Theater auf dem Westheimer Steinhof

18.5.2015, 11:00 Uhr
Theater auf dem Westheimer Steinhof

© Natalis

Einmal im Jahr öffnet Markus Steinhöfer seinen Hof in Westheim für eine kleine, aber feine kulturelle Veranstaltung. Ob Musik oder Theater, auf die Gäste wartet dabei nicht nur ein unterhaltsamer Abend, auch für das leibliche Wohl ist gesorgt. Diesmal hatte Steinhöfer mit Kurt und Benedikt Schürzinger und Oliver Endres Laienschauspieler aus dem "Woild" zu Gast, die mit ihrem Auswanderungsstück nicht nur in die Vergangenheit blickten, sondern auch einen aktuellen Bezug unter anderem zur Flüchtlingsproblematik herstellten.
Gerade mal noch drei Kühe hat der von Kurt Schürzinger gespielte Bauer im Stall, die Ernte ist wieder einmal durch ein Unwetter zerstört, der Wald vom Sturm plattgewalzt, er selbst nicht gesund. Völlig verzweifelt sucht er nach einem Ausweg, als Oliver Endres in Gestalt eines Agenten der Auswanderungsgesellschaft des Weges kommt. Er verspricht ihm das Blaue vom Himmel, malt dampfende Fleischtöpfe, die niemals leer werden, an die Wand, und dauerhaften Wohlstand, ob als Händler in Chicago oder als Rinderzüchter in Texas.

Diese Auswanderungsgesellschaften gab es tatsächlich und sie wussten ganz genau, wo sie die willigsten Opfer, die ihr letztes Hemd für ein bisschen Hoffnung gaben, finden konnten. Geschickt mischen Kurt Schürzinger und Oliver Endres szenische Darstellung mit geschichtlichen Hintergrundinformationen, die Endres als Chronist zum Besten gibt. Er erzählt von Krankheit, Not und Elend, von nicht enden wollenden Wintern im "Woild" und dem unerwarteten Aufschwung, den der "Goldkäfer" der Region brachte. Der Borkenkäfer setzte den Fichten schon damals zu und wurde von Tagelöhnern, engagiert von der Bayerischen Forstverwaltung, eingesammelt. Die Gasthäuser schossen im Gefolge des Käfers wie Pilze aus dem Boden. Doch irgendwann versiegte diese Einkommensquelle und Tagelöhner und Wirte gleichermaßen verarmten erneut.
Was aber erwartete die Auswanderer, die mit so viel Hoffnung und unter Einsatz des letzten Notgroschens die Überfahrt wagten, tatsächlich im angeblich Gelobten Land? In der Regel erneut Armut, das erfuhren die Zuschauer im zweiten Teil des Stücks. Wurden die Szenen im "Woild" im Hof zum Besten gegeben, wechselte auch das Publikum nach der Pause den Ort und fand sich in der Scheune sozusagen auf amerikanischem Territorium wieder.

Dazu kam noch ein gehöriger Zeitsprung: mit Chipstüte und Colaflasche auf dem Tisch befand man sich nun eindeutig im 21. Jahrhundert. Mittlerweile in der fünften Generation in Amerika ansässig, hat es der Nachfahr des armen Waldbauern zu bescheidenem Wohlstand gebracht und prahlt nun vor einem Reporter des Bayerischen Rundfunks mit seinem Erfolgsrezept: Es heißt Monsanto. Dass er sich mit Genmais und Unkrautvernichtungsmittel aber tatsächlich im Würgegriff des Saatgutkonzerns befindet, hat der Farmer noch nicht kapiert.

Während der erste Teil des Stücks, dank Oberpfälzer Dialekt, doch ein paar Verständnisschwierigkeiten mit sich brachte, stellt der zweite Teil keine Herausforderung dar – obwohl er ganz auf Englisch spielt. Dafür sorgt nicht zuletzt Kurt Schürzingers Sohn Benedikt, der als Übersetzer fungiert und mit seinen teilweise gewollt schnoddrigen Übertragungen ins Deutsche die Lacher auf seiner Seite hat.

Ob in der neuen Welt erfolgreich oder nicht, die Sehnsucht nach der Heimat blieb den Auswanderern wohl allen im Blut. In Worte gefasst hat sie unter anderem die Schriftstellerin Emerenz Meier. 1874 in Schiefweg bei Waldkirchen geboren, folgte sie 1906 dem ausgewanderten Vater nach Chicago, wo sie bis zu ihrem Tod im Februar 1928 lebte. Sie gilt als eine der bedeutendsten bayerischen Volksdichterinnen. Mit ihren Versen, zitiert von Kurt Schürzinger, gaben die „Grenzgänger“ dem Stück einen authentischen Rahmen.
Ein „Auswanderer“, wenn man so will, ist auch Markus Steinhöfer – allerdings aus anderen Gründen als damals die "Woild"-Menschen. Und er ist auch längst nicht so weit gekommen. Ursprünglich aus Auhausen stammend, war er beruflich viel unterwegs. Irgendwann zog es ihn mit Macht zurück in die alte Heimat. Auf der Suche nach einem neuen Domizil wurde er 2004 in Westheim fündig.

Den heruntergekommenen Bauernhof verwandelten er und seine Frau nach und nach in den "Steinhof", zu dem heute ein Hofladen gehört und in dessen Scheune viel Platz für hoffentlich noch viele kulturelle Veranstaltungen ist.

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