"Villa Kunterbunt" feiert Jubiläum

9.5.2017, 17:30 Uhr

© Martin Lettenmeier

Julian ist fünf Jahre alt. Im Kindergarten in Markt Berolzheim ist er im "Schlawinerclub". Diese Gruppe heißt nicht etwa so, weil sich die Fünfjährigen täglich Dummheiten einfallen lassen und damit die Erzieherinnen zur Verzweiflung bringen. Vielmehr meint Schlawiner im ursprünglichen Sinn des Wortes ein pfiffiges Kind. Mehrmals in der Woche trifft sich Julian in dem Club zu Tischspielen, bei denen es ums Zählen und Konzentration geht. Was die Kinder hier spielerisch lernen wird ihnen später den Einstieg in die Schule erleichtern.

Dass sich Lerninhalte der ersten Grundschulklasse in den Kindergarten verschieben, beobachtet die Leiterin des Evangelischen Kindergarten "Villa Kunterbunt", Andrea Flock, schon seit Jahren. Am Samstag, 13. Mai, begeht die Einrichtung das 20-jährige Bestehen im neuen Haus. Eltern und Gäste können dann viele dieser Übungen, Spiele und Materialien kennenlernen und ausprobieren.

"Seit 25 Jahren besteht die Tendenz, Unterrichtsbestandteile aus der ersten Klasse in den Kindergarten zu verlegen", erläutert die Erzieherin. Im Vorschulprogramm des Kindergartens erleben die Kleinen beispielsweise die Phonologie. Das sind Ausspracheübungen. Die Vorschulkinder lernen die Laute in den Worten zu erkennen. Sie entdecken das A wie in Ameise und klatschen die einzelnen Silben nach.

Diese neuen Herausforderungen bedeutet, dass Erzieher mehr Zeit in ihre Fortbildung investieren müssen. Gleichzeitig macht es Andrea Flock aber auch Freude, zu sehen, wie diese frühe Pädagogik den Kindern gefällt. Es ist für die Jüngsten kein Stress, schon jetzt das zu machen, was sie früher erst in der ersten Klasse lernen durften. Ob Zählen, Sprachübungen oder Reimen: Es ist für sie pure Freude, erzählt die Leiterin des Kindergartens, die anlässlich des Jubiläums auf die vergangenen 20 Jahre zurückblickt.

Veränderungen gab es etwa auch in der Struktur und im Aufbau. Seit 2010 bietet der kirchliche Kindergarten in Markt Berolzheim eine Kleinkindergruppe für zwölf Ein- bis Dreijährige an. "Sie ist seit dem immer ausgebucht", berichtet Andrea Flock. Mit 47 Kindern in drei Gruppen ist das Haus an seiner Leistungsgrenze angekommen. Eine Hausaufgabenbetreuung am Nachmittag für 15 Schülerinnen und Schüler der ersten Klasse rundet das Angebot der "Villa Kunterbunt" ab.

Geändert hat sich auch der Tagesablauf: Vor 20 Jahren mussten die Kinder um 12 Uhr abgeholt und um 13 Uhr wieder gebracht werden. Heute können die Eltern zwischen 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr genau die Stunden buchen, die sie benötigen. Dabei geht der Trend nach ihren Worten eindeutig zu immer mehr Stunden. Selbstverständlich ist mittlerweile, dass es ein Mittagessen gibt. Eine eigene Küchenhilfe bereitet bis zu 35 Gerichte für die Kinder zu. Der Mittagsservice und die flexiblen Buchungszeiten entlastet die Familien und wird von ihnen dankbar angenommen, erläutert Andrea Flock.

Nach dem Mittagessen spielt Julian gerne draußen auf dem neuen Fußballplatz. "Er ist das absolute Highlight" und wurde im Rahmen der Renovierung im vergangenen Jahr angelegt. Genauso wie das nagelneue Klettergerüst. "Auch das wird richtig gut angenommen", freut sich die Leiterin.

Kinder sind wissbegieriger

© privat

Und die Kinder? Wie haben die sich in den letzten 20 Jahren verändert? Andrea Flock zögert einen Moment: "Sie sind anspruchsvoller, wissbegieriger und fordernder geworden", ist ihre Erfahrung. Die Familien können sich mehr leisten: Ballett, Reiten, Musikschule. Da müsse sich auch der Kindergarten etwas einfallen lassen, um die Kinder hinter dem Ofen hervorzulocken. Wie etwa das Umweltbildungsprogramm zusammen mit dem Landesbund für Vogelschutz. Hier erkundet der Nachwuchs das Naturschutzgebiet Buchleite. Besuche bei Handwerk und Unternehmen in der Region zeigen den Kindergartenkinder die verschiedenen Berufe und Betriebe am Ort.

Eine echte Freude ist es für Andrea Flock, wenn sie Julian und die anderen Kinder trotzdem mit den ganz einfachen Sonos-Bausteinen spielen sieht. So haben sie die Maibaumaktion vom Wochenende mit den blauen Steinen nachgestellt und gemeinsam einen Maibaum gebaut. "Der war wirklich schön", sagt die Erzieherin.

Wie gut, dass es die Steine schon mehr als 20 Jahre gibt und sie auch heute noch die Jüngsten ganz ohne Technik begeistern können.

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