Ende des Weltkrieges

2018: Vor 100 Jahren in Gunzenhausen

10.11.2018, 06:17 Uhr
2018: Vor 100 Jahren in Gunzenhausen

© Stadtarchiv Gunzenhausen

Die Ereignisse, die letztendlich in die Novemberrevolution von 1918 münden, nehmen ihren Anfang im Juni 1914 mit dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger und seine Gattin. Beide kommen bei dem Anschlag ums Leben, und die anschließenden diplomatischen Wortgefechte enden schließlich in gegenseitigen Kriegserklärungen der europäischen Mächte, später auch der USA. Der als "Urkatastrophe" bezeichnete Erste Weltkrieg, der am 11. November 1918 offiziell endet, fordert fast zehn Millionen Tote und 20 Millionen Verwundete.

Bis zur Schlussphase der militärischen Auseinandersetzungen gibt es in Gunzenhausen und den Stadtteilen über 200 Gefallene zu beklagen, erläutert der Stadtarchivar. Manche Familien müssen den Tod mehrerer Angehöriger betrauern, wie zum Beispiel die jüdische Familie Seller. Drei Söhne verlieren ihr Leben "für Kaiser, Volk und Vaterland" auf den westlichen und östlichen Kriegsschauplätzen.

Wurde der Kriegsausbruch im Sommer 1914 noch mit übergroßer Euphorie bejubelt, ist davon im Herbst 1918 schon lange nichts mehr zu spüren. Fast täglich liest man im Altmühl-Boten Trauerinserate für die gefallenen aus Stadt und Umland. In den vier Lazaretten, die man in der Altmühlstadt nach und nach einrichtet, werden verwundete Soldaten wieder fit gemacht für ihre Rückkehr an die Front. Andere, die aufgrund ihrer Verletzungen "mehr Glück" hatten, können auf ihre Rückkehr in ihre Heimatorte hoffen. Sie alle sind im Stadtbild präsent und erinnern die Einheimischen so zusätzlich an die Kriegsgrauen.

Auch die ländliche Bevölkerung muss im Laufe der vier Jahre lernen, mit den alltäglichen kriegsbedingten Restriktionen zu leben. Es herrscht Lebensmittel- und Kohleknappheit. Mangel ist in allem präsent. Allerdings sind die Einschränkungen nie so ausgeprägt wie in den großen Städten, sodass in Gunzenhausen im September 1918 "noch immer ein starker Fleischverbrauch" zu verzeichnen ist, wie aus den alten Unterlagen hervorgeht.

Dafür funktioniert die Propaganda bis zum Schluss: Zeitungsartikel und einschlägige Veranstaltungen sollen die Bevölkerung zum klaglosen Durchhalten animieren. So findet beispielsweise im Oktober 1918 ein großer "Vaterländischer Unterhaltungsabend" im Brauhaussaal statt. Ein Referent erklärt den Anwesenden, dass Soldaten für das Volk kämpften und zur Unterstützung von Heer und Heeresleitung Kriegsanleihen notwendig seien. Dazu könne jeder Einzelne seinen Beitrag leisten.

Es gibt aber auch Veranstaltungen, die sich gegen die Monarchie und für ein Ende des Krieges aussprechen. Ebenfalls im Oktober 1918 ruft die örtliche SPD zu einer sehr gut besuchten Versammlung in den Brauhaussaal. Ein Landtagsabgeordneter spricht über die Notwendigkeit eines Waffenstillstands- und Friedensangebots an die Alliierten. Eine weitere Versammlung Anfang November spricht sich ebenso für den Frieden aus und gipfelt in der Aussage des Referenten, "die Menschen dürfen nicht mehr stumme Sklaven, sondern pflichtbewusste Bürger sein".

Danach überstürzen sich die Ereignisse: Die Monarchen der vielen deutschen Einzelstaaten verzichten reihenweise auf ihre Throne, beginnend mit dem bayerischen König Ludwig III., der am 7. November flieht. Der rangmäßig über allen stehende Kaiser Wilhelm II. dankt am 9. November widerwillig ab. Zu diesem Zeitpunkt haben die Aufstände der kriegsmüden Soldaten und Matrosen Deutschland flächenmäßig erfasst. Überall bilden sich so genannte Soldaten- und Arbeiterräte und erklären, sie übten die Volkssouveränität aus.

2018: Vor 100 Jahren in Gunzenhausen

© Stadtarchiv Gunzenhausen

Das Schlüsselereignis findet am 9. November statt, als der sozialdemokratische Politiker Philipp Scheidemann um 14 Uhr in Berlin, von einem Fenster des Reichstags aus, die deutsche Republik proklamiert. Damit ist eine Jahrhunderte lange monarchische Tradition beendet.

In Gunzenhausen bildet sich noch am selben Tag ein Soldaten- und Arbeiterrat als Organ der Selbstverwaltung. Dessen erster Aufruf im Altmühl-Boten erscheint wenige Tage später, betont seine Führungsrolle mit dem Hinweis, dass sich die bisherigen örtlichen Behörden wie Stadtmagistrat, Bezirksamt (heute Landratsamt) und Bezirkskommando zur "Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung" zur Verfügung gestellt haben. Eine erste Arbeiter- und Bürgerversammlung findet am 12. November statt.

Dem ersten Gunzenhäuser Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat gehören anfänglich unter anderem als Vertreter der Arbeiter die SPDler Heinrich Thein und Ludwig Farthöfer (beide jeweils spätere dritte Bürgermeister) an, seitens der Soldaten die Mitglieder Kehr und Sterle und für die Bauern der Schlungenhöfer Wirt Jungmeier und der Oberasbacher Bürgermeister Baumgärtner.

An den Sitzungen des bisherigen — königlichen — Stadtmagistrats und nunmehrigen Stadtrats, nehmen ab sofort regelmäßig Vertreter des Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrats teil. Am 15. November 1918 kommt es zur ersten kombinierten Sitzung von Stadtrat und Arbeiterrat. Dabei wird beschlossen, dass nicht nur "Kriegerfamilien", sondern alle Bedürftigen Kartoffeln erhalten. Außerdem sollen bedürftige Ehefrauen von Soldaten die höchsten Familienunterstützungszuschläge bekommen. Für heimkehrende Soldaten soll vorrangig Arbeit beschafft und die bestehende Wohnungsnot beseitigt werden. Ein weiterer Beschluss sieht vor, "heimkehrenden Kriegern" das städtische Bürgerrecht kostenlos zu verleihen, das zuvor mit Zahlung einer höheren Gebühr verknüpft war. Bis Ende 1918 machen davon 31 Kriegsteilnehmer Gebrauch.

Im Großen und Ganzen ist festzustellen, dass der Übergang von Monarchie zur Demokratie in Gunzenhausen ohne gravierende Schwierigkeiten vonstatten geht. Bewaffnete Auseinandersetzungen wie in Berlin und München im ersten Jahresdrittel 1919 kommen nicht vor. Die demokratischen Wahlen der so jungen Weimarer Republik 1919 verlaufen friedlich in der Altmühlstadt. Am 15. Juni 1919 findet die erste demokratische Stadtratswahl Gunzenhausens statt. Dadurch hat sich die Existenzberechtigung für den Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat erübrigt. Er löst sich im Herbst des gleichen Jahres auf.

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