Raub, Drogen und Gewalt in Gunzenhausen

10.2.2017, 06:31 Uhr
Raub, Drogen und Gewalt in Gunzenhausen

© Jürgen Eisenbrand

In Handschellen, begleitet von zwei Polizeibeamten, wird der Hauptangeklagte ins Gerichtsgebäude gebracht: Alexander D.*, ein 22 Jahre alter, berufsloser Muskelprotz aus Gunzenhausen, scheinbar vor Selbstbewusstsein strotzend, am Gerichtseingang begrüßt er Bekannte mit einem coolen Augenzwinkern. Er sitzt derzeit in Haft, eine Art der staatlichen Zwangsunterbringung, die er nicht zum ersten Mal erfährt. Wegen verschiedener Gewaltdelikte ist er vorbestraft, mehrere Jahre verbrachte er bereits im Gefängnis.

Auf der Anklagebank neben ihm sitzen vier weitere junge Männer im Alter von 17 bis 24 Jahren, drei von ihnen leben in der Altmühlstadt, einer in Schwabach. In erster Instanz verurteilte eine Amtsrichterin das Quintett zu Haftstrafen zwischen dreieinhalb Jahren Gefängnis - für Alexander D. - und sechs Monaten Jugendstrafe auf Bewährung. Das war dem Staatsanwalt zu milde und den Anwälten zu hart - weshalb beide Seiten in Berufung gingen.

Die Liste der Vorwürfe gegen die fünf ist lang - wobei freilich nicht jeder von ihnen in allen Punkten beschuldigt wird: räuberische Erpressung, schwerer Raub und die Beihilfe dazu, Raub, Drogenhandel, unerlaubter Waffenbesitz. In insgesamt vier Fällen sollen sie ihr Opfer, den damals 15 Jahre alten Peter S.* aus Muhr am See, "abgezockt" haben, wie es mehrfach während der Verhandlung hieß. Kein Wunder, dass sich auf dem Tisch des Vorsitzenden Richters Jürgen Krach ein Berg aus 20 Akten auftürmt.

Zur Sache äußern will sich nur einer der Angeklagten: der von der Gunzenhäuser Rechtsanwältin Sigrid Niesta-Weiser verteidigte Lewan P.*, ein 17 Jahre alter Verkäufer aus Gunzenhausen. Er gesteht, dem Opfer bei zwei Gelegenheiten Geld, Kleidung, Waffen und diverse Drogenutensilien abgenommen zu haben - alles auf Geheiß von Alexander P., dem Wortführer der Gruppe.

Peter S. habe wohl "Schulden" bei Alexander P. gehabt, deshalb sei er zusammen mit dem Teenager in dessen Zimmer gegangen, um sie einzutreiben. "Ich sollte nach Geld schauen", sagt der Jugendliche. Und er habe schließlich auch 450 Euro gefunden, eine Summe, die von der, die er in der ersten Instanz nannte (250 Euro) erheblich abweicht.

Zeugen mit erstaunlich schlechtem Gedächtnis

Ungenauigkeiten, Erinnerungslücken, abweichende Aussagen - nicht nur Lewan P. stellte Richter Jürgen Krach immer wieder auf eine harte Geduldsprobe. Auch Peter S., der als Zeuge vernommen wurde, konnte sich an viele Details nicht mehr erinnern oder wich von früheren Aussagen ab. Ebenso vier jugendliche Zeugen, die bei verschiedenen Anlässen in Tatortnähe waren, die aber nichts Wesentliches beobachtet haben wollen - und ansonsten unter einem erstaunlich schlechten Gedächtnis litten.

Und so setzt sich aus vielen kleinen Puzzlesteinen ein immer noch etwas vages Bild der Taten zusammen: Erstmals trafen Opfer und Täter im Spätherbst 2015 auf dem Parkplatz des Gunzenhäuser Waldbads aufeinander. Dort erleichterte laut Anklage Alexander D. sein Opfer um etwa 60 bis 70 Gramm Marihuana im Straßenverkaufswert von etwa 900 Euro.

Weitere dreimal wurde der 15-Jährige, gegen den in Weißenburg ein Verfahren wegen Drogenhandels anhängig ist, dann an der Altmühlbrücke in Muhr am See "abgezockt", wo er jeweils Geld und Wertsachen aus seinem Zimmer holen und abliefern musste. Der Grund in jedem der Fälle: angebliche "Schulden", die der schmale, unscheinbare Knabe bei Andreas D. gehabt haben soll. Ein Polizeibeamter, der das Opfer vor etwa einem Jahr, nachdem es endlich Anzeige erstattet hatte, vernommen hatte, erinnerte sich: "Peter S. sagte, ihm werde vorgeworfen, dass er Drogen in einem fremden Revier verkaufe; deshalb müsse er zahlen."

Die Angst des Opfers

Ganz wesentlich für die Urteile des Amtsgerichts war die Angst, die das Opfer angeblich vor dem körperlich weit überlegenen Alexander D. hatte. Der habe ihm schon auf dem Freibad-Parkplatz gedroht, "ihm gerne ein Brett geben" zu wollen - ein Satz, der nachgewirkt und ihn gefügig gemacht habe. Und der auch maßgeblich das Urteil vor dem Amtsgericht begründete.

Deshalb bohrten sowohl der Richter wie auch Staatsanwalt und Verteidiger bei diesem Punkt, der Gewaltandrohung durch Alexander D., immer wieder nach. Häufig vergeblich: Zwar beteuerte das Opfer, er habe sich der Erpressung nur aus Angst gefügt, "dass sonst etwas Schlimmeres passiert". Aber die Zeugen beriefen sich immer dann, wenn es konkret um diese Frage ging, zumeist darauf, nichts gesehen oder gehört zu haben – oder sich nicht erinnern zu können. Zum Teil nicht einmal daran, dass sie sich bei der polizeilichen Vernehmung beziehungsweise vor dem Amtsgericht sehr wohl noch an wichtige Details erinnert hatten – die sie nun bestritten oder vergessen hatten.

Der Prozess wurde am Donnerstag mit der Vernehmung weiterer Zeugen fortgesetzt, für den späten Nachmittag waren die Plädoyers vorgesehen, am Abend, so der Wunsch des Vorsitzenden Richters, sollte unter Umständen noch das Urteil gesprochen werden.