre erinnern können, wurden geführt.

So entstanden nach den alten Geschichten drei Szenen mit viel Lokalkolorit. Es wird erzählt, wie kurz vor Kriegsende die „Lufthauptmunitionsanstalt“ in Langlau gesprengt werden sollte. Aus Angst vor zu großen Schäden hat ein Müller damals einige der Zündschnüre gekappt. Dennoch mussten alle Langlauer damals ihre Häuser verlassen, da niemand wusste, wie groß die Druckwelle sein würde. In Langlau wurden Häuser durch die Explosion eines Munitionszugs abgedeckt und die Druckwelle soll sogar die Scheiben in der Thannhäuser Kirche beschädigt haben. Weitere Episoden aus der Pfofelder Dorfchronik werden ins Stück aufgenommen, so auch die Geschichte von den Nürnberger Hamsterern und der gewitzten Schnorrerin, die den Leuten ein langes Leben und einen herausragenden Charakter aus den Handlinien las und dafür stets mit großzügigen Gaben belohnt wurde. Schön, dass diese Geschichten auch in dem ausführlichen Programmheft nochmals nachzulesen sind!

Ein Schauspiel-Star des Abends konnte übrigens nicht ausgemacht werden. Da gibt es zwar zwei sehr streitlustige und überaus authentische Damen, einige Kriegsheimkehrer, die sich trotz Wiedersehensfreude nicht von ihren Kriegserlebnissen freimachen können, eine ganze Horde kecker Kinder, einen schlagerträllernden Heimatvertriebenen, biegsame Hippie-Girls und eine unschlagbare Elvis-Imitation und, und, und. Doch der Star ist die Mannschaft und damit sei auch die grandiose Regieleistung von Elke Kolb und Ingrid Bayer hervorgehoben: Meist sind 15 Darsteller gleichzeitig im Schrebergartengelände unterwegs und jeder kennt seine Aufgaben und Bühnenwege aus dem ff. Der Star ist die Mannschaft!

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