Hochburg der Diebe: So viel wird in Franken geklaut

10.11.2017, 18:00 Uhr
Besonders auf Weihnachtsmärkten und anderen Großveranstaltungen gehen Taschendiebe systematisch vor.

© Frank Rumpenhorst dpa Besonders auf Weihnachtsmärkten und anderen Großveranstaltungen gehen Taschendiebe systematisch vor.

Der Griff ist kaum spürbar, aber er hat Folgen: Dutzende organisierte Taschendieb-Banden ziehen jeden Tag durch Deutschlands Innenstädte. Die Polizei warnt seit Jahren vor der Gefahr, besonders bei Großveranstaltungen. Und dennoch steigt der Sachschaden durch Langfinger beinahe jährlich. Das Portal shopping.de will jetzt errechnet haben, wie schlimm die Lage wirklich ist. Demnach schoss der Schaden allein in den vergangenen sechs Jahren von 29,5 Millionen Euro (2011) auf fast 52 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Die Nürnberger Polizei betont auf Nachfrage: Hier fehlen belastbare Quellen, die Schäden könne man nur schätzen.

Ein differenziertes Bild soll die regionale Aufschlüsselung von shopping.de zeigen. Polizeiliche Daten aus über 400 Landkreisen hat das Portal verglichen - und zeichnet besonders für Großstädte in Nordrhein-Westfalen ein vermeintlich düsteres Bild. Mit 1314 Diebstählen pro 100.00 Anwohner ist Düsseldorf mit seiner "Kö" die Hauptstadt der Langfinger, gefolgt von Berlin (1271). Mit Köln, Wuppertal, Dortmund, Gelsenkirchen und Bonn liegen gleich sechs Städte aus dem Westen Deutschlands unter den Top Ten.

In Nürnberg ist die Lage vergleichweise entspannt. 176 Taschendiebstähle gibt es in Frankens größter Stadt je 100.000 Einwohner - und damit dennoch 95 Prozent mehr als im deutschlandweiten Durchschnitt. Deshalb spricht shopping.de von einer besonderen Gefährdung.

Papier wirft Fragen auf

Die Polizei widerspricht. Genau 900 Taschendiebstähle registrierte man im Jahr 2016. Das sind gerade einmal 1,9 Prozent aller Straftaten im Stadtgebiet. Die Basis für die Einschätzung von shopping.de bildet eine sogenannte Deutschland-Studie, die mehr Fragen aufwirft als sie beantwortet. Für das Papier wurden Kriminalstatistiken auf Bundes- und Länderebene sowie die Daten einiger Polizeipräsidien ausgewertet. Daneben fließen Inhalte einzelner Medienberichte ein, die teilweise fast wörtlich übernommen wurden. Der Tenor der Autoren lautet: Die Zahl der Taschendiebstähle in Deutschland hat dramatisch zugenommen, und: Die Taten gehen vor allem auf das Konto osteuropäischer Banden.

Nun, beides ist richtig, aber – von einigen Brennpunkten in Deutschland abgesehen – weitaus weniger dramatisch zu bewerten. Rein statistisch betrachtet, sind solche Taten seit dem Mauerfall 1989 explodiert – von 36.839 auf 164.771 registrierte Fälle bundesweit im Jahr 2016 (plus 447 Prozent). Bei Licht betrachtet sind das etwa zwei Diebstähle je 1000 Einwohner – die Gesamtzahl aller Straftaten in Mittelfranken lag 2016 bei 53 je 1000 Einwohner.

Fürth zweitsicherste Großstadt

Wie so oft bei Kriminalstatistiken steht Fürth deutlich besser da. Nur 39 Fälle registrierte die Polizei laut shopping.de dort - damit ist die Kleeblattstadt die zweitsicherste über 100.000 Einwohner. Im Landkreis Fürth sind es sogar nur 9. Besser sind nur die Landkreise Hof (6), Würzburg, Bamberg und Neustadt Aisch-Bad Windsheim (jeweils 8). Mit Forchheim-Stadt, Kronach und Main-Spessart liegt der Landkreis Fürth gleichauf.

Auch sonst finden sich fränkische Städte und Landkreise eher am unteren Rand des Rankings. Konkret:

Nürnberger Land - 10 Diebstähle je 100.000 Einwohner
Weißenburg-Gunzenhausen - 10 Diebstähle je 100.000 Einwohner
Miltenberg - 10 Diebstähle je 100.000 Einwohner
Roth - 10 Diebstähle je 100.000 Einwohner
Coburg - 10 Diebstähle je 100.000 Einwohner

Ausnahmen aus fränkischer Sicht sind Aschaffenburg (141), Würzburg (131), Regensburg (123), Bamberg (98) und Erlangen (92) - Städte mit größeren Einkaufsmeilen eben. Hier scheinen Taschendiebe besonders gerne zuzuschlagen.

Alle Städte in Deutschland jedoch haben eines gemeinsam: die verschwindend geringen Aufklärungsquoten. In Nürnberg etwa liegt sie bei 5,1 Prozent, andere Landkreise und Städte stehen nicht besser dar.

Dass die Aufklärungsquote (auch bundesweit) so niedrig ausfällt, liegt in der Natur der Sache. In aller Regel bemerken Opfer eines Taschendiebstahls die Tat erst einige Zeit später – wenn der oder die Täter längst im Gewimmel untergetaucht sind. Meist können Betroffene daher weder eine nähere Tatort- noch eine Täterbeschreibung abgeben, weshalb den Ermittlern jeder Ansatzpunkt fehlt.

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