German Hacker: "In Herzogenaurach könnten 35000 Menschen leben"

4.5.2016, 18:51 Uhr
German Hacker:

© Digitales Orthophoto (c) Bayerische Vermessungsverwaltung 2014

Fotos lügen nicht, meistens jedenfalls. Nahezu unbestechlich sind Luftaufnahmen. Sie zeigen, was sich verändert hat über die Jahre.

Es sind zwei Luftaufnahmen, die die NN-Lokalredaktion in den vergangenen Wochen besonders fasziniert haben: Herzogenaurach im Jahr 1964 und Herzogenaurach im Jahr 2014. Zwischen den Aufnahmen liegen 50 Jahre.

Bürgermeister German Hacker unternimmt gerade mit dem Stadtrat große Schritte in der Stadtentwicklung. Das Gespräch mit ihm ist der Versuch, 100 Jahre Herzogenaurach einzufangen - 50 Jahre im Rückblick, 50 Jahre in der Vorschau.

Was ist ihr erster Gedanke, wenn Sie die beiden Luftbilder von 1964 und 2013 vergleichen?
German Hacker: Rein graphisch fällt natürlich auf, dass ganz offensichtlich eine Flurbereinigung stattgefunden hat. Und dann natürlich: das Flächenwachstum der vergangenen 50 Jahre. Man sieht die großen Flächenentwicklungen, aus der Kernstadt heraus, und gerade zwischen Herzogenaurach und Niederndorf.


German Hacker:

© Bayerisches Landesvermessungsamt

Sie sind 1968 geboren, ihre Kindheitserinnerungen  bewegen sich noch in einem Herzogenaurach, das in etwa so aussah wie das Luftfoto von 1964.
Ja sicher, mein Elternhaus ist von 1967 und daher auf dem Foto noch nicht zu sehen. Das Gebiet Lohhof östlich des alten Friedhofs ist ja erst in den Folgejahren erschlossen worden. Als Kinder haben wir da natürlich auf den Feldern gespielt. Jetzt stehen da Häuser.  Vom Lohhof ist ein Bächlein heruntergeflossen, an dem wir gespielt haben. Daran erinnert immerhin noch ein Entwässerungsgraben.

Das Flächenwachstum ist offensichtlich. Was sind die Gründe für diese rasante Entwicklung gewesen?
Es sind viele Punkte, einen halte ich für entscheidend: Stadtentwicklung passiert nicht einfach so als Selbstzweck. Der Grund ist immer irgendeine Art positiver wirtschaftlicher Entwicklung. Im Mittelalter  fand dies z.B. an Kreuzungen bzw. entlang von Handelswegen statt. Im Falle von Herzogenaurach hat das große Wachstum seine Ursache in der wirtschaftlichen Entwicklung seit der Nachkriegszeit, mit zahlenmäßig großen Zuzügen aus wirtschaftlichen Gründen auch und insbesondere ab den 60er Jahren. Die Menschen gehen dorthin, wo sie Arbeit finden, das ist auch völlig normal. Dort ist mehr Wohlstand zu erwarten. Das kann man in Herzogenaurach par excellence beobachten. Die Firmen sind hinlänglich bekannt – Schaeffler, adidas, Puma, Firmen, die alle im Herzogenaurach der Nachkriegszeit gegründet wurden. Und es gibt noch viele kleinere Betriebe, die Arbeitsplätze geschafft haben und schaffen.

Welche Entwicklungen gab es neben dem Wirtschaftsboom?
Den Faktor Kaserne „Herzo Base“ darf man nicht unterschätzen. Durch die Stationierung der US-Armee hat Herzogenaurach ebenfalls einen Bevölkerungsanstieg zu verzeichnen gehabt, und mit der Housing Area und den Gebäuden der Kaserne auch zusätzlichen Flächenverbrauch. Der Abzug der Soldaten Anfang der 90er Jahre hat in der Bevölkerungsstatistik keine Delle verursacht, er ist offenbar nicht schlagartig vollzogen worden, und es kamen entsprechend Neubürger dazu. In den vergangenen 50 Jahren hat Herzogenaurach auch insofern seinen Charakter geändert, als dass viele Mitarbeiter aus der ganzen Welt den Weg nach Herzogenaurach gefunden haben. Es hat eine Internationalisierung stattgefunden, die weiter anhält.


Wie sieht es mit dem Zuzug der Vertriebenen aus?
Auch dies hat natürlich das Wachstum Herzogenaurachs gefördert, wie in vielen anderen Städten ebenfalls. Direkt nach Kriegsende in den ersten beiden Jahren zweifellos mit dem größten prozentualen Anstieg um etwa 50% auf ca. 7.000 Einwohner bis Ende 1947. Außerdem sind in den 60er und 70er Jahren viele Gastarbeiter zugezogen. Hier entstand der Geschosswohnungsbau wie am Ina-Ring/Nutzungsstraße. Schaeffler hat ja ganz konkret Mitarbeiter aus dem Ausland angeworben. Auch hieran erkennt man den direkten Bezug von wirtschaftlicher Entwicklung und Größenentwicklung einer Stadt.

Nochmals zurück zur wirtschaftlichen Entwicklung. Sie ist nicht ohne Flächenverbrauch zu haben?
Das hat mehrere Komponenten.  Wenn mehr Menschen herziehen, weil sie hier einen Arbeitsplatz haben, braucht man mehr Wohnungen. Dazu aber auch mehr Straßen, eine größere Kläranlage, mehr Schulen, Kindergärten, eine größere Verwaltung usw. Eine Person, die hinzukommt, löst nicht nur an einer, sondern an mehreren Stellen Wachstum aus. Dazu steigen auch nach wie vor die Bedürfnisse jedes einzelnen, auch und vor allem an individuell in Anspruch genommener Wohnfläche. „Wachstum auslösende Momente“ gibt es viele. Nehmen wir zum Beispiel die Breitbandversorgung oder die Fernwärme, die es 1964 noch gar nicht gab. Beides benötigt zum Betrieb Gebäude, Fläche für Infrastruktur. Ein wachsendes Aufgabenspektrum ist letztendlich mit ein Grund dafür, weshalb wir aktuell so viele Investitionen vornehmen. Man sieht daran, dass eine Stadt bereits wachsen kann, ohne dass auch nur ein einziger Neubürger dazukommt.

Eine zunehmende Herausforderung sind die Pendlerströme.
 Ja. Man kann insbesondere Herzogenaurach nicht wirklich ohne die Region betrachten. Gerade was den Verkehr betrifft. Für sich alleine würde Herzogenaurach die vierspurige Nordumgehung wohl gar nicht brauchen, wenn alle Mitarbeiter vor Ort wohnen würden. Dies ist allerdings unrealistisch, es werden immer und zunehmend mehr Menschen aus der Region zu uns pendeln.

Kann man sagen, dass es Herzogenaurach in der heutigen Form mit den drei großen Firmen gar nicht geben könnte, wenn nicht in  Nürnberg, Erlangen und Fürth so viele Arbeitnehmer und Beschäftigte wohnen würden?
Es ist richtig, unsere Einpendler kommen zum großen Teil von dort her. Aber ich würde nicht sagen, ohne sie ginge es nicht. Es gibt ja auch kleinere Städte mit großen Firmen, bei denen nicht gleich mehrere Großstädte vor der Haustür liegen. Ohne Nürnberg, Fürth und Erlangen wäre allerdings der Siedlungsdruck auf Herzogenaurach und umliegende kleinere Gemeinden noch größer, und Herzogenaurach sähe sicher anders aus.

Die Pendlerzahlen halten die Stadt ja seit vielen Jahren auf Trab.
Ja, es sind mittlerweile rund 16500 Einpendler. Diese müssen irgendwo wohnen, da ist die Umgebung überaus wichtig. Wir haben zwar auch rund 5400 Auspendler, aber man kann sicher sagen: Dass alle Arbeitnehmer der Stadt auch in Herzogenaurach wohnen können, ist auf absehbare Zeit gar nicht möglich. Dann wären wir eine andere Stadt. Allerdings müssen wir dem Wohndruck schon insofern Rechnung tragen, als dass mit moderaten und dicht bebauten Flächenentwicklungen eine Entlastung des Wohnungsmarkts eintritt. Mit zusätzlichem Wohnraum für ca. 1800 Menschen auf der Herzo Base in den nächsten Jahren ist hier sicher ein richtiger erster großer Schritt getan.

Und einhergehend mit dem Bevölkerungszuwachs hat auch der Verkehr zugenommen?
Ja, aber den massiven Anstieg an Individualverkehr hat es vor und noch mehr nach 1964 auch ohne  Bevölkerungszunahme gegeben. Das Wirtschaftswunder und die Zeit bis heute machte es eben möglich, dass sich die meisten ein Auto leisten konnten und wollten und eine Familie heute mittlerweile mehrere Autos haben kann.

Wenden wir uns der Gegenwart zu. Wie sind die Flächenentwicklungen der letzten Jahre und die aktuellen Planungen aus Ihrer Sicht in diese gerade beschriebenen Entwicklungen einzuordnen?
Charakteristisch für die Phase der Stadtentwicklung in den vergangenen 15 bis 20 Jahren ist, dass wir der rasanten Entwicklung der großen Unternehmen faktisch hinterher rennen. Wir haben jetzt aber einen großen Sprung gemacht. Schon seit einigen Jahren sah man, dass die drei großen Firmen ebenso große Entwicklungsschritte gemacht hatten und das Wachstum weitergehen wird. Mit erheblichen Auswirkungen auf Herzogenaurach. Bei Schaeffler ist das Jahr 1996 ein Schlüsseljahr. Die Ausrichtung auf eine größere Konzernstruktur in Verbindung mit noch stärkerer Ausrichtung auf die Globalisierung und die explodierenden asiastischen Märkte hat seither am Hauptsitz zu erheblichem Wachstum geführt. adidas und PUMA wandelten sich Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre von Familienunternehmen zu Aktiengesellschaften. adidas zog 1999 auf die Herzo Base um, PUMA boomte mit dem damaligen Chef Jochen Zeitz. Hier haben relativ zeitgleich bei allen drei Unternehmen, grob ab Mitte der 90er Jahre, starke Entwicklungsschübe stattgefunden. Und zwar in einer Form, mit der die Stadtentwicklung nicht Schritt gehalten hat, nicht halten konnte. Dem kommen wir jetzt mehr und mehr nach. Das ist gut, wenngleich die Geschwindigkeit immer etwas geringer sein wird als bei Unternehmen.

 Die Unternehmen legen ja auch immer vor, die Stadt muss reagieren.
Das stimmt nur zum Teil. Bei den Bebauungsplänen zur Herzo Base, z.B. denen zum Campus Süd-Ost und Campus Nord-West von adidas, habe ich gesagt, dass wir nicht den Fehler machen dürfen, bei den Folgen für die Stadtentwicklung zu klein zu planen. Wir wissen, dass wir jetzt die Weichen für viele Jahre stellen, und wir kennen in etwa den Bedarf. Wenn ich weiß, dass an einer Stelle eine Arbeitsplatzzunahme von 1000 stattfinden wird, weiß ich auch: Es werden mehr Wohnungen gebraucht, mehr ÖPNV, mehr Kinderbetreuung etc. Wir versuchen etwas näher dran zu bleiben an einer halbwegs absehbaren Entwicklung, aber natürlich werden wir nie völlig im Gleichschritt handeln können.

Wie viel Freiraum bleibt da noch für die Kommunalpolitik, den Flächenverbrauch zu vermindern? Auch die Herzogenauracher Grünen stimmen ja bei fast allen Entwicklungen mit?
Um es ganz plakativ zu sagen: Ich kann leider nicht die Natur aus Regionen, in denen Schrumpfungsprozesse stattfinden und Flächen frei werden, hierher tragen. Wo auch immer diese in Deutschland oder Europa sind. Ich muss als Kommunalpolitiker vor Ort dem Rechnung tragen, dass florierende Unternehmen an einem Standort Wachstum nötig haben. Nicht zum Selbstzweck, sondern um notwendige Strukturen eines global agierenden Unternehmens an seinem Hauptsitz möglich zu machen. Wie gesagt: In Herzogenaurach sitzen drei große, global agierende, börsennotierte Unternehmen. Dem muss man aus der Verantwortung für ein „Gesamtsystem Metropolregion Nürnberg“ – oder noch größer – heraus Rechnung tragen. Es geht es nicht um die Selbstverwirklichung eines Kommunalpolitikers. Der Wohlstand einer Region hängt davon ab, es gilt ihn zu erhalten, und wenn möglich, zu erhöhen. Es ist unsere Aufgabe, das auf Grund globaler Konkurrenz nötige Wachstum dieser Unternehmen strukturpolitisch möglich zu machen. Dennoch haben wir den Anspruch, dies sehr flächeneffizient zu tun.

Egal, was produziert wird? Was wäre, wenn in Herzogenaurach Chemiewaffen produziert würden?
Da kann ich zum Glück sagen: In Herzogenaurach werden Produkte hergestellt, die unseren Alltag bestimmen, und auf die wir, denke ich, alle nicht verzichten wollen. Und wenn man sieht, wie sehr in den Unternehmen auf Effizienz und Nachhaltigkeit Wert gelegt wird, dann ist das doch sehr gut.



Eine Kommunalpolitik, die die Versiegelung stoppt, ist also gar nicht möglich?
Theoretisch könnte man natürlich sagen, „wir bauen nichts mehr zusätzlich“. Aber das ginge nur für kurze Zeit und hätte schnell massive Auswirkungen. So manche Firma würde wohl oder übel die Standortfrage stellen müssen, wenn alle Möglichkeiten der sinnvollen Nachverdichtung ausgeschöpft wären.

Außerdem würde ein Bürgermeister, der das Bauen stoppt, bald abgewählt werden?
Möglicherweise. Es geht realistischerweise doch darum, moderate Schritte zu tun. Und unsere Flächenentwicklung  ist gegenüber der andere Kommunen sogar sehr moderat. Was wir im Gewerbegebiet  Nord 2 als Gesamtfläche für viele Betriebe ausgewiesen haben, kann andernorts ein Unternehmen komplett als eine Fläche für sich kaufen. Beim Wohnungsbau möchten wir stets verdichten und lieber etwas höhere Gebäude zulassen. „Nachverdichtung“ sowie „Innen- vor Außenentwicklung“ sind die Stichworte hierzu. In beidem steckt noch hohes Potenzial. Was dazukommen muss: Der Verkehrsmix  muss sich langfristig ändern. Deswegen auch unser dringender Wunsch nach der Stadt-Umland-Bahn, der wir durch den Erlanger Bürgerentscheid jetzt ein großes Stück nähergekommen sind. Wir brauchen eine neue ÖPNV-Hauptverkehrsachse, um langfristig verdichteter bauen zu können. Man kann historische Straßenverläufe in Innenstädten nicht ändern, aber man kann verdichtet bauen. Leider auch vereinzelt mit einigem Ärger, wie kürzlich bei der Rilkestraße oder von-Hohenlohe-Str. Der Verkehr muss auch weiterhin ein Thema bleiben. Wir rücken das Fahrrad weiterhin in den Vordergrund. Es wird nicht jeder sofort umsteigen, aber der Trend dazu wie auch zu mehr ÖPNV wird weitergehen.

Was sind nach der Entwicklung der Herzo Base die nächsten Entwicklungsschritte?
Zunächst: Wenn man alleine die Flächen nimmt, über die wir derzeit sprechen, nämlich die Herzo Base-Wohnbauabschnitte II und III, das geplante Baugebiet im Süden Niederndorfs und das neben der Reha-Klinik, und den Teil Wohnen im Gebiet „Reihenzach“ (u.a. Stadthalle), so wird hier Wohnraum für sicher 3000 Menschen möglich. In fünf bis zehn Jahren könnten wir so bereits bei 26.000 Einwohnern liegen, heute sind wir 24.000. Weitere Überlegungen stehen an, wenn wir ab 2017 die Überarbeitung des Flächennutzungsplans beginnen möchten. Dieser soll dann die Entwicklungsabsichten bis etwa zum Jahr 2035 aufzeigen.

Werfen wir jetzt einen Blick auf das Jahr 2066, also 50 Jahre ab jetzt. Wenn alles so weiterläuft wie bisher, wie sieht Herzogenaurach dann aus?
Es gilt auch hier: Alles beruht weitgehend auf der Basis der wirtschaftlichen Entwicklung. Bei uns und in der Region. Ich bin davon überzeugt, dass die Metropolregion Nürnberg als Standort global betrachtet bevorzugt ist und daher wachsen wird. Und das heißt dann auch: mehr Flächenverbrauch. Es wird Wachstum geben, aber bei weitem nicht mehr in dem Maß, wie es in den vergangenen 50 Jahren war. Ausgedehnte Einfamilienhaussiedlungen mit großen Grundstücken, wird es nicht mehr geben können.


Will nicht jeder ein großes Haus mit großem Grundstück?
Nein, bei weitem nicht jeder. Man muss dabei vor allem auf eine bisher nicht erwähnte, grundsätzliche Entwicklung hinweisen: Die so genannte Re-Urbanisierung, bei uns auch auf Grund der demografischen Entwicklung. Gemeint ist der weltweite Trend, dass Menschen tendenziell in die (großen) Städte ziehen, in denen man Arbeit und ein großes Angebot an Infrastruktur findet. Der Großraum Nürnberg/Erlangen/Fürth, wir faktisch mitten darin, spürt dies deutlich. Ich sehe darüber hinaus auch die Tendenz, dass Menschen, die vor Jahrzehnten das „Haus im Grünen auf dem Land“ gebaut haben, nun, nachdem die Kinder längst aus dem Haus sind, man älter geworden ist und nicht mehr im Berufsleben steht, den ganzen Platz und den großen Garten nicht mehr brauchen und im Alter in Städte ziehen, die kurze Wege und eine gute Versorgung mit allem Nötigen bieten. Auch dies spüren wir in Herzogenaurach, ich behaupte sogar in verstärkter Form, weil ich sehr viele Beispiele kenne, in denen Eltern im höheren oder gar hohen Alter, zu ihren hier arbeitenden Kindern und deren Familie ziehen.  


Wird Herzogenaurach mit Erlangen zusammenwachsen?
Das wohl nicht, es wird auch noch in 50 Jahren eine Autobahn geben, aber eine weitere Annäherung wird sicher stattfinden. Herzogenaurach sollte aber auch künftig bemüht sein, seine Vorteile, die in einer noch überschaubaren Größe der Kommune liegen, gegenüber den großen Städten zu wahren. In Nürnberg braucht man schon erst mal eine Weile, bis man raus ins Grüne kommt. Diesen Vorteil hat Herzogenaurach. Es gibt kurze Wege, trotzdem findet man alles am Ort, außer Kino oder Opernhaus, aber diese sind ja nicht so weit entfernt.

Bei einer weiteren Ausdehnung nach dem Muster der vergangenen Jahrzehnte müsste aber Herzogenaurach doch um seinen kleinstädtischen Charakter fürchten.
Das glaube ich nicht. Möglicherweise steigt die Bedeutung von Stadtteilzentren. Das Altstadtzentrum wird es aber immer geben, aber verkehrlich, insbesondere beim Autoverkehr, ist hier irgendwann eine Grenze erreicht. Ich gehe davon aus, dass wir im Norden bei einer weiteren Entwicklung der Stadt einen weiteren ÖPNV-Drehpunkt, ergänzend bzw. entlastend zum zentralen Omnibusbahnhof, benötigen. Diese Möglichkeit werden wir bei der Entwicklung des Bebauungsplans „Reihenzach“ prüfen. Es genügt ja z.B. ein Umsteigepunkt von regionaler Bus- oder StUB-Linie an das HerzoBus-System.

Wird Beutelsdorf in 50 Jahren von Herzogenaurach geschluckt sein?
Nein, da wird immer ein großer Zwischenraum bleiben.

So wie zwischen Herzogenaurach und Niederndorf?
Nein, Beutelsdorf ist da wohl anders zu betrachten. Es ist ja zudem die Einflugschneise des Flugplatzes dazwischen, und die landwirtschaftlichen Flächen bzw. der Naherholungsraum haben große Bedeutung.

Ein Flugplatz als Mittel gegen den Flächenverbrauch?
German Hacker (lacht): Nein, so sollte man es nicht sehen.  Es gibt in Herzogenaurach  viele Naturräume, und  die sind unantastbar. Flusstäler, Wälder, wertvolle landwirtschaftliche Flächen. Von den Rändern dieser Flächen sind wir nicht mehr weit weg. Das theoretische Flächenwachstum ist also schon von daher begrenzt.

Alles bleibt in einem guten Rahmen?
Ich hoffe, ja. Wachstum wird stattfinden, aber zunehmend wird uns der Verkehr einholen und Grenzen setzen, wenn es nicht gelingt, mehr davon per ÖPNV oder Fahrrad abzuwickeln. Auch das Thema Klimawandel wird uns massiv beschäftigen, davon bin ich überzeugt. Das werden wir schon in den nächsten Jahrzehnten erleben. Solch heiße und trockene Sommer wie im letzten Jahr werden sich häufen. Es wird auch normale Jahre geben, aber wir werden uns damit beschäftigen müssen, Wasserreservoirs zu schaffen und auf passende Bepflanzung zu achten. Die Waldbesitzer beschäftigt das bereits sehr. Unser Wald macht einen Sommer wie 2015 ein, zwei Male mit, aber dann nicht mehr. Für Bauweisen heißt das: mehr begrünte Dächer, mehr Solarenergie, mehr schattenspendende Bepflanzungen. Wir müssen weiter lernen, technisch mit den Auswirkungen des Klimawandels umzugehen. Zum Glück können wir dies hierzulande, da haben unsere afrikanischen Freunde in unserer Partnerstadt Kaya in Burkina Faso weit größere Schwierigkeiten.

Geben Sie doch für uns eine Prognose ab, wie viele Einwohner Herzogenaurach in 50 Jahren haben wird.
Also ich würde sagen, Herzogenaurach kann im Jahr 2066 sicher 35000 Einwohner haben, vielleicht noch etwas mehr. Voraussetzung ist, dass man konsequent eine dichtere Bebauung schafft und einen anderen Mix bei den Verkehrsarten mit deutlich mehr Radverkehr und ÖPNV hinbekommt.

Nochmals die Frage:  Gebe es für Sie theoretisch einen Weg, ein derartiges Wachstum zugunsten der Natur zu verhindern?
Ich sage es mal so: Wenn die wirtschaftliche Entwicklung im Großraum diese Bevölkerungsentwicklung fordert, dann ist dies auch von den Kommunalpolitikern der nächsten Jahrzehnte nicht verhinderbar. Es wäre auch fatal, wenn man dies täte, weil man eine positive und für die Region existenziell wichtige Entwicklung zerstören würde. Wenn man Unternehmen hat, von denen man lebt, dann muss man eine Entwicklung auch möglich machen. Wenn ich dies kommunalpolitisch verwehre, müssten und würden die Unternehmen woanders wachsen. Der Flächenverbrauch wäre in der Summe derselbe. Ich darf aber darauf hinweisen, dass der nötige Flächenverbrauch gegenüber der Vergangenheit weitaus geringer wäre.

Wie ist dann die Rolle  des kommunalen Naturschutzes in Herzogenaurach zu sehen?
Die nötige Entwicklung möglichst verträglich bezüglich des Flächenverbrauchs und der Verkehrsauswirkungen zu steuern. Also: Wie kann man auf weniger Raum als bisher Menschen unterbringen, so dass die Lebensqualität  dennoch passt? Da haben wir aus meiner Sicht sehr gute Voraussetzungen. Wir können trotz weiterer Entwicklung freie Äcker und nur fünf Minuten zu Fuß zu den grünen Erholungsräumen hinaus haben. Nochmals: Entwicklungen werden nicht des reinen Wachstums willen möglich gemacht. Es geht um notwendige Entwicklungen, die inhaltlich wohl begründet sind.

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