Am alten Stadtturm reift ein Schmuckstück heran

1.9.2017, 06:00 Uhr
Am alten Stadtturm reift ein Schmuckstück heran

Ein weißer Bauzaun verhüllt das schmale Haus, das in der Hauptstraße direkt ans Stadttor und die Stadtmauer angebaut ist. Dahinter wird schon eifrig gewerkelt. In allen drei Geschossen sind Wände aufgehauen, Holzbalken, Fußböden und das Dach freigelegt, um zu sehen, wo es Schäden gibt. "Aber für sein Alter ist es ganz in Ordnung", stellt Architekt Georg Leyh zufrieden fest.

Am alten Stadtturm reift ein Schmuckstück heran

Das Haus ist vermutlich um 1680 herum gebaut, der Keller dürfte etwas älter sein — vermutlich schon vor dem Schwedenkrieg, so Leyh. Hinter dem Fassadenputz verbirgt sich ein "ziemliches Schmuckfachwerk", das bei der Sanierung freigelegt werden soll. Die Holzbalken, meist aus Kiefer, seien großteils ganz gut. Im Erdgeschoss hat sich einst eine offene Feuerstelle befunden und "Ruß und Teer haben die alten Holzdecken optimal konserviert", erläutert der Architekt.

Hier im Erdgeschoss soll einmal der Gastraum für das geplante Weinlokal entstehen, daneben Küche und Toiletten sowie ein Nebenraum im hinteren, nicht unterkellerten Bereich, dort wo sich der Boden leicht gesetzt hat. "Anscheinend ist das Haus ehemals erweitert worden und das Fundament dort wurde einfach auf Schutt gebaut", so Leyh. "Aber Fachwerk hält das aus, das ist elastisch." Man werde versuchen, das Haus neu auszurichten, indem das Gebäude vorsichtig mit einer Kurbelwelle angehoben wird.

Am alten Stadtturm reift ein Schmuckstück heran

© Fotos: Edgar Pfrogner

"Klein, aber fein", so stellt sich Hausbesitzer Reinhard Grasse das künftige Lokal vor. "Es werden etwa 40 Leute Platz haben." Der Rentner, der einst im Topmanagement bei Siemens gearbeitet hat, will mit seinem Bauvorhaben dazu beitragen, dass "die Höchstadter Innenstadt aufgepeppt wird". Der 71-Jährige, der sich seit Jahren im örtlichen Kulturbereich engagiert, will Kleinkunst wie Musik, Literatur, Lesungen ins Lokal holen, um die Kulturszene zu beleben.

Einen Namen für das Lokal hat er schon. "Brünnla" soll es heißen, weil nämlich im Innenhof ein etwa acht Meter tiefer Brunnen ist, der rekonstruriert werden soll. Der Blick vom Hof auf den Stadtturm und die alte Stadtmauer ist überwältigend und lässt erahnen, dass hier ein Schmuckstück reift.

Im ersten Stock des Anwesens soll ferner ein ehemaliger Laubengang, der zum Innenhof hinausgeht, wieder aufgemacht werden. "Der Laubengang gefällt mir besonders gut", freut sich Grasse. Dort im Obergeschoss wird eine Wohnung — fünf Räume auf rund 100 Quadratmeter — liegen, die er als künftiger Lokalbetreiber selbst beziehen will. Im Obergeschoss sind alle Holzbalken und an den Wänden verschiedene alte Farbschichten — natürlich in Abstimmung mit dem Denkmalschutz — freigelegt. "Das alte Fachwerk war wahrscheinlich mal rot", zeigt Leyh an einem Balken.

Der alte Dielenboden aus Kiefer mit Eichenbändern ist erstaunlich gut erhalten, er muss nur geschliffen und eingelassen werden. Innen ist der Putz abgeklopft und man sieht gut das schöne Zierfachwerk an der Vorderfront. An manchen Stellen ist das Holz mürbe, "hier wird es handwerklich angesetzt". Auch die Balkenbohlendecke, wie früher üblich mit Lehm aufgefüllt, sei gut in Schuss. "Die Decke ist der Klassiker im Barock", weiß der Architekt, der auch das "Töpfla" restauriert hat, das nur ein paar Meter weiter an der Hauptstraße steht.

Unterm Dach ist es gerade sehr hell, weil das Gebäude mit einem fast durchsichtigen Schutzdach abgedeckt ist. Die Biberschwänze wurden bereits entfernt, um das Gebälk zu inspizieren. Dabei wurden etliche uralte Ziegel entdeckt: "Das sind Ritter-Spitz-Ziegel, die dürften so rund 500 Jahre alt sein." Leyh ist ganz fasziniert: "Die hatten auch schon eine Nase und die Größe war standardisiert." Daneben seien noch etliche glasierte Ziegel aus der Barockzeit auf dem Dach gefunden worden. Es ist geplant, alle alten Ziegel wieder auf dem Krüppelwalmdach, das zur Straße zeigt, zu verlegen.

Im Dachgeschoss rechts neben den Fenstern soll an der Außenfassade wieder eine alte Madonna ihren Platz finden, die früher schon dort hing. Die Heiligenfigur aus dem frühen 18. Jahrhundert war lange im Heimatmuseum eingelagert und wurde jetzt restauriert. Offenkundig hält sie schon ihre schützende Hand über das alte Haus, denn vor großen unliebsamen Überraschungen sind Hausbesitzer und Architekt bisher verschont geblieben. "Der erste Tag der Offenbarung war gestern, eine Schadensbegehung mit dem Statiker", erzählt Leyh. "Aber dabei sind keine Schäden aufgetaucht, die wir nicht vermutet hatten, daher sind wir ganz zufrieden."

Auch Reinhard Grasse ist guter Dinge: "Es ist spannend, vor allem, wenn man sieht, was die Menschen früher schon alles gewusst haben." Auch er hat bereits Erfahrung mit alten Häusern. "Ich habe vor acht Jahren einen Dreiseithof in Steppach restauriert. Das hat Spaß gemacht." Außerdem, so gesteht er: "Ich mag alte Häuser." Und wann ist die Fertigstellung geplant? "Meine Goldene Hochzeit am 16. August 2018 will ich hier feiern", sagt er und lacht gleich selbst. Naja, das sei wohl etwas zu ambitioniert. "Realistisch ist eher Frühjahr 2019."

 

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