Auf dem Pferderücken kann man nicht nur sitzen

17.8.2014, 14:59 Uhr
Auf dem Pferderücken kann man nicht nur sitzen

© Ingrid Jungfer

Dem ersten Regen des Vormittags kann die Gruppe ohne Probleme ausweichen. Denn Reitpädagogin Susanne Marx, die auf dem weitläufigen Gelände neben Joki zwei weitere Pferde hält, lässt die fünf Mädchen und zwei Jungen erst mal in Zweiergruppen den Hengst putzen. Damit kommen sie dem sensiblen Tier nahe. Einer hält, der/die andere putzt. Und dann umgekehrt.

Allzu groß ist die Scheu der Gäste allerdings nicht. Denn auf irgendeine Weise hat jeder von ihnen bereits Kontakt mit Pferden gehabt. Melissa (9) erzählt vom „guten Gefühl“, wenn sie auf einem Pferd sitzt. Ihre Cousine hat eines. Melissa besucht sie gern. Shayenne (10) durfte erstmals während des Aufenthalts im Schullandheim reiten. Jetzt geht sie manchmal zum Reiten nach Höfen. Alyha (10) besitzt „leider kein Pferd“. Dafür hat sie bereits in der Schule ein Referat über Pferde gehalten.

Alexandra (6) hat noch einige Bedenken“ — die sich später verflüchtigen. Und Sophie (6) ist von Beginn an begeistert dabei: „Schön!“, strahlt sie nach den ersten Runden auf Jokis Rücken, auf dem sie sich später mutig „schlafen“ legt. Auch die beiden Jungs Ryan (6) und Lo (9) gehen mutig und aktiv vor. Ryan turnt gegen Ende des Kurses geradezu auf dem Pferderücken, richtet sich auf und steht sogar, während Joki im Kreis trottet. Lo hängt bequem ganz nach Indianermanier auf Jokis Rücken, wendet sich mal auf den Bauch, mal auf den Rücken. „Das war richtig cool“, so sein Kommentar, als er absteigt.

Vor dem aktiven Reiten hat Susanne Marx die kleinen Reiter in die „Sprache“ der Pferde eingeführt. Empfindsam wie sie sind, reagieren sie auf Hingucken und scheuen hektische Bewegungen wie zum Beispiel rennen. Ein konzentrierter Blick auf die Hufe, so lernen die Kinder, und der erfahrene Joki bleibt stehen. Umgekehrt setzt er sich in Bewegung, ruht der Blick auf seinem Hinterteil. Deshalb dürfen es die Kinder mit der Hand markieren, die sie in Farbe getaucht haben.

Reiten nach Indianerart

Inzwischen regnet es wieder leicht. Also legt die Reitpädagogin dem Regen scheuenden Joki eine Decke über. Mit seinen 29 Jahren ist er ein „alter Herr“ und erfahren in der Arbeit mit Kindern. Geduldig läuft er im Kreis, lässt sich von Susanne Marx longieren, nimmt den kleinsten Impuls auf, reagiert reflexartig. Auf seinem Rücken trägt er keinen Sattel, nur eine Art Gürtel mit zwei Haltegriffen. Das ist es, was die Kinder begeistert: Reiten nach Indianerart. Zum Ende, als die Konzentration nach Stunden trotz Pausen nachlässt, dürfen sie den Hengst noch mit Äpfeln füttern. Auch hier sind es die Jungs, die forscher die flache Hand ausstrecken, dennoch ruhig und zurückhaltend.

Fünf Mädchen im Kurs und nur zwei Jungs? Ist Reiten eine Vorliebe von Mädchen?, haben die NN zum Abschluss die Reitpädagogin gefragt. Nein, meint sie, eher ein in der Gesellschaft verwurzeltes Klischee über Frauen. Spezielle Zeitschriften, Bücher mit Pferdegeschichten für Mädchen, das Fernsehen — sie alle trügen dazu bei, die entstandenen Vorurteile zu vertiefen. Die Jungs, so Susanne Marx, würden sich genieren, zum Reitkurs zu gehen. „Kennen Sie eine Mutter, die ihrem Sohn Pferdebücher schenkt?“ Zeit, umzudenken.

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