Überwiegend kritische Stimmen zur Regierung in Kiew

5.5.2014, 08:00 Uhr
Überwiegend kritische Stimmen zur Regierung in Kiew

© Marianne Natalis

Dort finden sie nicht nur Lebensmittel nach ihrem Geschmack, sondern können auch über aktuelle Ereignisse sprechen, wie etwa derzeit die Vorgänge in der Ukraine. Wie schätzen sie die Lage dort ein? Darüber sprach der Altmühl-Bote mit einigen Kunden des Geschäfts in der Nürnberger Straße.
Auffallend ist, dass sich durch die Bank alle, die mit unserer Zeitung gesprochen haben, von den deutschen Medien nicht ausreichend beziehungsweise nur sehr einseitig informiert fühlen. Die Sicht der ukrainischen Bevölkerung kommt den meisten dabei zu kurz, zu Unrecht sehen sie Russlands Präsidenten Wladimir Putin als den Bösen in diesem Konflikt verteufelt.

So sind beispielsweise für Yury Gritsik die Dinge bereits auf dem Maidan in Kiew in eine Richtung eskaliert, die der gebürtige Russe, der mit seiner Frau seit 13 Jahren in Deutschland lebt, nicht nachvollziehen kann. Die jetzige ukrainische Regierung hat für ihn keine Legitimität, da sie sich die Macht mit Gewalt erkämpft habe. Und es sei das ukrainische Volk und nicht Putin, das mit dieser Situation nicht zufrieden sei. Die Menschen, die diese Regierung nicht akzeptieren, nun als Separatisten abzustempeln, findet Yury Gristik und seine Kunden nicht korrekt. Er hält die Forderung nach einem Referendum für vollkommen gerechtfertigt, könnte sich eine Lösung mit Bundesländern wie hier in Deutschland vorstellen.

Seine Frau Elena Baumgärtner sieht das ähnlich. Auch sie hält die Berichterstattung im deutschen Fernsehen zum Teil für falsch. Die Wolgadeutsche informiert sich wie so viele andere Russlanddeutsche deshalb zusätzlich über russische Kanäle und hat zu dem Konflikt eine ganz dezidierte Meinung: Der Westen und Russland sollten sich heraushalten, die Entscheidung sollte ganz allein bei der ukrainischen Bevölkerung liegen.

Viktoria Übele spricht gar von einem „Informationskrieg“. Aus dem ukrainischen Schwarzmeerhafen Odessa stammend, lebt sie bereits seit über 17 Jahren in Gunzenhausen, verfolgt aber die Geschehnisse in ihrer früheren Heimat sehr genau. Die Menschen dort, ist sie überzeugt, wollen kein Teil Russlands werden, aber genauso wenig „Nato-Basis“. Auch Viktoria Übele hält die jetzige ukrainische Regierung für des Pudels Kern in dieser Sache, denn sie sei nicht legitim und werde von der Bevölkerung deshalb nicht akzeptiert. Dass sie von der deutschen Regierung unterstützt werde, sei für die Menschen in der Ukraine eine Enttäuschung.

Mehr als enttäuscht von der deutschen Regierung, die ja auch die ihre sei, sind Rinat und Irina Kollert. Sie kamen vor über 20 Jahren aus der früheren Sowjetrepublik Kasachstan nach Deutschland und können die Haltung von Angela Merkel und ihrem Kabinett nicht verstehen. Denn unter denen, die sich mit Gewalt die Macht in Kiew geholt haben – und darauf weise nicht nur Irina und Rinat Kollert hin – sind auch Faschisten. Dass die Rechten damit in der Ukraine am Ruder sind, das kommt dem Ehepaar in der hiesigen Berichterstattung eindeutig zu kurz. Zudem wolle er „als ehrlicher Steuerzahler“, schiebt Rinat Kollert noch nach, nicht, dass mit seinem Geld Nazis unterstützt werden.

Was Irina Kollert aus dem ukrainischen und russischen Fernsehen mitbekommt, macht ihr „schon ein bisschen Angst“. Da war zum Beispiel vor wenigen Tagen dieser Neonazi-Aufmarsch in Lwow (Lemberg), mit dem die Rechten an die Gründung der ukrainischen SS-Division erinnern wollten. Und dass der Bürgermeister von Charkiw von prorussischen Kräften niedergeschossen worden ist, das mag sie nicht glauben.

Keiner sage, so Irina Kollert weiter, dass Wiktor Janukowitsch ein guter Präsident gewesen sei. Aber er war der rechtmäßig gewählte Präsident. Dass nun nicht alle Menschen im Land die „Banditen“, wie Alexander Konradi die jetzige Regierung bezeichnet, in Kiew akzeptieren wollen, verstehen Irina und Rinat Kollert nur zu gut.

Auf der Suche nach einem Schuldigen in diesem Konflikt werden viele der Befragten in Amerika fündig. Die USA hätten im Vorfeld Milliarden in die Ukraine investiert, nun wollten sie dort ihren Einfluss absichern, so klang es in mehreren Gesprächen durch. Dass Putin dabei hellhörig geworden sei, dafür äußerten die meisten Verständnis.

Ein älterer Russlanddeutscher, der ebenfalls schon lange Jahre hier lebt, bemüht den Vergleich mit dem russischen Bär. Der sei so lange friedlich und freundlich, solange man ihn nicht wecke. 93 Prozent haben bei dem Referen­dum für den Beitritt der Krim zu Russland gestimmt. Das könnten, sind unter anderem Irina und Rinat Kollert überzeugt, ja nicht alles illegitime Stimmen sein.
Zudem gehöre die Krim historisch zu Russland, sei nach dem Zerfall der Sowjetunion nur zur Ukraine gekommen, weil Nikita Chruschtschow sie 1954 einfach verschenkt habe. Daraus nun zu schließen, dass auch die Ost­ukraine zu Russland wolle, halten sie für falsch.

Deutlich wird in den Gesprächen auf jeden Fall: Das Thema bewegt und beschäftigt die hier lebenden aus Russland oder der Ukraine stammenden Menschen. Wie Alexander Konradi haben viele Angst vor einer weiteren Eskalation des Konflikts, hoffen aber noch auf eine friedliche Lösung.

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