Sänger stahl dem Stadt-Chef die Show

5.1.2015, 07:00 Uhr
Sänger stahl dem Stadt-Chef die Show

© Jürgen Eisenbrand

Der Musiker und Sänger Michael Gabler und seine Band begeisterten die etwa 800 Gäste und durften – anders als der OB – ohne Zugabe nicht von der Bühne.
Dabei hatte es auch die Rede des Stadtoberhaupts durchaus in sich. Ungewöhnlich deutlich für einen solchen Rahmen wurde er beispielsweise, als er auf den Fall des Linken-Stadtrats Erkan Dinar zu sprechen kam, der nach einem Ausraster auf der Weißenburger Kirchweih einen Strafbefehl wegen Körperverletzung erhalten hatte (wir berichteten mehrfach).

Ohne Dinars Namen zu nennen machte Schröppel, der sich als ehemaliger Richter mit Rücksicht auf das Prinzip der Unschuldsvermutung lange Zeit Zurückhaltung auferlegt hatte, deutlich, dass für ihn nach dem Strafbefehl klar gewesen sei, „dass nur noch ein Rücktritt als Schadensbegrenzung infrage kommt“. Leider sei seine Empfehlung ungehört verhallt, „und wir müssen nun damit leben, dass nach wie vor eine öffentliche Entschuldigung aussteht, stattdessen an einer Legende gestrickt wird und die eigenen Parteimitglieder als Daseinsberechtigung herhalten müssen. Traurig, aber wahr!“ Eine saftige Ohrfeige für Dinar und dessen Sympathisanten.

Prinzipiell lobte er freilich die Atmosphäre im neu gewählten Weißenburger Stadtrat und dankte den Abgeordneten für ihre „sachliche, kollegiale und konstruktive Zusammenarbeit. Es hat uns ausgezeichnet, dass wir den Pulverdampf des Wahlkampfes schnell aus dem Sitzungssaal geblasen haben und zum Wohle unserer Stadt zusammengearbeitet haben“. An dieser Stelle konnte sich der Rathaus-Chef einen Seitenhieb in Richtung Pappenheim nicht verkneifen – ohne freilich die Stadt namentlich zu nennen: „Schauen Sie in die eine oder andere Stadt in unserer Nachbarschaft, so werden Sie feststellen, dass gegenseitiges Blockieren aus parteitaktischen Überlegungen zum Stillstand führt.“ Was bei der Bürgerschaft dort beileibe nicht auf Verständnis stoße.

In Weißenburg sei das zum Glück anders, und so habe das Kommunalparlament in den letzten Monaten „enorm viele wichtige Projekte auf den Weg gebracht, die lange nachwirken werden“. Dazu zählte Schröppel die große Version einer Sporthalle mit Mehrzwecknutzung, die sowohl den Schulen und Vereinen nütze, als auch „die Zentralität der Stadt stärkt und uns die Möglichkeit gibt, unser Veranstaltungsangebot im kulturellen Bereich zu erweitern“. Da erwächst also womöglich der Gunzenhäuser Stadthalle ernsthafte Konkurrenz, und auch die Weißenburger Schulabgänger werden künftig wohl nicht mehr in die Altmühlstadt fahren müssen, um ihre Abschlusszeugnisse in gebührendem Rahmen feiern zu können.

Bedeutend seien 2014 außerdem das beschlossene Spielplatzkonzept, die Nutzung des Bahnhofs als „Vorzeigeobjekt“, gemeinsam mit der Lebenshilfe (die darin ein Café betreiben wird) und der Musikschule (die dort Proberäume und eine kleine Bühne für die Sparte Rock und Pop bekommen wird).

Über alle Parteigrenzen hinweg habe man zudem bei der Dettenheimer Umgehung endlich einen Durchbruch erreicht sowie Dorferneuerungs- und Neubauprojekte in Holzingen und Dettenheim angeschoben. Zudem sei der erste Abschnitt der Westtangente, die die B2 mit der Staatsstraße Weißenburg–Holzingen verbindet, ein volles Jahr früher als geplant in Betrieb genommen und so die Stadt von Verkehr entlastet worden. Und nicht zuletzt sei mit der Auftragsvergabe an die Telekom die Verbesserung der Internet-Anbindung ein gutes Stück vorangekommen.

Ein weiterer „Brocken“, so Schröppel, sei die umfassende Sanierung des Römermuseums. Den Stadträten gebühre Dank dafür, deren Notwendigkeit erkannt zu haben und „sich nicht mit einer halbherzigen Lösung“ zufriedengegeben zu haben. Denn Kultur sei „für die Zukuft einer Stadt und für ihre Lebensqualität ein eintscheidender Faktor“. Weißenburg verfüge als „Römerstadt über ein landesweites und bundesweites Alleinstellungsmerkmal“, das es auszubauen gelte. Ein 2015 erstmals veranstaltetes Römerfest auf dem sonst kaum genutzten Kastellgelände solle dazu beitragen.

Wenig Hoffnung machte Schröppel freilich jenen Aktivisten, die ein neues, anspruchsvolleres Profil für das Bergwaldtheater fordern. Schröppel sieht in dieser Frage „keinen dringenden Handlungsbedarf“; mit dem neuen Konzept, „weniger, aber zugkräftigere Veranstaltungen zu bieten, liegen wir nicht falsch“, was zuletzt gestiegene Zuschauerzahlen bewiesen.

Kritiker des Bergwaldtheater-Programms, das 2015 beispielsweise Konstantin Wecker, eine Abba-Show, die Oper „Freischütz“, eine A-capella- und eine Zirkus-Show aufbietet, sprechen hingegen spöttisch von einem „Kessel Buntes“ und vermissen eine klare Handschrift, bei der die Potenziale des besonderen Aufführungsortes genutzt werden. Doch „Weißenburg von heute auf morgen zu einer Festspielstadt zu machen“, so Schröppel, sei derzeit „weder finanziell noch von den Kapazitäten in der Stadtverwaltung her zu stemmen“.

Und das, obwohl die Kassen der Großen Kreisstadt gut gefüllt sind. Rund 11 Millionen Euro wird Stadtkämmerer Konrad Bender für 2014 an Gewerbesteuereinnahmen verbuchen können – eingeplant waren lediglich 8,25 Millionen. Und statt der ursprünglich geschätzten 10 Millionen Euro an Darlehen mussten tatsächlich nur 1,5 Millionen aufgenommen werden – zum Mini-Zinssatz von 0,5 Prozent. Allerdings, so warnte der Sozialdemokrat: „Die beschlossenen Investitionsprojekte werden uns die nächsten Jahre stark fordern. Raum für zusätzliche Wünsche, so nachvollziehbar sie auch sein mögen, bestehen daneben nicht.“ Denn mit ihm werde es auch in Zukunft „keine finanziellen Drahtseilakte geben“.

Für seine Ansprache, die der OB mit einem Dank an seine Mitarbeiter und besten Neujahrswünschen für alle Anwesenden beschloss, erntete er quer durch alle politischen Lager freundlichen Applaus, und übergab dann die Bühne wieder an Michael Gabler, der ihn in Sachen Beifall freilich locker übertraf: zunächst mit einer Version des „Rocket Man“, die Altmeister Elton John neidisch gemacht hätte, danach mit seiner hoch­emotionalen Eigenkomposition „Too Late“ – und zu guter Letzt mit einer besonderen Zugabe aus traurigem Anlass: Als Verbeugung vor dem großen, jüngst verstorbenen Udo Jürgens sang Gabler, unterstützt vom Publikum, dessen Hit „Ich war noch niemals in New York“; ein ergreifender Moment, der so manchem Besucher feuchte Augen bescherte.

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