"Unverschämt": Aurachtaler bringen Richter in Rage

16.10.2018, 18:52 Uhr

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Ausgedünnt zeigt sich die Anklagebank zur Rechten des Vorsitzenden Richters. Statt der bislang neun Personen finden sich dort am zweiten Verhandlungstag nur noch sechs. Die drei Strafverteidigerinnen aus Köln haben ihr Mandat nach der ersten Sitzung im Prozess wegen mehrfachen Betrugs niedergelegt, wie Richter Wolfgang Gallasch zu Beginn des Verhandlungstages bekanntgibt.

Doch damit nicht genug: Im nächsten Schritt beantragen die drei Angeklagten (eine Mutter mit Tochter und Sohn), ihre Pflichtverteidiger von ihren Aufgaben zu entbinden – sie sollen sich den Wünschen ihrer Mandanten widersetzt und diese nicht adäquat vor Gericht vertreten haben. Zudem verkündet die Tochter, einen Wahlverteidiger aus Landshut engagiert zu haben.


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Dieser hat sich auch postalisch einen Tag vor dem Prozesstermin beim Erlanger Amtsgericht gemeldet, jedoch sogleich um Aufschub gebeten – er hätte noch andere Termine. Gallasch ist wenig begeistert von diesem Vorschlag, bezeichnet das Vorgehen als "unverschämt" und wittert eine Verzögerungstaktik. In der Folge lehnt er die Enthebung der Pflichtverteidiger – schließlich säßen die Angeklagten dann allein da – und den Antrag auf Aufschub ab.

Der zweite Zeuge im Prozess, der nun vernommen wird, wirft ebenfalls kein gutes Licht auf das Familienunternehmen aus dem Landkreis. Als selbstständiger Bauträger habe er für ein geplantes Neunfamilienhaus im Sommer 2014 einen Aufzug bestellt. Angekommen sei dieser nie. Bei der Planung des Hauses sei ihm ein "preislich attraktives" Angebot aus Aurachtal unterbreitet worden, die erste Anzahlungsrate belief sich auf 7000 Euro und wurde mit Vertragsabschluss fällig. Zwei weitere, gleich hohe Raten musste er im Laufe der Konkretisierung seines Bauvorhabens leisten, was in der Baubranche laut des Zeugen üblich sei. Als das Haus im darauffolgenden Jahr fertig wurde, fehlte nur noch eines: der Aufzug.

Zwischenzeitlich habe die Liftfirma über Wochen hinweg weder auf E-Mails noch auf Anrufe reagiert, zur weiteren Verzögerung sei ihm ein anderer, schnellerer Aufzug gegen einen "geringfügigen Aufpreis" versprochen worden. Ein Monteur bescheinigte jedoch bei einem Besichtigungstermin, dass das Gebäude in diesem Bauzustand für einen solchen Lift überhaupt nicht ausgelegt sei.

Der Zeuge rief einen Anwalt hinzu, ließ eine andere Firma den Aufzug einbauen, und sein Anwalt klagte gegen das Aurachtaler Unternehmen. Mittlerweile darf er, wie auch der erste Zeuge, bei der Familie pfänden, im Zivilprozess wurde ihm in mehreren Instanzen Recht gegeben. Dennoch hätten ihn die Anzahlungen sowie die Kosten für Verhandlungen bereits etwa 38 000 Euro gekostet, sagt er vor Gericht.

Während die Staatsanwaltschaft nur eine kurze Frage stellt, besteht von Seiten der Angeklagten – vor allem der Mutter – noch enormer Redebedarf. Gallasch muss sie immer wieder daran erinnern, Fragen zu stellen und sich nicht in Monologen zu verlieren.

Es geht um Statiknachweise, die nicht erbracht werden, zwischenzeitlich bezichtigt sie den Zeugen sogar der Lüge, sodass der Richter drohend einschreiten muss. Die Wahrheit tue nun einmal weh, meint die Mutter in diesem Zusammenhang, woraufhin Gallasch der Kragen platzt: "Sie sind der liebe Gott oder was?" Die Sitzung wird am kommenden Dienstag fortgesetzt.

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