"Stopfenheimer" aus dem SS-Depot

12.2.2014, 12:00 Uhr

© Steiner

Mit ihrem vollen Namen wollen die beiden älteren Damen nicht in der Zeitung stehen. Bei dem Gedanken an ein Foto winken sie ab. Zu viel der Aufregung, das muss nicht sein, meinen sie. Ihre Geschichte wollen die beiden Damen trotzdem loswerden.

Als sie in den Nürnberger Nachrichten einen Artikel über ein Kunst- und Materialdepot der Nazis im Ellinger Schloss lasen, erinnerte sie das Bild an Stopfenheim. Im dortigen Schloss sah es Ende April, Anfang Mai 1945 nicht anders aus. Auch hier stapelten sich Stoffballen, Mäntel, Unterwäsche, Zwirn, andere Nähutensilien und wohl auch Schuhe in rauen Mengen. Und sie fanden offenbar schnell ihren Weg in die Dörfer und Städte im ganzen Landkreis.

Das zeigt sich auch beim Hausbesuch in Theilenhofen. Eine fein geschneiderte Schürze aus dickem, bunt karierten Stoff liegt auf dem Tisch. Ein Stück aus dem Stopfenheimer SS-Depot, fast 70 Jahre alt. Die Tochter des Hauses erzählt, dass aus diesen Beständen auch eine riesige Rolle Zwirn im Haushalt landete. „Das haben wir erst vor zwei Jahren aufgebraucht.“

In etlichen Haushalten im Altmühlfränkischen dürfte es noch Überbleibsel aus den Stopfenheimer und Ellinger Depots geben. Als die Amerikaner die Region im April 1945 unter Kontrolle gebracht hatten, stießen sie auf die prallvollen Lager. Es dauerte nicht lange und die Einheimischen standen vor der Tür. Die Amerikaner zeigten sich großzügig und erlaubten die geordnete Plünderung.

Die Menschen waren nach Jahren des Krieges arm, und Kleidung und Stoffe fehlten an allen Ecken und Enden. „In den Geschäften hat’s nix geben, aber da drin war alles voll“, erzählt Hilde S. von ihrem Besuch im Stopfenheimer Schloss. Auch ihre Freundin Inge B. (Name geändert) kann sich noch genau erinnern. Sie berichtet von chaotischen Zuständen. „Ich bin da hin und da waren Massen an Menschen.“ Als sie auf der Brücke zum Schloss ist, fallen Schüsse. „Da bin ich gleich wieder gegangen“, erinnert sich Inge B. „Wenn die mich jetzt erschießen“, habe sie gedacht, „dann sagen alle: ,Die hat nicht genug gekriegt. Die hätte da nicht hin müssen, die hatte ja was zum Anziehen.’“

Ein paar Tage später kam ein Wagen in ihr Heimatdorf nahe Gunzenhausen und so konnte sich auch Inge B. einige Stücke sichern. „Ein Mantel, ein Unterrock, Unterwäsche und Seidenstrümpfe“, erzählt sie. Alles aus den Beständen französischer Warenhäuser, die die SS geplündert hatte. Für den bäuerlichen Alltag zwischen Weißenburg und Gunzenhausen war das nicht perfekt geeignet.

Den Unterrock trug Inge B. ein einziges Mal. Bei ihrer Hochzeit. Vor ein paar Jahren wanderte er dann in die Kleidersammlung. Was in Frankreich als Unterrock geschneidert, von den Nazis geraubt, im Stopfenheimer Schloss gelagert und mit einem Leiterwagen in ein Dorf bei Gunzenhausen gekarrt wurde, steckt heute wahrscheinlich als Polsterfüllung in irgendeinem Autositz. Vielleicht ja in einem französischen Fabrikat.

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