„Wir suchen nach individuellen Lösungen“

31.1.2015, 18:00 Uhr
„Wir suchen nach individuellen Lösungen“

© Tina Ellinger

Aus dem Arbeitsamt wurden Arbeitsagentur und Jobcenter, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe wurden neu definiert. Zugrunde gelegt war der Reform das Prinzip des „Forderns und Förderns“. Jetzt, nach zehn Jahren, „können wir sagen, dass diese Grundphilosophie richtig war“, erklärte Gerhard Durst, Geschäftsführer Operativ der Agentur für Arbeit Ansbach-Weißenburg, der zusammen mit dem Geschäftsführer des Job­centers Weißenburg-Gunzenhausen, Bernd Burgschneider, auf ein Jahrzehnt „Hartz IV“ zurückblickt.

Die Statistik zumindest spricht durchaus für sich: So hat sich die Zahl der Arbeitslosen, die Leistungen nach SGB II beziehen – umgangssprachlich oft als Hartz IV bezeichnet – von 1669 im Jahr 2005 auf 742 im Jahr 2014 reduziert. Auch die Zahl der Bedarfsgemeinschaften (Familien oder Lebenspartnerschaften mit SBG-II-Bezug) ist im selben Zeitraum von 2300 auf 1003 gesunken. Dies sei zum einen der sehr guten Entwicklung des Arbeitsmarkts geschuldet, zum anderen aber auch der erfolgreichen Arbeit der Jobcentermitarbeiter.

Dabei geht es um mehr als die klassische Vermittlung, erklärt Bernd Burgschneider. Die tagtäglichen Aufgaben seines Teams gingen weit darüber hinaus in die sozialpädagogische Richtung. Da werde erst einmal geschaut, wo der Mensch, der Hilfe braucht, steht, wie groß sein Potenzial ist, wie sich die gesamte persönliche Situation und die der ganzen Familie darstellt. „Oft sind mehrere Gespräche nötig, um eine individuelle Strategie zu erarbeiten“, weiß Durst. Viele der Betroffenen seien schon so weit vom Arbeitsmarkt entfernt, dass zunächst „einiges im Umfeld abgearbeitet werden muss, um eine Arbeitsaufnahme zu ermöglichen“.

Konkret heißt das: Probleme ausräumen, zum Beispiel in Kooperation mit dem Jugendamt einen Kindergartenplatz oder eine Tagesmutter suchen, damit die arbeitsuchende Alleinerziehende wieder eine Beschäftigung annehmen kann und gleichzeitig die Betreuung der Kinder gewährleistet ist. Um die Möglichkeiten auszuloten, werden auch eher unkonventionelle Wege eingeschlagen, etwa ein Treffen mehrerer Alleinerziehender (ihr Anteil bei den Bedarfsgemeinschaften liegt bei 25 Prozent). Zwei von ihnen taten sich dann, wie Burgschneider nicht ohne Begeisterung erzählt, spontan zusammen, um sich künftig Wohnung und Kinderbetreuung zu teilen. „Es gibt nicht den einen Ansatz. Wir versuchen, individuelle Lösungen zu finden. Und manchnmal braucht es auch ein Quäntchen Glück“, betont der Geschäftsführer des Weißenburger Jobcenters.

Genau diese individuellen Lösungen sind es, die laut Burgschneider seit der Sozialreform verstärkt im Vordergrund stehen, und nicht mehr die Verwaltung. Deshalb scheut er sich auch nicht, von einem Erfolg zu sprechen. Und: Es gibt keinen „Verschiebebahnhof“ mehr, da alle Zuständigkeiten unter einem Dach zusammenlaufen. Er macht aber auch klar, dass man von den 399 Euro Regelsatz „keine großen Sprünge machen“ kann. Deshalb spreche man ja auch von der „Grundsicherung“, die durchaus als Motivation dienen soll, sich im Erwerbsleben einzubringen. Dass der Regelsatz zum Jahresanfang um acht Euro angehoben worden ist, ist bei den meisten seiner Kunden zwar angekommen, aber: „Die emotionalen Äußerungen über die Erhöhung waren bisher noch nicht überschwänglich.“ Anders ausgedrückt ist es für den Großteil wohl nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Bei Ausbildung ansetzen

Das höchste Risiko, im SGB-II-Bezug zu landen, haben übrigens unqualifizierte Erwerbsfähige. „Selbst die Stellen für Ungelernte werden anspruchsvoller“, sind die beiden Fachmänner überzeugt und streben daher schon bei Berufsberatung und Ausbildungsplatzvermittlung eine enge Verzahnung zwischen Jobcenter und Arbeitsagentur an. Auch für Ältere und für Langzeitarbeitslose gibt es eigene Programme, um sie wieder auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren.

Das aber kostet Geld, und die guten Erfolge im letzten Jahr führen dazu, dass die Mittel für die Eingliederung reduziert werden. „Der Haushaltstopf schwindet wie die Bedarfsgemeinschaften,“ verweist Burgschneider auf die Schattenseite der Medaille. Daher versuchen er und sein Kollege Durst, jeden Topf Fremdförderung (beipielsweise über Bildungsträger) anzuzapfen. Aktuell hoffen sie, Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds für ein Projekt speziell für Langzeitarbeitslose zu bekommen.

Trotz aller Bemühungen, guten Entwicklungen und Erfolge müssen für Durst noch immer zu viele Menschen zu lange von Grundsicherung leben. Die Herausforderung bleibe daher, arbeitsuchenden Menschen die Möglichkeit zu erschließen, am Arbeitsmarkt teilzuhaben, sie auf diesem Weg zu begleiten, sie zu fordern und „nach unseren Möglichkeiten zu unterstützen und zu fördern“. Die Hartz-Reform sieht er als einen guten Ansatz, schwierige Probleme gemeinsam zu meistern. Der „Königsweg“ aber ist für ihn klar und heißt: den Übergang in SGB II vermeiden.

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