1. Mai: Klage über „Verwildung des Arbeitsmarktes“

3.5.2015, 15:02 Uhr
1. Mai: Klage über „Verwildung des Arbeitsmarktes“

© Fotos: Spörlein

Zuvor übernahm Ortskartellvorsitzender Norbert Bechstein die Begrüßung. Er betonte, dass sich der Tag der Arbeit zum 125. Mal jähre. Unter Bismarcks Sozialistengesetze seien politische Versammlungen verboten gewesen. Die Arbeiter umgingen dies mit „gemeinsamen Ausflügen.“ Fahnen waren auch verboten, weshalb man sich mit einer roten Nelke im Knopfloch zu erkennen gab. Das Maiabzeichen sei seither quasi der Ausweis eines Gewerkschafters.

1. Mai: Klage über „Verwildung des Arbeitsmarktes“

Bechstein ließ es sich nicht nehmen, das Maiabzeichen dem INA-Betriebsrat Bernhard Schmitt ans Revers zu heften. Begleitet von zackigen Klängen der Höchstadter Stadtkapelle, meinte Bechstein, dass man es sich nicht nehmen lasse, die Bedingungen der Arbeit aktiv mitzugestalten. „Dazu zählen die Umsetzung des Mindestlohns, die Bekämpfung der prekären Beschäftigungsverhältnisse und die Verteidigung unserer Rechte im deutschen Freihandel“, so der Vorsitzende, der schon seit 1993 in diesem Amt tätig ist.

Bechstein hieß unter anderem Bürgermeister Gerald Brehm willkommen, die beiden Geistlichen, Kilian Kemmer und „Kollege“ Fritz Schäfer, aber auch INA-Betriebsratsvorsitzenden Roland Holler, die Landtagsabgeordnete Alexandra Hiersemann, Vizebürgermeister Günter Schulz, die Kreisräte Mechthild Glab und Andreas Hänjes. Auch Vizelandrat Christian Pech war mit von der Partie.

Zu lange schon, fuhr Bechstein fort, sei dem neoliberalen Mainstream gefolgt worden, der den Sozialstaat schleichend unterwandere. Nun mache man an diesem symbolträchtigen Tag darauf aufmerksam, dass sich Arbeiter ihre guten Rechte nicht nehmen lassen. „Und den Mindestlohn schon gleich gar nicht“, der seiner Meinung nach von der CSU und der Wirtschaft als angebliches Bürokratiemonster diffamiert werde. Zum geplanten Freihandelsabkommen (TTIP) meinte Bechstein, dass dieses erst von den Gewerkschaften akzeptiert werde, wenn soziale, arbeitsrechtliche und ökologische Verschlechterungen ausgeschlossen werden.

Historische Reform

Für Andrea Sicker war ihr Besuch in Höchstadt ein Heimspiel, schließlich traf die Lonnerstadterin am Marktplatz auch wieder frühere Kollegen der Firma Schaeffler, wo sie einst stellvertretende Betriebsratsvorsitzende war. Seit 2012 arbeitet Sicker als Gewerkschaftssekretärin bei der IG Metall in Bamberg. Sie sprach von durchaus vorzeigbaren Erfolgen, die auch durch gezielte Gewerkschaftsarbeit erreicht wurden, von der „historischen Reform“, dem Mindestlohn, von der abschlagsfreien Rente mit 63, von einer Allianz für Aus- und Weiterbildung und nicht zuletzt von einer Stärkung der Allgemeinverbindlichkeiten.

Das seien Ziele, die nur durch Einigkeit erreicht werden konnten, meinte sie. 3,7 Millionen Menschen würden vom gesetzlichen Mindestlohn profitieren, „und dafür haben wir lange gestritten, jetzt werden wir den Mindestlohn auch verteidigen.“

Sickers Themen waren in Höchstadt unter anderem auch die Regulierung von Leiharbeit und der Werkverträge, die Subventionierung von Dumpinglöhnen, die Nachtarbeitszuschläge, die Ergebnisse der Tarifverhandlungen, die Warnstreiks in der Region und die Stärkung der gesetzlichen Rente. Sie beleuchtete die Minijobfalle ebenso wie die Frauenquote, die Kinderbetreuung und das aus ihrer Sicht mehr als ungerechte Steuersystem. Schließlich fasste sie ihre Ausführungen mit deutlichen Worten zusammen: „Die Verwilderung des Arbeitsmarktes muss wieder in Ordnung gebracht werden.“

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