Hardheimer Flüchtlingsleitfaden: Im Ton vergriffen

8.10.2015, 16:06 Uhr
In vielen Erstaufnahmeeinrichtungen (wie hier in Zirndorf) herrschen nach wie vor beengte Verhältnisse. (Symbolbild)

© Winckler In vielen Erstaufnahmeeinrichtungen (wie hier in Zirndorf) herrschen nach wie vor beengte Verhältnisse. (Symbolbild)

"Liebe fremde Frau, lieber fremder Mann! Willkommen in Deutschland, willkommen in Hardheim. Viele von Ihnen haben Schreckliches durchgemacht. Krieg, Lebensgefahr, eine gefährliche Flucht durch die halbe Welt. Das ist nun vorbei. Sie sind jetzt in Deutschland."

So beginnt der Bürgermeister von Hardheim, Volker Rohm (Freie Wähler), seinen Brief an die Flüchtlinge im Ort, der auf der Homepage der Gemeinde veröffentlicht wurde.  In der 4700-Einwohner-Gemeinde im Neckar-Odenwald-Kreis leben in einer Bedarfsorientierten Erstaufnahmeeinrichtung in einer ehemaligen Kaserne rund 1000 Menschen. Offenbar klappt das Zusammenleben mit den Neuankömmlingen nicht immer ganz reibungslos. Die Süddeutsche Zeitung widmete der Situation vor Ort jüngst eine große Geschichte auf der Seite Drei. Trotz aller ehrenamtlichen Hilfe - man ist auch skeptisch vor Ort.

Belehrungen und Benimmregeln

Der Bürgermeister der Gemeinde legt in dem Brief nach seinen ersten Willkommens-Worten gleich mit einer ganzen Palette an Belehrungen über das Leben in Deutschland und Benimmregeln für die neu angekommenen Asylbewerber nach.

So schreibt er beispielsweise: "Deutschland ist ein sauberes Land und das soll es auch bleiben! Den Müll und Abfall entsorgt man in dafür vorgesehenen Mülltonnen oder Abfalleimer (sic!)."

Oder: "In Deutschland bezahlt man erst die Ware im Supermarkt, bevor man sie öffnet."

Und: "Junge Mädchen fühlen sich durch Ansprache und Erbitte von Handy-Nr. und facebook-Kontakt belästigt und wollen auch niemanden heiraten."

Wie diese Regeln bei den Menschen, für die sie geschrieben wurden, ankommen, hat der Bürgermeister wohl nicht abschließend bedacht. Sie wirken unbeholfen und mit Ressentiments beladen, auch wenn unbestritten ist, dass es für eine kleine Gemeinde wie Hardheim wohl nicht einfach sein mag, die vielen Flüchtlinge zu integrieren. Viele ehrenamtliche Helfer fühlten sich am Limit ihrer Kraft, ist den Artikeln der lokalen Zeitung, den Fränkischen Nachrichten, zu entnehmen.

Diskussion in SternTV

Auch in SternTV am Mittwochabend wollte die Gemeinde deshalb über ihre Probleme und Herausforderungen diskutieren. In den Fränkischen Nachrichten beklagte sich der Bürgermeister Volker Rohm am Donnerstag, dass das Gespräch in der Sendung in eine völlig andere Richtung ging, als im Vorgespräch besprochen. SternTV habe bei einer Bürgerbefragung die Gemeinde als mustergültiges Beispiel für die Aufnahme von Flüchtlingen dargestellt und kritische Stimmen weggelassen. Ängste gebe es aber auch hier, wird der Bürgermeister zitiert. Schwere Delikteaber nicht, sagte er in SternTV. Eher kleinere Zwischenfälle, wie etwa die Plünderung von Gärten, wird er zitiert.

Ein Produkt dieser Ängste mag auch der Willkommensbrief samt Leitfaden sein, den er herausgegeben hat. Am Donnerstag verteidigte Bürgermeister Volker Rohm den Brief gegenüber der Deutschen Presse  Agentur: "Der Leitfaden ist nicht als Schikane gedacht, sondern soll das Zusammenleben zwischen Asylbewerbern und Bevölkerung erleichtern."

Nicht alle Bürger sind mit dem Leitfaden ihres Bürgermeisters einverstanden.

Den richtigen Ton zu treffen, das ist nicht immer ganz einfach, auch als Bürgermeister nicht. Aber mit diesem Brief hat er wohl eher eine mögliche Kommunikation erstickt, denn einen Dialog mit den Asylbewerbern angestoßen. Wer mit Ressentiments begrüßt wird, tritt wohl eher erst mal einen Schritt zurück.

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