Polizist Bruno bekommt harte Nuss zu knacken

8.5.2015, 07:00 Uhr
Polizist Bruno bekommt harte Nuss zu knacken

© Marianne Natalis

Nach zuletzt eher etwas seichteren Plots wendet sich Martin Walker wieder einem ernsteren Thema zu. Bruno bekommt es diesmal mit extremistischen Muslimen, dem Dschihad und dem Krieg in Afghanistan zu tun. Es sei ihm, erzählt Walker in fast perfektem Deutsch, ein Anliegen gewesen, diese „große Herausforderung“ für Europa in einem seiner Bücher zu thematisieren.

Dass ihn die Wirklichkeit mit dem brutalen Anschlag auf die französische Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ weit überholt hat, ist dabei trauriger Fakt. Damals bereitete der Schweizer Rundfunksender „Suisse television“ gerade eine kapitelweise Lesung seines neusten Buchs vor. Einen Tag nach dem Terrorakt in Paris erhielt Walker einen Anruf seines Verlags, ob er von dem Vertrag zurücktreten wolle. Nein, er wollte nicht, er wolle sich nicht von Extremisten einschüchtern lassen, begründet er dies in Weißenburg.

Der Gemeindepolizist Bruno, eigentlich für entlaufene Hunde, das Meldeamt oder die Straßenabsperrung bei Festivitäten zuständig, wird einmal mehr in einen brutalen Mordfall verwickelt. Bei einer stillgelegten Müllkippe wird der Leichnam eines Mannes gefunden, der vor seiner Hinrichtung offensichtlich brutal gefoltert worden war. Sofort ist Bruno klar, dass es sich dabei um Rafiq handeln muss, einen Geheimagenten des Innenministeriums, der ihn in der vergangenen Nacht über ein spezielles Handy kontaktiert hatte.

Eine Geschichte um die unschuldigen Opfer von Krieg und Gewalt kündigt Martin Walker bei der Premiere seiner Lesereise durch Deutschland an und macht die Zuhörer gleich mit dem ersten bekannt: Sami Belloumi taucht eines Tages in einem französischen Stützpunkt in Afghanistan auf und bittet dort um Hilfe, er wolle zurück in seine Heimatstadt Saint-Denis. Tatsächlich fehlt von Sami seit drei Jahren jede Spur. Als kleines Kind war er nach der Ermordung seiner Eltern schwer traumatisiert zu Verwandten nach Frankreich gekommen. Die hatten für den autistischen Jungen keine passende Schule gefunden und ihn schließlich in ein einer Moschee in Toulouse angegliedertes Internat gegeben. Von dort war er eines Tages verschwunden.

Völlig verängstigt, abgemagert und in Mudschaheddin-Gewänder gehüllt, taucht er nun wieder auf. Natürlich schafft es Bruno, den Jungen nach Frankreich zu holen, doch dort interessiert sich nicht nur der französische Geheimdienst für den technisch hochbegabten jungen Mann, die Amerikaner verlangen seine Auslieferung. Denn es gibt Hinweise, dass Sami der seit langem gesuchte „Engineer“ ist, dessen Bomben in Afghanistan für viel Unheil gesorgt haben.
Mit einem zweiten Erzählstrang taucht Walker einmal mehr in Frankreichs Vergangenheit ab: David und Maya sind ebenfalls unschuldige Kriegsopfer. Die beiden jüdischen Kinder wurden 1943 vor einer groß angelegten Verhaftungswelle der Nazis gerettet und in Saint-Denis versteckt. Nun ist David gestorben und will sich posthum für diese Rettung erkenntlich zeigen. Doch weder Bruno noch sein Bürgermeister haben je davon gehört, dass jüdische Kinder in ihrem Städtchen Obhut gefunden hatten, Bruno beginnt zu recherchieren.

Martin Walker arbeitete, bevor er sich seinen Bruno-Romanen widmete, 27 Jahre lang als Journalist für die britische Tageszeitung „The Guardian“, ist Autor zahlreicher Sachbücher und heute noch Mitglied eines „think tanks“ für Topmanager in Washington, seinem zweiten Wohnsitz. Er hat das, was man ein fundiertes Hintergrundwissen über politische und historische Zusammenhänge nennt, und lässt dies auch immer wieder unaufdringlich in seine Romane einfließen. Zusammen mit einer großen Portion Romantik, ein bisschen Liebe, viel Humor und gutem Essen macht das die Bruno-Bücher zu einer runden Sache.

Natürlich verraten weder Walker – der aus der englischen Originalausgabe „Children of War“ liest – noch der Weißenburger vhs-Leiter Andreas Palme, der den deutschen Part dieser zweisprachigen Veranstaltung übernommen hat, zu viel. Beide machen vielmehr mit ein paar Kapiteln „amuse gueule“ Lust auf mehr.

Solche kleinen Appetithäppchen warten im Anschluss an die Lesung auch auf das Publikum. Mit kleinen Lauchquiches, karamellisierten und mit Ziegenkäse gefüllten Champignons sowie Weißbrot mit Entenleberpastete serviert Mathias Meyer seinen Gästen Kostproben aus Brunos Kochbuch, das Martin Walker bei seiner Promotiontour ebenfalls im Gepäck hat. Die Bilder zu den Rezepten seien, versichert der 1947 in Schottland geborene Autor, in seiner Küche und seinem Garten im Périgord entstanden und gewähren einen ganz persönlichen Blick auf den sympathischen Autor, der trotz seines enormen Erfolgs keinerlei Star-Allüren pflegt.

Martin Walker: Provokateure. Diogenes, 427 Seiten, 23,90 Euro, ISBN 978-3-257-06928-0.

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