WhatsApp, der Datenstaubsauger

26.1.2015, 13:00 Uhr
WhatsApp, der Datenstaubsauger

© Marianne Natalis

Oder ist es doch eher die „Wanze in der Hosentasche“, die man überall mit sich rumschleppt, und wenn man demnächst Werbung vom blaugelben Möbelhaus aufs Smartphone bekommt, muss man sich nicht wundern? Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte. Wer WhatsApp oder andere Messaging-Dienste nutzen will, der sollte sich darüber im Klaren sein, dass er damit auch viele Daten von sich preisgibt.

Darauf verzichten tut deswegen kaum ein Smartphone-Besitzer, auch Björn Friedrich nicht. Der Medienpädagoge vom Münchner „SIN-Studio im Netz“ war wieder einmal Gast in der Gunzenhäuser Stadt- und Schulbücherei, um dort in der Reihe „Medienwelten“ über die Vor- und Nachteile dieser Internet-Messaging-Dienste zu sprechen. Ein Thema, das offensichtlich am Puls der Zeit ist, denn der Andrang war so groß, dass Büchereileiterin Carolin Bayer und Mitorganisator Martin Bosch vom Bürgernetzverein erst einmal alle Hände voll damit zu tun hatten, weitere Stühle aufzustellen.

Mehrere Milliarden Nachrichten werden täglich allein über WhatsApp verschickt, und für Carolin Bayer stellt sich da schon die Frage, ob das jetzt „beeindruckend oder eher besorgnis­erregend“ ist. Tatsächlich zählt WhatsApp weltweit 900 Millionen Nutzer, allein in Deutschland haben 30 Millionen die App auf ihrem Smartphone installiert. Und längst hat der Messaging-Dienst bei den jungen Usern Facebook den Rang abgelaufen. Das ist, vermutet Friedrich, wohl auch der Grund, warum der Social-Media-Gigant im vergangenen Jahr 19 Milliarden Dollar für WhatsApp hinblätterte.

Denn vordergründig Geld verdienen lässt sich mit WhatsApp eigentlich nicht, die Nutzungsgebühr von 89 Cent pro Jahr ist extrem günstig. Das und die enorme Anwenderfreundlichkeit sorgte für einen kometenhaften Aufstieg der 2009 auf den Markt gebrachten App. Im Gegensatz zur SMS kosten die einzelnen Nachrichten nichts, Fotos lassen sich unkompliziert und binnen Sekunden verschicken und Gruppen können miteinander kommunizieren. Und das ganze ist „technisch perfekt gelöst“, schildert Friedrich nahezu enthusiastisch die Vorzüge dieser App.

Und die Kehrseite der Medaille? WhatsApp und auch der Messaging-Dienst von Facebook sind echte „Datenstaubsauger“. Denn wer sich diese mobile Anwendungssoftware auf sein Smartphone – und nur auf internettauglichen Handys kann man sie nutzen – lädt, der gibt damit sehr viel preis. So gewährt man nicht nur Zugriff auf die eigene Identität, sondern auf das gesamte Adressbuch und den Kalender. Auch der Standort wird gespeichert. „Die können ganz schön viel von dem auslesen, was mein Smartphone über mich weiß“, so Friedrich, und die Tatsache, dass sowohl WhatsApp als auch Facebook mit der NSA kooperieren, trägt da nicht zur Beruhigung bei.

Auch wenn WhatsApp nicht öffentlich ist und die Nachrichten nur vom Adressaten gelesen werden können, allzu viele Möglichkeiten der Einstellung gibt es nicht. Das Adressbuch wird automatisch abgeglichen, jeder neue Kontakt, der WhatsApp benutzt, erfährt automatisch, dass man selbst das auch tut, sieht das Profilbild, erfährt, wann man zuletzt online war (das kann man allerdings unterbinden) und wann man die Nachricht gelesen hat. Das löst aber auch den Druck aus, sofort antworten zu müssen. Dass die Kommunikation über WhatsApp durchaus nervige Seiten hat, nehmen die erfolgreichen You­tuber „Ytitti“ in ihrem witzigen Filmchen „Dinge, die wir bei WhatsApp hassen“ auf die Schippe. Friedrich zeigte das Video  gleich zu Beginn. Von „besoffenen Gruppenchats“ mitten in der Nacht, „unnötige Sprachnachrichten“ und „Stalker“ bis hin zu „Status Spion“ reicht die lustige Kritik, die einen durchaus ernsten Hintergrund hat.

Natürlich gäbe es Alternativen zu WhatsApp und Facebook Messenger, Dienste, die ihren Server nicht irgendwo in Südkalifornien haben und nicht mit dem amerikanischen Geheimdienst zusammenarbeiten. Doch ob Threema, Textsecure, SIMSme oder Telegram, sie alle haben einen entscheidenden Nachteil: Niemand nutzt sie – und wie soll man dann kommunizieren?
Am Donnerstag, 19. Februar, wird die Reihe „Medienwelten“ in der Bücherei fortgesetzt. Dann können sich Interessenten in ein freies Kartenprojekt einarbeiten.

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