Weit mehr als nur ein ganz normales Kaufhaus

15.4.2018, 05:00 Uhr
Weit mehr als nur ein ganz normales Kaufhaus

© Uli Gruber

Wie Diakoniekaufhaus-Leiterin Kathrin Rühl und die bei der Geschäftsführung in Weißenburg für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit zuständige Susanne Walde mitteilen, stützt sich das betriebliche Innenleben in Gunzenhausen auf drei Säulen. Neben dem Verkauf zwar aussortierter, aber gut erhaltener Spendenware geht es ferner um die Weiterverwendung von Konsumgütern im Sinne der Nachhaltigkeit sowie eine möglichst effektive Rückführung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Hehre Ziele also, die sich die Verantwortlichen der Organisation auf die Fahnen geschrieben haben. "Gebraucht werden & Gebrauchtwaren" heißt die Devise. Der Erfolg scheint dem Diakonischen Werk durchaus recht zu geben. Das Angebot wird in vielfältiger Weise bestens angenommen.

Auch Deko und Kunst

Es sind beileibe nicht nur "bedürftige" Kunden, die sich in den Räumen des ehemaligen Möbelhauses Spitzbart umsehen. Auf rund 800 Quadratmetern Verkaufsfläche offenbart sich ein breitgefächertes Sortiment unterschiedlichster Produkte und Utensilien. Eine stattliche Auswahl an Kleidung für Frauen, Männer und Kinder, Haushalts- und Spielwaren, teilweise hochwertige Deko-Artikel (Porzellan, Glas), Kunstgegenstände, Kleinelektrogeräte, Schuhe, Bücher, CDs und jede Menge kleinerer und größerer Überraschungen lassen fast Trödelmarktatmosphäre aufkommen. Allerdings in einer wesentlich sorgfältigeren und vor allem seriöseren Form.

"Gehandelt wird bei uns nicht", betont die seit zwei Jahren für das Haus in "GUN" verantwortliche Chefin Rühl. Die festgelegten Preise (bei Textilien einheitlich) bewegen sich ohnehin an der Untergrenze vergleichbarer Produkte und sind absolut angemessen. Mit entsprechendem Beleg (Tafel-, Speis-, Sozialrabattausweis) erhalten Berechtigte 50 Prozent Nachlass auf Kleidung sowie 20 Prozent auf andere Waren. Spenden kommen von Privatpersonen, ebenso wird das Projekt von Geschäftsleuten und Sponsoren unterstützt.

Möbel für kleines Geld

Weitere Diakoniekaufhäuser in der näheren Umgebung gibt es in Weißenburg, Treuchtlingen und Pleinfeld. Der Betrieb in Gunzenhausen verfügt jedoch über ein attraktives "Alleinstellungsmerkmal". Im Gegensatz zu den anderen Einrichtungen werden hier auch Möbel verkauft. Keine Frage: Wer über genug Zeit, Wissen und Augenmaß verfügt, kann durchaus ein tolles Schnäppchen mit nach Hause nehmen. So wechseln unter anderem meist in hervorragendem Zustand befindliche Schränke, Betten, Kommoden, Vitrinen, Sofas oder ganze Wohnlandschaften für relativ kleines Geld den Besitzer. Saisonbedingt wird darüber hinaus auf spezielle Märkte und Aktionen hingewiesen. Aktuelle Infos über Angebote und Termine können der Facebook-Seite des Diakonischen Werks Weißenburg entnommen werden.

Von den Verkaufserträgen werden die laufenden Ausgaben und Betriebskosten mitfinanziert. Der eigene Fuhrpark, zu bezahlende Löhne und Aufwendungen für die umfangreiche Logistik nehmen erhebliche finanzielle Mittel in Anspruch. Satte Gewinne zu erzielen, besitzt indes auch keine Priorität.

Weit mehr als nur ein ganz normales Kaufhaus

© Fotos: Uli Gruber

Bei allen Aktivitäten steht der Mensch im Fokus der Bemühungen. Besonders stolz sind Kathrin Rühl und Susanne Walde auf den sprichwörtlichen "guten Geist" innerhalb des Personalgefüges. Stets dominiere der "Teamgedanke". Kommen neue Kollegen hinzu, fragt niemand nach deren Hintergrund und Vorgeschichte: "Für uns ist es unerheblich, ob jemand ehrenamtlich helfen möchte oder Sozialstunden ableisten muss!"

Das Miteinander ist wichtig

Jeder wird herzlich aufgenommen, versichern die beiden Frauen. Exemplarisch sei die Situation einer Mutter von vier Kindern erwähnt. Das erste kam gleich nach dem Abschluss der Mittelschule zur Welt, weshalb die 29-Jährige nie eine Ausbildung absolviert hatte. Im Kaufhaus bekommt sie die Gelegenheit, zu beweisen, dass Arbeit und Kinder doch unter einen Hut zu bringen sind. "Bisher läuft das Experiment gut", bestätigen Rühl und Walde, versehen mit einem Extralob: "Sie arbeitet selbstständig, motiviert, übernimmt Verantwortung und sie bringt eigene Ideen ein".

Nach ihren Beobachtungen und Erfahrungen gestaltet sich der tägliche zwischenmenschliche Kontakt beim Sortieren von Spendenwaren oder beim Regale abstauben enorm förderlich. Egal, ob bei Tätigkeiten im Haus oder während der obligatorischen Abholfahrten, "Miteinander" lautet das Motto. Gilt es, irgendwo "im Außendienst" mit fachlicher Kompetenz und hoher körperlicher Intensität beispielsweise eine massive Schrankwand ab- und im Lager wieder aufzubauen, müssen die Leute vor Ort optimal aufeinander abgestimmt sein. Sonst entstehen Reibungspunkte, worunter selbstverständlich auch die Arbeitsqualität leiden würde.

Insgesamt bilden im Diakoniekaufhaus Gunzenhausen neben den acht festangestellten Mitarbeitern über 30 Ehrenamtliche sowie bis zu 20 Teilnehmer aus verschiedenen Förderprogrammen von Jobcenter und Landratsamt ein funktionierendes Kollektiv mit gemeinsamen Kaffeekränzchen, Betriebsausflügen und sonstigen Unternehmungen.

Zeit und Zuwendung

Eine Anlaufstelle inmitten des bunten Geschehens finden nicht zuletzt etliche ältere, einsam wirkende oder hie und da vielleicht auch nur Zuwendung suchende Zeitgenossen. Es entwickeln sich persönliche Gespräche, Gleichgesinnte finden zueinander, Sorgen können ausgetauscht werden. Die Beschäftigten im Diakoniekaufhaus nehmen sich Zeit, begleiten ihre Klientel sogar in einer gewissen therapeutischen Form. Sterbefälle, zerrüttete Ehen, Krankheiten, Probleme mit Kindern oder im Beruf können Ursachen für eine verletzte Psyche sein.

Reichen verständnisvolle Worte nicht aus, besteht die Möglichkeit für jedermann, die Beratungsstellen des Diakonischen Werks oder der Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit (KASA) in Anspruch zu nehmen. Im Kaufhaus gibt es also nicht nur Waren, sondern auch Hilfe in fast allen Lebenslagen. Die Öffnungszeiten: Dienstag und Donnerstag von 9 bis 18 Uhr, Mittwoch, Freitag und Samstag von 9 bis 12.30 Uhr, Montag von 9 bis 14 Uhr nur Spendenannahme.

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