Haustrunk für Brauereimitarbeiter: Lizenz zum Saufen?

22.4.2017, 17:37 Uhr
Haustrunk für Brauereimitarbeiter: Lizenz zum Saufen?

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Als sein Bruder vor einiger Zeit baute, brachte Alexander Schwab regelmäßig einige Kästen Getränke vorbei. Mineralwasser, Limonade, Schorle und natürlich auch einige Flaschen Bier. "Ein Feierabendbier war genehmigt für die Bauarbeiter, aber während des Tages gab es keinen Alkohol", erzählt der Marketingleiter der Pyraser Landbrauerei.

Wie in vielen anderen deutschen Brauereibetrieben hat sich in dem kleinen Unternehmen im Landkreis Roth eine Sitte gehalten, die im Wirtschaftsleben sonst nahezu ausgestorben ist: der Deputatlohn. Die Belohnung in Naturalien als tariflich vereinbarte Zusatzleistung hat sich nur noch in wenigen Branchen gehalten – umso beliebter ist sie bei den Empfängern.

"Identitätsstiftende Tradition"

"Der Haustrunk ist eine Tradition, die sympathisch und identitätsstiftend ist und die unsere Mitarbeiter auch zu schätzen wissen", sagt Alexander Schwab. Deshalb hat er wenig Verständnis für einen Vorstoß von Marlene Mortler, der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, die angesichts ihres Kampfs gegen Alkoholmissbrauch den Haustrunk als nicht mehr zeitgemäß betrachtet. "Ich bin mir sicher, dass es Alkohol als Lohnbestandteil in zehn Jahren nicht mehr geben wird", erklärte die CSU-Bundestagsabgeordnete. Das Zahlungsmittel in Europa sei der Euro – "und das ist auch richtig so".

Lothar Ebbertz, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds, sieht Mortlers Vorstoß gelassen, denn diese Form des Deputatlohns ist seit Jahrzehnten im Manteltarifvertrag der Brauer geregelt. Eine Einmischung der Politik in die Tarifautonomie der Branche werde man nicht zulassen, ist sich Ebbertz sicher und weist in diesem Zusammenhang auf die Tatsache hin, dass diese Lohnzusatzleistung auch im Einkommenssteuergesetz geregelt ist. Bis zu einem Betrag von 1080 Euro pro Jahr ist das Entgelt durch Naturalien steuerfrei.

Falsches Bild der Branche

Dieser Passus kommt auch in anderen Branchen zum Tragen. Ein Teil der Bergarbeiter etwa bekommt auch heute noch eine gewisse Menge Kohle für den Eigenbedarf, und bei einigen Lebensmittel-Unternehmen ist der Deputatlohn ebenfalls noch gang und gäbe. "Da frage ich mich, was als Nächstes kommt. Vielleicht wird es irgendwann einen Adipositas-Beauftragten geben, der die Deputate von Schokoladen- oder Gummibärchen-Herstellern verbieten will", meint Ebbertz.

Besonders stört ihn das Bild vom trinkfreudigen Brauereiarbeiter, das durch die aktuelle Debatte neue Nahrung erhält. "Da entsteht ja der Eindruck, dass unsere Branche ihre Beschäftigten durch den Haustrunk zum notorischen Saufen animiert", ärgert sich der Funktionär des Brauerbunds. Dabei sei sich sein Verband der Gefahren von übermäßigem Alkoholkonsum sehr bewusst und unterstütze seit Jahren verschiedene Anti-Missbrauchs-Kampagnen.

Außerdem herrscht inzwischen in vielen Brauereien ein strenges Alkoholverbot. "Unser Braumeister muss natürlich seinen Sud probieren, aber sonst ist unseren Mitarbeitern während der Arbeitszeit kein Bier erlaubt", betont Alexander Schwab. Die Zeiten hätten sich einfach geändert, auch bei den Beschäftigten der Pyraser Landbrauerei spiegelt sich der seit vielen Jahren sinkende Bierkonsum in Deutschland wider.

Im Manteltarifvertrag der Brauerbranche steht zwar, dass als Haustrunk das normale Vollbier einer Brauerei gilt, tatsächlich kann dieser Deputatlohn, der bei manchen Brauereien 60 Liter oder mehr pro Monat beträgt, aber auch aus alkoholfreien Getränken bestehen. Und diese Wahlmöglichkeit wird zum Beispiel auch von den Beschäftigten der Tucher Bräu in Anspruch genommen. "Den Haustrunk nutzen unsere Mitarbeiter gerne, statt sich die Getränke komplett selbst im Handel kaufen zu müssen. Außerdem geben sie die eine oder andere Flasche im Familien- und Freundeskreis weiter", berichtet Tucher-Marketingdirektor Kai Eschenbacher.

"Repräsentativer Querschnitt der Gesellschaft"

Wie niedrig der Anteil von alkoholhaltigem Bier am Haustrunk mittlerweile ist, das weisen die Zahlen des Statistischen Bundesamts aus. Demnach lag diese Menge im Jahr 1991 bundesweit noch bei knapp 600.000 Hektolitern, 2016 hingegen waren es nur noch etwa 137.000 Hektoliter.

"Ich denke, dass unsere Mitarbeiter ein repräsentativer Querschnitt der Gesellschaft sind", sagt Alexander Schwab. In Brauereien gebe es nicht weniger, aber sicherlich auch nicht mehr Menschen mit Suchtproblemen als in anderen Wirtschaftszweigen.

Lothar Ebbertz schlägt in die gleiche Kerbe: "Bis jetzt ist Frau Mortler den Nachweis schuldig geblieben, dass Alkoholmissbrauch in unserer Branche überdurchschnittlich ausgeprägt ist", kritisiert der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbundes. Die Bundestagsabgeordnete aus Lauf äußert sich derzeit jedoch nicht zu der Kritik an ihrer Kritik. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung könne aus zeitlichen Gründen die Fragen der Nürnberger Nachrichten nicht beantworten, ließ uns Mortlers Pressesprecherin wissen.

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