Überfall auf Gunzenhäuser Juwelier vor Gericht

16.9.2016, 07:15 Uhr
Überfall auf Gunzenhäuser Juwelier vor Gericht

© Oliver Berg

Der Überfall ereignete sich kurz vor Mittag am Markplatz. Im Laden selbst befand sich zu diesem Zeitpunkt zufälligerweise niemand. Im direkt angrenzenden Büro hielten sich drei Menschen auf: der Inhaber, der Sohn seiner Lebensgefährtin und eine Angestellte. Dank der Videoüberwachung wurden sie darauf aufmerksam, dass der Mann, der gerade den Laden betreten hatte, eine Waffe in der Hand hielt. Sie blieben deshalb in dem Büro, das nach außen abgesperrt war. Der Täter rüttelte an der Bürotür, bekam sie aber nicht auf. Inzwischen war auch sein Komplize hereingekommen, er hatte sich ebenfalls vermummt. Der Litauer forderte seinen Partner mit Gesten auf, die Sache zu Ende zu bringen, woraufhin der Komplize mit einem Beil eine Vitrine zerschlug. Die beiden Kriminellen erbeuteten daraus 28 hochwertige Uhren und flüchteten in Richtung Altmühlbrücke. Eine spätere polizeiliche Fahndung blieb ergebnislos.

Laut Anklageschrift handelt es sich um eine Bande von mindestens vier Personen, die sich zusammentaten, um Raub- und Diebstahldelikte zu begehen. Der Angeklagte trug bei der Tat in Gunzenhausen einen silbernen Revolver, der geladen und gebrauchsbereit war, so die Ermittlungen. Die beiden Täter sollen es darauf abgesehen haben, das Personal des Geschäfts unter Waffenandrohung zur Herausgabe von Wertgegenständen zu zwingen. Als ihnen das nicht möglich war, begingen sie den Diebstahl der 28 Uhren. Laut Anklage handelt es sich um schweren Bandendiebstahl mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung.

Das Besondere an diesem Strafverfahren ist, dass es eine Videoaufzeichnung des Tatgeschehens gibt. Diese Filmsequenz wurde gestern intensiv vom Gericht, dem Staatsanwalt, dem Angeklagten und seinem Verteidiger angeschaut. Sie wird wohl bei dem weiteren Prozessverlauf und der Urteilsfindung eine wichtige Rolle spielen.

Der 30-jährige Angeklagte äußerte sich gestern nicht persönlich zu den Vorwürfen, doch Rechtsanwalt Bernd Hönicka verlas im Namen seines Mandanten eine Erklärung. Diese stellt eine Relativierung der Tatbeteiligung des Angeklagten dar. Er habe den Laden betreten und zuvor einen Blick hineingeworfen. Er habe nur eine Revolverattrappe dabeigehabt. Der Komplize — der ihm persönlich bekannt sei — habe die Vitrine kaputt- geschlagen und die Uhren herausgenommen. Sie hätten dann den Laden verlassen. An dem Überfall sei keine andere Person beteiligt gewesen oder habe ihn mitgeplant. Der Angeklagte entschuldigte sich in der Erklärung für sein Tun. Er habe niemandem Schaden zufügen wollen — deshalb sein anfänglicher Blick in das Juweliergeschäft.

Aussagen der Zeugen

Überfall auf Gunzenhäuser Juwelier vor Gericht

© Wolfgang Dressler

Dass dieses Verbrechen erhebliche Folgen mit sich brachte, wurde bei der Zeugenvernehmung deutlich. Der 53-jährige Geschäftsinhaber machte deutlich, dass er noch heute psychisch darunter leidet. Er sagte: „Es ist heftig.“ Es sei für ihn kein Tag mehr wie vorher. Und er habe Angst vor einem weiteren Überfall. Außerdem sorge er sich, dass zu viele Details der Sicherheitsmaßnahmen in der Öffentlichkeit bekannt würden und damit auch von potenziellen neuen Tätern berücksichtigt werden könnten. Auf dem Video im Büro habe man klar sehen können, dass der Angeklagte eine Waffe im Anschlag hatte und dass er den Komplizen aufforderte, zu bleiben. Der Ladeninhaber geht davon aus, dass auch in diesem Fall eine Bande aus dem Ostblock am Werk war und es vor allem auf teure Markenuhren abgesehen hatte. Diese Leute würden gewerbsmäßig vorgehen. Er bat das Gericht um eine gebührende Bestrafung des Litauers. Den ihm zugefügten Schaden durch den Diebstahl gab der Inhaber mit knapp 84 000 Euro (Einkaufspreis der Uhren) an. Hinzu kämen Auflagen der Versicherung für zusätzliche Sicherungsmaßnahmen, was wohl mit 50 000 Euro anzusetzen sei.

Bei der zweiten Zeugin handelte es sich um die Mitarbeiterin, die sich zur Tatzeit ebenfalls in dem Büro aufhielt. Die junge Frau macht noch heute einen aufgewühlten, verängstigten Eindruck. Sie leide noch immer unter der Situation, bis hin zu Einschnitten in ihr Privatleben. Sie schrecke auch jetzt noch auf, wenn jemand den Laden betrete und dabei eine Mütze auf habe. Bei der Frau löst die Vorstellung, dass es zu einer Geißelnahme in dem Geschäft kommen könne, einen großen Schrecken aus. Der Einzelhandelskauffrau macht auch noch ein Vorfall im Januar dieses Jahres zu schaffen. Damals betrat ein Unbekannter das Juweliergeschäft, zeigte ein Bündel Banknoten und wollte das Geld gewechselt haben. Er wurde zur Bank geschickt — zurück blieb der unangenehme Eindruck, dass hier ein Krimineller, mit ganz typischer äußerer Erscheinung, versucht habe, das Geschäft auszukundschaften.

Der Sohn der Lebensgefährtin des Geschäftsinhabers bestätigte die bisherigen Zeugenaussagen. Er sah am 13. Oktober im Büro auf dem Videobildschirm die Waffe in der Hand des Angeklagten und gab den entscheidenden Hinweis, nicht hinaus in den Laden zu gehen. Nach dem Diebstahl versuchte er, den beiden flüchtenden Tätern zu folgen, ohne Erfolg. Vorsitzender Richter Claus Körner sagte zu diesen drei Zeugen, sie hätten genau richtig gehandelt, sich in dem hinteren Raum einzusperren.

Ein vierter Zeuge betreibt ganz in der Nahe ein Einzelhandelsgeschäft. Er sah am Tattag zwei Männer, die sich herumtrieben und dabei das Juweliergeschäft im Auge hatten. Später seien sie weggelaufen. Beide Männer seien dunkel gekleidet gewesen. Er glaube, bei einem der beiden Täter handle sich um den Angeklagten, sagte der Zeuge.

Der Prozess wird am 21. September fortgesetzt.

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