Renommierte Klänge aus Gunzenhausen

25.10.2010, 13:58 Uhr
Renommierte Klänge aus Gunzenhausen

© Neidhardt

Sein Name und sein außergewöhnliches kompositorisches Schaffen sind vielen Filmemachern mittlerweile ein Begriff. Thommy Dietrichs großer Traum, einmal einen großen Hollywood-Streifen zu vertonen, könnte in nicht allzulanger Zeit Wirklichkeit werden. Die Liebe zur Musik wurde dem gebürtigen Ludwigsburger quasi in die Wiege gelegt. Thommy Dietrich (39) stammt aus einer musikalischen Familie. Der Vater etwa spielt Schlagzeug und Trompete und Sohn Thommy begann bereits im zarten Alter von elf Jahren, am Klavier und an der Orgel die Welt der Musik für sich zu er­obern.

Die Faszination der Harmonien und Klänge ließ ihn fortan nicht mehr los, obwohl ihn sein Weg erst einmal in eine andere Richtung führte. Thommy Dietrich trat nach dem Fachabitur ein Elektronik-Studium an und erwarb sich an der Uni obendrein im Fach Wirtschaft fundierte Kenntnisse. Auf seinen Abschluss als „Master of Business Administration“ (MBA) darf er stolz sein.

Wenn Thommy Dietrich nicht in seinem Büchelberger Studio sitzt und an Klängen tüftelt, ist er für einen weltweit agierenden Elektronikkonzern in Sachen Geschäftsentwicklung unterwegs. Er ist hauptberuflich Elektro­ingenieur – und dies kommt ihm als Filmkomponist aus Leidenschaft sehr entgegen. Das Klavier ist bei modernen Komponisten wie Thommy Dietrich längst der computergesteuerten Audio-Workstation gewichen und der Wahl-Büchelberger bringt das nötige Wissen mit, um die komplexe digitale Technik optimal für sich zu nutzen. „Schon am Rechner können alle Instrumente nahezu in echt gehört werden“, schwärmt der 39-Jährige. Ob opulente Streichersätze, silbrige Trompeten oder fetzige Gitarrensounds, wenn Thommy Dietrich die Monitoranlage seines Büchelberger Studios aktiviert und sich dann ans Keyboard setzt, ist Gänsehautfeeling angesagt.

Spannungsbogen darf nicht abreißen

Thommy Dietrich komponiert, arrangiert und spielt Musik in den verschiedensten Bereichen und Stilen. Klassische Kompositionen für den Kinofilm finden sich genauso unter seinen Arbeiten wie elektronische Musik, Clubtracks, treibender Rock und Musik für Werbung. Er besitzt die Fähigkeit, „eine Geschichte musikalisch zu Ende zu erzählen“, wie er sagt. Als erfahrener Filmkomponist weiß er, wo­rauf es ankommt: auf die Wünsche der Regisseure eingehen und gleichzeitig eigene Ideen entwickeln. Der Wahl-Büchelberger, in puncto Komponieren ein Autodidakt, spürt, welche Musik zu einer bestimmten Szene passt. Die Kunst liegt für ihn darin, den Zuschauer von der ersten Szene an in den Film reinzukriegen und bis zum Abspann an das Leinwandgeschehen zu fesseln. „Wenn sich Bild, Schnitt und Musik nicht optimal ergänzen, ist dies nicht möglich“, ist Thommy Dietrich überzeugt.

„Man muss wissen, was der Film braucht, die Bilder in Klänge umsetzen, beim Zuschauer Emotionen auslösen“, beschreibt er seine Aufgabe bei der Filmproduktion. Dabei sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Etwa eine Filmszene, die vor Spannung nur so knistert, mit getragenen, düsteren Klängen zu unterlegen, um die Dramatik noch zu steigern.

Das rasante Tempo, von dem das Filmbusiness heutzutage geprägt ist, macht Thommy Dietrich nichts aus. Oftmals vergehen bei einem Kino­streifen vom ersten Sichten des Bildmaterials bis hin zum fertigen Produkt lediglich fünf bis sechs Wochen. „Das heißt, zehn Tage Zeit zum Komponieren, zehn bis 15 Tage zum Einspielen und die restliche Zeit zum Abmischen im Tonstudio“, beschreibt er die Abläufe. „Der Druck ist extrem groß, weil sehr schnell gearbeitet wird“, berichtet  Thommy Dietrich von seiner Arbeit. „Da kannst du dir nicht stundenlang überlegen, ob die eine oder andere Note passt oder nicht, es muss auf Anhieb stimmen.“ Der Druck stört Thommy Dietrich aber wenig, weil er das Komponieren aus dem Effeff beherrscht, weil es ihm Spaß macht und weil es ihm scheinbar mühelos von der Hand geht. Die Ergebnisse sprechen für sich.

Nicht selten geht die eine oder andere Nacht in seinem kleinen, aber feinen Heimstudio in Büchelberg drauf, in der der 39-Jährige an Rechner und Keyboard tüftelt. Und wenn unter den 200000 Sounds, die ihm zur Verfügung stehen, keiner dabei ist, der ihm zur Untermalung einer Szene so richtig zusagt, dann kreiert Thommy Dietrich kurzerhand einen neuen. Dass er hierfür die Fähigkeit und das nötige Ohr hat, kommt seinem kreativen Schaffen sehr zugute. Er kann die verschiedensten Genres bedienen und sieht in jedem Projekt, egal ob Krimi, Roadmovie oder Liebesfilm, „eine schöne Sache“.

Der Briefträger wars

„Es macht Spaß, weil du in alle möglichen Welten reingehen kannst“, liebt er die Vielseitigkeit seiner Komponistentätigkeit. Er lebt mittlerweile in der komfortablen Situation, den Aufträgen nicht mehr hinterherrennen zu müssen. „Die kommen heute zu mir“, sagt Thommy Dietrich, der es zwischenzeitlich auf über 600000 Einträge im Internet bringt. Es war in München, als der gebürtige Ludwigsburger erste Kontakte zur Filmbranche knüpfte. Ausgerechnet sein Briefträger war es, der in ihm das Feuer entfachte. Dieser erschien mal im Jogginganzug und mal in der Lederkluft und weckte so die Aufmerksamkeit Thommy Dietrichs, der damals in der Landeshauptstadt eine kleine Wohnung hatte. Ins Gespräch gekommen, stellte sich rasch heraus, dass der Briefträger eigentlich nur zum Zeitvertreib Post verteilt und eigentlich Filme vertont.

Der Einladung des Briefe zustellenden Komponisten, mal sein Studio anzuschauen, kam Dietrich gerne nach und fand hier rasch Gefallen an diesem Genre. Der Funke sprang über, aber es sollte noch einige Zeit dauern, bis Thommy Dietrich Gelegenheit hatte, in die Welt des Filmvertonens hineinzuschnuppern. Erst Monate später klingelte das Telefon mit dem „Briefträger“ am anderen Ende der Leitung. Dieser teilte mit, er habe einen großen Auftrag, allerdings keine Zeit für eine komplette Filmkomposition – und er würde diese Thommy Dietrich überlassen.

Über Nacht ein Shooting-Star

Der Ludwigsburger fackelte nicht lange und baute sich quasi über Nacht ein eigenes Studio auf, in dem er dann die passende Musik für den Film entwarf. Es war der Intependent-Streifen mit dem Titel „Nichts ist für die Ewigkeit“, der sehr erfolgreich in den deutschen Kinos lief. Quasi über Nacht avancierte Dietrich zum Shooting-Star der deutschen Filmmusik-Szene. Dies ist neun Jahre her und in der Zwischenzeit folgte eine ganze Reihe von Aufträgen für Fernsehproduktionen, Werbespots und natürlich Kinofilme. Zu den Glanzlichtern des kompositorischen Schaffens Thommy Dietrichs zählt der vietnamesische Blockbuster „Truyen Ben Ho“. Die rührende Story eines kleinen Vietnamesen, den sein Opa in eine Märchenwelt entführt, war für Dietrich quasi der Meisterbrief und nicht zuletzt dank der einfühlsamen Filmmusik in Asien ein Riesenerfolg.

Seine Wahlheimat Büchelberg hat der Ludwigsburger in den zwei Jahren, seitdem er hierhergezogen ist, längst ins Herz geschlossen. In seinem alten Bauernhof kann er in Ruhe arbeiten, findet die Menschen um sich herum „sehr nett“ und die Gegend „sehr inspirierend“. „Ich brauche für Filme die Weite, die hab’ ich hier gefunden“, sagt er. Zuvor lebte Thommy Dietrich „an mehreren Orten gleichzeitig“, hatte in Nürnberg und in München eine Wohnung. „Das war mir irgendwann zu blöd“, gibt er zu. Der Komponist entschied sich für ein Leben auf dem Lande.

Glamour reizt ihn wenig

Dass Filmkomponisten eher im Verborgenen agieren und nicht im Scheiwerferlicht der Öffentlichkeit stehen. macht dem 39-Jährigen nichts aus. Er genießt es vielmehr, als ganz normaler Mensch durch die Stadt laufen zu können. Er will als Tonkünstler nur einen guten Job machen. Das glamouröse Leben der Leinwandhelden reizt ihn nicht.
Ins Schwärmen gerät der gebürtige Ludwigsburger, wenn er von seinem jüngsten Projekt erzählt – der Sound für den Animationsfilm „Revolution 613“. Er hat das apokalyptische Endzeit-Epos des Nürnberger Regisseurs Berter Orpak klanggewaltig vertont und dabei eng mit dem Orchestrator David Zell, ein gebürtiger Nürnberger, der derzeit in Berlin lebt, zusammengearbeitet. Zell übertrug das, was Thommy Dietrich in seinem Studio ersann, in Partituren. Eingespielt wurde der Soundtrack dann in den Streetlive-Studios bei Fürth von den Nürnberger Symphonikern, wobei Zell den Taktstock schwang und Soundtechniker Roland Häring mit professioneller Hand das Mischpult bediente – ein Hauch von Hollywood im Frankenland, an dem Thommy Dietrich wieder einmal wesentlichen Anteil hatte.